Fall 05: Waffenhandel und Korruption

Am Beispiel des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo S.p.A.


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Inhaltsverzeichnis

 

Einführung

Korruption in Korea

Erste Ermittlungen

Hoons Werk: AgustaWestlands Beziehung zu Yang Kim

Hoons Antwort

Wie man Militärs einbindet

Leonardos heikle Reaktion

Der indische VVIP-Hubschrauber-Vertrag

Die Sache wird bekannt - und der Vertrag gebrochen

Widersprüchliche Gerichtsverfahren in Italien und Indien

Aus britischer Sicht: Die Rolle von James Christian Michel

Michel: Hat AgustaWestland deutliche Warnzeichen ignoriert?

Neuer Korruptionsverdacht - Michels weitere Tätigkeit für AgustaWestland

Michels Antwort

Leonardos Reaktion

Beute in Panama

Lavitola wird abgehört

Panama schlägt zurück

Der Vergleich

Leonardos Reaktion

Die inakzeptable Gefahr schwerwiegender Korruption

Die roten Flaggen

Leonardos Reaktion und die Entscheidung des Vorstands

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

 

Einführung

 

Leonardo SpA, früher unter dem Namen Finmeccanica bekannt, ist eines der zehn größten Rüstungsunternehmen der Welt. Es befindet sich teilweise im Besitz des italienischen Staates und war in den letzten zehn Jahren in mehrere Korruptionsskandale auf der ganzen Welt verwickelt. Dieser Bericht handelt von den gravierendsten dieser Skandale und gibt Handlungsempfehlungen an die Beteiligten.

 

Im Jahr 2016 gab Leonardo Einnahmen von 12 Mrd. Euro, einen Auftragseingang von rund 20 Mrd. Euro und einen Auftragsbestand von über 35 Mrd. Euro bekannt. [1] Das Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut (SIPRI) berechnete, dass das Unternehmen im Jahr 2015 nach Umsatz weltweit das neuntgrößte Rüstungsunternehmen war. Ein großer Teil dieses Erfolgs ist auf die Hubschraubersparte des Unternehmens zurückzuführen, die bis zum 1. Januar 2016 aus dem italienisch-englischen multinationalen Unternehmen AgustaWestland bestand.[2] Leonardo Helicopters verfügt am traditionsreichen Standort Yeovil in Großbritannien über umfangreiche Produktionsstätten.

 

Der Konzern wird jedoch von unzähligen Korruptionsskandalen verfolgt, die zu Straf- und Zivilverfahren in mehreren Ländern geführt haben, darunter Italien, Südkorea, Indien und Panama, wo das Fehlverhalten des Unternehmens Schlagzeilen gemacht hat.In den letzten drei Jahren hat Corruption Watch UK diese Korruptionsskandale, die das Unternehmen weltweit begleiten, untersucht und verfolgt. Die Untersuchungen decken den erstaunlichen Umstand auf, dass die britischen Behörden keinerlei formale Ermittlungen gegen von den Korruptionsvorwürfen betroffene britische Akteure, insbesondere gegen die britischen Tochtergesellschaften von Leonardo, durchgeführt haben. Da stellt sich die Frage, mit welcher Ernsthaftigkeit das Vereinigten Königreich britische Akteure zur Rechenschaft ziehen will, die unter dem Verdacht stehen, an globalen Bestechungsprojekten beteiligt zu sein.

 

Die Untersuchungen von Corruption Watch zeigen, dass die britische Tochtergesellschaft des Unternehmens bzw. seine Vertreter in mehreren Fällen in Unregelmäßigkeiten verwickelt waren, wobei die Handelnden aus den obersten Führungsebenen des Unternehmens kamen. Der bemerkenswerteste dieser Akteure ist der ehrenwerte Geoff Hoon, der ehemalige Verteidigungsminister unter Tony Blair und von 2011 bis 2016 der ‚Manager of International Business‘ von AgustaWestland mit Sitz in Großbritannien.Gerichtsdokumente, auf die Corruption Watch UK in Südkorea zugreifen konnte, zeigen, dass Hoon die Aktivitäten eines Lobbyisten lenkte, der 2016 in Südkorea wegen "illegaler Vermittlung" verurteilt wurde - bezahlter Lobbyarbeit. Der Lobbyist war von AgustaWestland eingesetzt worden, um den Verkauf von Wildcat-Hubschraubern an das südkoreanische Militär in die Wege zu leiten und wurde direkt in Pfund bezahlt.

 

Dieser Bericht beschreibt die Funktionsweise von drei dieser Korruptionsfälle, darunter:

 

1. Der Verkauf von Wildcat-Hubschraubern an das südkoreanische Militär. Um den Deal zu sichern wurden mit dem südkoreanischen Militärapparat in Verbindung stehende Personen von AgustaWestland bezahlt, einschließlich des von Geoff Hoon beaufsichtigten Lobbyisten.

2. Der sehr umstrittene Verkauf von VVIP-Hubschraubern nach Indien. Über 60 Mio. Euro wurden an Agenten und Zwischenhändler gezahlt; ein Großteil davon wurde, unter der Aufsicht von  AgustaWestland‘s britischem Hauptsitz, von britischen Bankkonten aus über ein britisches Unternehmen geleitet. Darüber hinaus hat AgustaWestland einen der Agenten im Zusammenhang mit weiteren Geschäften in Indien bezahlt. Die indischen Behörden behaupteten, dass er keinen rechtmäßigen Beitrag zu diesen zusätzlichen Verträgen geleistet hat, was der Agent bestreitet.

3. Der Verkauf von Überwachungs- und anderen Geräten an die Regierung von Panama. Vorwürfe über Schmiergeldzahlungen an den ehemaligen panamaischen Präsidenten, die von einem italienischen Geschäftsmann mit engen Verbindungen zum ehemaligen italienischen Premierminister Silvio Berlusconi in die Wege geleitet wurden, haben den Deal zunichte gemacht. In einer mit Leonardo ausgehandelten Vereinbarung annullierte Panama das Geschäft, woraufhin das dortige Gerichtsverfahren eingestellt wurde.

 

Der Bericht schließt mit der Frage nach der systematischen Korruptheit des Unternehmens und erörtert die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in Zukunft in Korruption verwickelt sein wird. Nach neuen Informationen aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Unternehmens durch den norwegischen Ethikrat, die darauf hindeutet, dass Leonardo weiterhin ein schwerwiegendes Korruptionsrisiko darstellt, scheint die Antwort „ja“ zu sein.

 

Corruption Watch UK wandte sich im April und Mai 2018 an Leonardo, um den Inhalt und die Ergebnisse dieses Berichts zu kommentieren. Das Unternehmen hob daraufhin die Stärke seines Programms zur Korruptionsbekämpfung hervor und wies darauf hin, dass es in Bezug auf die im Folgenden behandelten Fälle in keinem Gerichtsverfahren verurteilt wurde. Die vollständige Antwort des Unternehmens finden Sie unter www.cw-uk.org/angloitalianjob.

 

Korruption in Korea

 

Am 26. März 2010 um 21:22 Uhr sank die Cheonan, eine Fregatte der südkoreanischen Marine, in den Gewässern des Gelben Meeres. Von den 106 Soldaten an Bord starben 46. Es wurde spekuliert, dass die Cheonan von einem nordkoreanischen U-Boot ins Visier genommen worden war.

 

Als Folge des Untergangs der Cheonan kamen koreanische Militärplaner zu dem Schluss, dass das Land über ungenügende Fähigkeiten in der U-Boot-Bekämpfung verfügte. Dieser Glaube wurde noch verstärkt, als im Monat darauf zwei der südkoreanischen Super-Lynx-Hubschrauber über dem Meer abstürzten. Sie waren ursprünglich von Westland, der britischen Vorgängergesellschaft von AgustaWestland, gebaut worden.

 

Infolgedessen hat Südkorea Ende 2010 eine neue Ausschreibung über den Kauf von Hubschraubern mit der Fähigkeit zur U-Boot-Bekämpfung veröffentlicht. Das Auswahlverfahren erstreckte sich über mehrere Jahre, an deren Ende AgustaWestland im Januar 2013 erfolgreich war. Das Unternehmen wurde mit der Lieferung von 8 AW-159 Wildcat-Hubschraubern beauftragt. Die Gesamtkosten des Vertrages betrugen 227 Millionen Pfund, was damals 360 Millionen Dollar entsprach. Mit dem Zuschlag wurde AgustaWestland zudem hervorragend positioniert, um auch in einer zweite Runde der Hubschrauberbeschaffung erfolgreich zu sein, die innerhalb weniger Jahre zu erwarten war.

 

Erste Ermittlungen

 

Aufgrund der Besorgnis über die weit verbreitete staatliche Korruption ernannte die südkoreanische Regierung Ende 2014 eine gemeinsame Ermittlungsgruppe, die sich aus Beamten und Staatsanwälten des Justizministeriums sowie Militärangehörigen zusammensetzte. Ihre Aufgabe war es, große südkoreanische Rüstungskäufe nach Hinweisen auf Korruption zu durchsuchen und gegebenenfalls Anklage zu erheben. Die Untersuchung brachte schnelle Ergebnisse: Im Juli 2015 teilte das koreanische Büro des Obersten Staatsanwalts mit, dass 63 Mitarbeiter aus dem Verteidigungssektor, größtenteils aus der Marine und der Armee, verhaftet und wegen einer Vielzahl von Rüstungsgeschäften angeklagt wurden. [3]

 

Eine der zentralen Anschuldigungen der ‚Task Force‘ war, dass die im Auswahlverfahren verwendeten Test- und Bewertungsdaten von koreanischen Beamten gefälscht worden seien. Die Auswertungen hatten ergeben, dass der Wildcat für die militärischen Bedürfnisse Koreas geeignet war - obwohl sich der Hubschrauber noch in der Entwicklung befand. [4] In der Zusammenfassung der Pressemitteilung hieß es:

 

Von August 2012 bis Januar 2013 haben die Angeklagten gefälschte Bewertungsdokumente so erstellt, als ob sie tatsächliche Tests mit dem Wildcat durchgeführt hätten, und berichteten, dass er alle geforderten Fähigkeiten aufweise, obwohl er tatsächlich noch nicht hergestellt wurde und er hinter den erforderlichen Fähigkeiten zurückblieb. Dies geschah, damit der Wildcat als maritimer Einsatzhubschrauber ausgewählt werden konnte. [5]

 

In Folge der Bekanntmachung der Task Force vom Juli 2015 wurden eine Reihe von Personen beschuldigt und angeklagt. Die meisten dieser Fälle ziehen sich immer noch durch das koreanische Gerichtssystem (sowohl zivil als auch militärisch), wobei endgültige Urteile für 2018 erwartet wurden. Zwei bemerkenswerte Fälle sind jedoch bereits weit fortgeschritten, und beide zeigen, dass AgustaWestland Agenten einsetzte, um den Vertrag auf zwielichtige Weise zu sichern.

 

Hoons Werk: AgustaWestlands Beziehung zu Yang Kim

 

Der erste Fall dreht sich um die Rolle einer besonders bemerkenswerten Person: Yang Kim. Kim war, bevor er seine Beziehungen zu AgustaWestland einging,  Minister für Patrioten- und Veteranenangelegenheiten. Er ist gleichzeitig der Enkel eines der in Korea am meisten verehrten ‚Patrioten‘. [6]

 

Gerichtsdokumente zeigen, dass AgustaWestland im November 2011 einen Beratervertrag mit Yang Kim abgeschlossen hat - im selben Monat, in dem die für die Beschaffung zuständige koreanische Agentur den "Kaufplan" abgeschlossen hat, der das Verfahren für den Kauf von Seehubschraubern festlegt. [7] Kim wurden für die Dauer von zwei Jahren 17.000 Euro pro Monat zugesagt, hinzu kam eine Erfolgsprämie von 0,5% auf den Vertrag, was  einem Betrag von 1.135.661 Pfund [8] entspricht.

 

Derartige Vereinbarungen sind in Korea illegal. Laut Artikel 3 des koreanischen ‚Gesetzes über die verschärfte Bestrafung bestimmter Straftaten‘ ist das bezahlte „Verhandeln“ mit Beamten im Auftrag eines Geldgebers illegal. Wenn ein Lobbyist von einem Unternehmen Geld erhält und dann versucht, die Entscheidungen oder Meinungen von Beamten, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, aktiv zu beeinflussen, macht sich der Lobbyist eines Verbrechens schuldig, nämlich der "Annahme eines Bestechungsgeldes für die Mediation". [9]

 

Nach Ansicht der Richter, die über den Fall Kims zu entscheiden hatten, gilt das Gesetz sowohl für Privatpersonen als auch für öffentliche Personen, "weil eine Person, die kein Beamter ist, auch durch schulische, regionale oder persönliche Bindungen Einfluss auf die Pflicht eines Beamten ausüben kann". Darüber hinaus würde die "Fairness der Erfüllung der Pflicht des Beamten" in Frage gestellt, wenn er nach einer bezahlten Lobbyarbeit oder Mediation eine Entscheidung getroffen hätte.

 

Im Falle Kims stellte das Gericht aufgrund der von ihm beschlagnahmten Dokumente fest, dass er aktiv versucht hatte, im Namen von AgustaWestland Einfluss zu nehmen. In dem Urteil, das Kim des Verbrechens für schuldig befand, stellte das Gericht fest, dass Kims Vereinbarung mit AgustaWestland vorsah, dass er "seine engen Verbindungen zu menschlichen Netzwerken oder seinen Einfluss auf hochrangige Beamte in Institutionen, die mit Rüstungsprojekten zu tun haben, wie dem Verteidigungsministerium, der Administration des Rüstungsbeschaffungsprogramms und dem koreanischen Militär nutzt, um ihre Positionen und Einstellungen bei der Auswahl des Modells und der Ausrichtungen des Programms herauszufinden und gleichzeitig Einfluss zu nehmen.... so dass der Wildcat als Modell für den maritimen Einsatzhubschrauber ausgewählt wird...' .[10]

 

Das Urteil des koreanischen Gerichts zeigt, dass er dies auf klare Anweisungen von zwei wichtigen AgustaWestland-Managern hin getan hat: Geoff Hoon und Giacomo Saponaro. [11] Hoon war damals Geschäftsführer von AgustaWestland für den Bereich ‚International Business‘, Saponaro war ‚Vice-President of International Business‘ des Unternehmens.

 

Vor seiner Einstellung bei AgustaWestland im Jahr 2011 diente Hoon als Verteidigungsminister von Tony Blair während der Invasion im Irak, als Verkehrsminister und als Fraktionsvorsitzender im britischen Unterhaus.

 

Hoon ist, was Kontroversen angeht, kein Unbekannter. Bei einem Undercover-Coup von Reportern der investigativen Sendung Disptaches, die sich als Lobbyisten ausgaben, erzählte Hoon im Jahr 2010, dass er sich darauf „freue, mein Wissen und meine Kontakte über so etwas wie die internationalen Szene irgendwie zu übertragen so dass, unverblümt gesagt, Geld herausspringt.“ [12] Daraufhin wurde ihm vom Parlamentarischen Normen- und Privilegienausschuss für fünf Jahre sein parlamentarischer Fotopass entzogen. [13]

 

Die erste E-Mail mit Anweisungen an Kim wurde am 21. Mai 2012 von Saponaro verschickt. Saponaro schickte Kim ein "Whitepaper" und riet ihm, es "Ihrer Einschätzung entsprechend so zu verwenden, dass die Entscheidungsträger ein gutes Verständnis der Schwächen des Konkurrenzmodells entwickeln.’ [14]

 

Die freimütigste E-Mail wurde jedoch von Hoon verschickt. In einer Mail, die er am 14. September 2012 an Kim schickte, spielte Hoon darauf an, dass Kim nicht aktiv genug Lobbyarbeit betrieben habe. Hoon argumentierte:

 

„Die Rolle einer hochrangigen Persönlichkeit wie Ihnen muss mehr sein, als nur auf passive Weise Informationen bereitzustellen. Wir sind darauf angewiesen, dass Sie sich aktiv darum bemühen, Einfluss auf hochrangige Entscheidungsträger in Korea zu nehmen. Insbesondere hoffen wir, dass Sie uns praktische Hilfe bei den Problemen geben, die wir derzeit mit der Verwaltung des Rüstungsbeschaffungsprogramms haben. Relevante Dokumente sind beigefügt..... Nur ein hochrangiger Beamter wie Sie kann die Schwierigkeiten in unserem Namen angehen. Ich bin seit unserem ersten Treffen immer davon ausgegangen, dass Sie den Willen und die Fähigkeit haben, Hilfe auf diesem Niveau und in dieser Qualität zu leisten.“ [15]

 

Die Anhänge zu Hoons E-Mail skizzierten die Probleme, die AgustaWestland hatte, um den Deal abzuschließen. Nach Ansicht des Gerichts war das Unternehmen derart in Schwierigkeiten, dass Kims Eingreifen nur dann von Nutzen wäre, wenn er sich aktiv für eine Neubewertung des Angebots von AgustaWestland einsetzte.

 

Kim reagierte empört auf die Andeutung, dass er die in seinem Agenturvertrag vorgesehene Aufgabe nicht erfülle. In einer Mail vom 17. September 2012, drei Tage nach Hoons Schreiben, beschwerte sich Kim: „Ich kann nicht verstehen, warum Sie den Eindruck haben, dass ich nur eine passive Rolle für AgustaWestland spiele. Ich werde diejenigen, mit denen ich mich getroffen habe, nicht nennen. Aber ich habe mich seit dem Abschluss des Beratervertrages regelmäßig mit Leuten der Agency for Defense Development, der Korea Aerospace Industries und der Verwaltung des Rüstungsbeschaffungsprogramms getroffen.“ [16]

 

Darüber hinaus schickte Kim zwei E-Mails an Hoon, die auf seine Lobbyarbeit für AgustaWestland während der Laufzeit seines Beratervertrages hinwiesen. In der ersten Mail, verschickt am 23. Juli 2012, versprach Kim, dass er einen formellen Vortrag nutzen wolle, um sich für den Wildcat einzusetzen. Kim spekulierte, dass er aufgrund seiner Beteiligung an der Gedenkfeier für die Opfer des Untergangs der Cheonan eingeladen worden sei – womit er anscheinend beabsichtigte, eine nationale Tragödie in ein profitables Geschäft für sich und AgustaWestland zu verwandeln. In der E-Mail steht:

 

„Der Chef des Marinestabes lud mich ein, am 9. August (nächsten Donnerstag) anlässlich des 67. Jahrestages der Befreiung Koreas von Japan einen besonderen Vortrag vor Marineoffizieren zu halten. Ich werde den Chef des Marinestabes vor dem Vortrag kurz treffen. Ich habe selbst zugestimmt, einen Platz auf dem Daejon Nationalfriedhof anzubieten, um die koreanischen Marinesoldaten zu ehren, die bei dem Angriff Nordkoreas auf Yeonpyeong im März 2010 getötet wurden. Der Chef des Marinestabs war damals der stellvertretende Chef des Marinestabs. Ich glaube, er wollte zeigen: "Ich habe deine Bemühungen für die Marine nicht vergessen." Ich werde tun, was ich kann, wenn es eine Gelegenheit gibt..... Wenn der Wildcat und der Seahawk beide die Budgetgrenzen einhalten, liegt die Entscheidung allein bei der koreanischen Marine.“ [17]

 

Die zweite E-Mail wurde am 10. November 2012 verschickt, etwa zwei Monate vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch AgustaWestland. Kim informierte Hoon darüber:

 

„Bei Rüstungsprogrammen hängt die endgültige Entscheidung von der Stimme und dem Wunsch der Endverbraucher ab, wenn die Preise konkurrierender Produkte alle innerhalb der Budgetgrenzen liegen. So ist das nach meiner Erfahrung. Ich werde mich am Dienstag nächster Woche mit einem Freund von mir treffen. Ich werde mein Bestes tun, um den Wildcat noch einmal hervorzuheben.“ [18]

 

Im August 2013, einige Monate vor der offiziellen Beendigung seines bestehenden Vertrages mit dem Unternehmen, schlug Kim AgustaWestland vor, mit ihm einen zweiten Vertrag abzuschließen, um ihnen dabei zu helfen, bei der geplanten zweite Runde von Hubschrauberbeschaffungen erfolgreich zu sein. Das Unternehmen reagierte jedoch nicht auf seine Annäherungsversuche. Es war auch in Verzug, Kim die Erfolgsprämie für die erste Phase des Vertrages zu zahlen.

 

Kim war beharrlich und schrieb mehrmals an Hoon. Nach Angaben des Gerichts betonte Kim seine engen Verbindungen zum Präsidentenamt und zum Militär. Er informierte Hoon auch über seine Treffen mit hohen Beamten und darüber, was er alles unternommen habe, um gegen die Unterstützung von AgustaWestlands Hauptkonkurrent, dem Surion-Hubschrauber, zu argumentieren.

 

Am 16. Oktober 2014 unterzeichneten AgustaWestland und Kim einen zweiten Beratervertrag. Wie beim ersten Abkommen sollte Kim für die Lobbyarbeit im Namen von AgustaWestland bezahlt werden. Wenn dem Unternehmen der Vertragsabschluss für die zweite Phase gelänge, würde Kim eine Erfolgsprämie von 0,5% des Gesamtauftrags gezahlt. Im Jahr 2016 wurde berichtet, dass das Programm dieser zweiten Phase, bei dem weitere 12 Hubschrauber angeschafft wurden, ein geschätztes Budget von 784 Millionen Dollar hatte. [19] Kims 0,5% würden, wenn diese Zahlen zutreffen, 3,92 Millionen Dollar entsprechen.

 

Dieser Vertrag wurde am Ende durch Kims Verhaftung, Anklage und schließlich seine Verurteilung praktisch aufgehoben. Wäre Kims Beziehung zu AgustaWestland jedoch nicht von der Strafverfolgungsbehörde entdeckt und damit beendet worden, wäre es wahrscheinlich, dass AgustaWestland noch heute einen bezahlten Agenten beschäftigen würde, der in seinem Namen Lobbyarbeit leistet - wiederum unter Verletzung der koreanischen Gesetze über Lobbyarbeit und Vermittlung.  Auch der Zeitpunkt dieses Vertrages und seine Struktur sind von Bedeutung. Wie weiter unten ausführlicher dargestellt, hat Finmeccanica 2013 einen Expertenausschuss (bekannt als ‚Flick Committee‘) eingesetzt, der seine Compliance-Systeme überprüft. Das Komitee orientierte sich an der Untersuchung des Woolf-Komitees, die der britische Rüstungskonzern BAE Systems nach zahlreichen Korruptionsskandalen bereits durchgeführt hatte. Die Arbeit des Komitees war Teil des öffentlich geäußerten Wunsches des Unternehmens, aus den belastenden Korruptionsskandalen zu lernen.

 

Der daraus resultierende Flick-Bericht gab eine Reihe von Empfehlungen ab und schlug die Annahme eines Verhaltenskodex vor, der das internationale Konzept des ‚Best Practice in Compliance‘ beinhaltet, [20] worüber der Ausschuss einen detaillierten Überblick vorlegte. Dazu gehörte auch, dass Unternehmen detaillierte "Risk Maps" erstellen, die schwerwiegende Korruptionsrisiken identifizieren und entsprechend reagieren. Eines der größten identifizierten Risiken war:

 

‚Das Bestehen eines intensiven und dauerhaften Kontakts zwischen dem Management und den anderen im Unternehmen beschäftigten Mitarbeitern einerseits und Beamten oder Mitarbeitern oder Agenten mit direkter Verbindung zu Beamten andererseits sollte eine weiteres Warnsignal in der risk map darstellen. ‘ [21]

 

Am 31. März 2014 wurde der Bericht des Flick-Ausschusses vom Vorstand von Finmeccanica angenommen. [22] Sieben Monate später unterzeichnete AgustaWestland den neuen Beratervertrag mit Kim - obwohl die Beziehung zwischen dem Unternehmen und Kim fast genau der Art entsprach, die im Flick-Bericht als eine ernsthafte "rote Flagge" beschrieben wurde.

 

Hoons Antwort

 

Corruption Watch UK wandte sich im April und Mai 2018 an Geoff Hoon und bat um eine Stellungnahme. In seiner Antwort bestreitet Hoon die Darstellung der Ereignisse im Gerichtsurteil. Er stellt fest, dass es „Herausforderungen bei der Geschäftstätigkeit in Südkorea“ gab, und dass angesichts dessen „vorgeschlagen wurde, dass das Unternehmen von der Beratung durch Experten aus Südkorea profitieren würde..... Das ist in der Rüstungsindustrie nicht ungewöhnlich.“ So wurde AgustaWestland mit Yang Kim bekannt gemacht. Durch wen, das offenbart Geoff Hoon allerdings nicht.

 

Hoon beteuert, zu diesem Zeitpunkt nicht an der Auswahl oder der Ernennung von Kim beteiligt gewesen zu sein. Auch sei er zunächst nicht an der Leitung von Kims Arbeit beteiligt gewesen. Stattdessen sei er erst ins Bild gesetzt worden, als Bedenken über die Qualität von Kims Arbeit geäußert wurden. Kim habe nur Medienberichte recycelt und "nicht die entscheidende Analyse geliefert, die er ursprünglich angeboten hatte", so Hoon. Er behauptet, dass er „wegen Yang Kims früherer Zugehörigkeit zu einer sehr hierarchischen Gesellschaft gebeten wurde, mit Kim in Kontakt zu treten“, und dass er „durch eine E-Mail von einem jüngeren Mitglieds des Unternehmens beleidigt werden könnte“.

 

Hoon behauptet auch, dass „ich zu keiner Zeit erwartet habe, dass Yang Kim sich tatsächlich mit hochrangigen Entscheidungsträgern trifft oder im Namen des Unternehmens um Unterstützung bittet oder Lobbyarbeit leistet", und dass er zu keinem Zeitpunkt von Kim erwartete, aktiv Lobbyarbeit zu leisten. Allerdings zeigt die E-Mail-Korrespondenz aus Kims Prozess, dass Hoon häufig über Kims Versuche informiert wurde, im Namen des Unternehmens bei koreanischen Beamten Lobbyarbeit zu betreiben. Insbesondere zeigen die E-Mails, dass Hoon tatsächlich verlangte, dass Kim genau das tut, was er jetzt bestreitet - Lobbyarbeit für des Unternehmens. Wie bereits erwähnt, schrieb Hoon am 14. September 2012 eine E-Mail an Kim, in der er erklärte, dass „die Rolle einer hochrangigen Persönlichkeit wie die Ihre mehr sein muss, als nur auf passive Weise Informationen bereitzustellen. Wir sind darauf angewiesen, dass Sie sich aktiv darum bemühen, Einfluss auf hochrangige Entscheidungsträger in Korea zu nehmen.“

 

Hoons Antwort ist noch aus einem weiteren Grund besorgniserregend. Hoon behauptet, dass, weil der Verkauf von Wildcat-Hubschraubern an Südkorea britische Arbeitsplätze ‚schaffen und schützen‘ könnte, dem Unternehmen erhebliche Unterstützung von für die Einsetzung von Experten zuständigen britischen Beamten angeboten wurde. Hoons Antwort lässt den Eindruck erwecken, dass die Einstellung eines Beraters von genau diesen Beamten empfohlen wurde. Dies würde, wenn es zutrifft, darauf hindeuten, dass britische Beamte mitschuldig waren, indem sie Ratschläge gaben, die zur Verletzung des koreanischen Rechts führten.

 

Wie man Militärs einbindet

 

Der zweite nennenswerte Fall, für den derzeit noch das Berufungsverfahren läuft, betraf drei Angeklagte: Yoon-hee Choi, Hong-yong Jeong und Tai Heon Ham. [23] Ham arbeitete für eine Reihe von Rüstungsfirmen in Korea als Waffenhändler. Yoon-hee Choi war einer der ranghöchsten Militärbeamten des Landes. Im November 2016 wurden alle drei vom Central District Court in Seoul für schuldig befunden und zu zwischen zwei und drei Jahren Gefängnis verurteilt.

 

Es sei darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung später in der Berufung aufgehoben wurde – eine Entscheidung, gegen die wiederum Berufung eingelegt wurde. Es wird erwartet, dass 2018 ein endgültiges Urteil des koreanischen Berufungsgerichts ergehen wird. Aus heutiger Sicht werden daher alle nachstehend genannten Personen derzeit für nicht schuldig befunden, was sich jedoch je nach Ergebnis der endgültigen Berufung ändern kann. Dennoch glauben wir, dass das Gerichtsurteil vom November 2016 seine Relevanz behält, denn während die Gerichte zu unterschiedlichen Auslegungsentscheidungen gekommen sind, bleiben bestimmte zugrunde liegende Fakten unbestritten.

 

Der Mann im Zentrum des Falles ist Tai Heon Ham, der als Waffenhändler in der koreanischen Rüstungsindustrie überaus aktiv ist. Dem Urteil vom November 2016 nach war Ham der entscheidende Mann hinter zwei Unternehmen, Selectron Korea und EO Systems. Über Selectron hatte Ham eine Reihe von Agenturverträgen mit einer großen Anzahl von Rüstungsunternehmen abgeschlossen. Dazu gehörte ein am 1. September 2010 unterzeichneter Agenturvertrag zwischen Selectron Korea und AgustaWestland. Diese Vereinbarung stand in ausdrücklichem Zusammenhang mit dem ‚Maritimen Hubschrauberprogramm‘. [24]

 

Die andere Schlüsselperson in dem Verfahren, zumindest in Bezug auf AgustaWestland,[25] war Yoon-hee Choi. Choi war einer der mächtigsten Männer der koreanischen Marine und kam, fast zeitgleich mit Hams Agenturvertrag mit AgustaWestland, in Positionen mit beträchtlichem Einfluss. Choi war zwischen 2010 und 2013 zunächst stellvertretender Stabschef, dann Stabschef der Marine. Im Oktober 2013 wurde er zum Vorsitzenden des Generalstabs der gesamten südkoreanischen Streitkräfte befördert. Im Oktober 2015 trat er in den Ruhestand. [26]

 

In diesen Positionen war Choi aktiv an einer Reihe von Beschaffungs- und Planungsentscheidungen beteiligt, von denen viele Auswirkungen auf die Geschäfte der verschiedenen von Ham vertretenen Unternehmen hatten. Tatsächlich wies das Gericht darauf hin, dass Choi "einen erheblichen Einfluss auf das bestehende und/oder zukünftige Geschäft von Selectron Korea und EO Systems nehmen könnte, indem er direkt und/oder indirekt auf die Politik im Zusammenhang mit Rüstungsprogrammen und dem Erwerb von Militärgütern einwirkt". Dazu gehörten auch Projekte in direktem Zusammenhang mit AgustaWestland: "Insbesondere für die zweite Phase des Maritime Operational Helicopter Program könnten die Aufgaben, die der Beklagte Yoon-hee Choi bei der Überarbeitung von Anforderungen wahrzunehmen hatte, die Erwerbsmethode in Bezug auf den Zeitpunkt der Ausführung beeinflussen". [27]

 

Die Staatsanwaltschaft legte keine Beweise für eine bestimmte Handlung vor, die Choi vorgenommen hatte, um AgustaWestland direkt zu begünstigen, da dies in dem Verfahren keine Rolle spielte. Stattdessen kam das Gericht zu dem Schluss, dass Choi das Ergebnis der Entscheidungen zugunsten von AgustaWestland hätte beeinflussen können. Nach koreanischem Recht reicht dies aus, um die Straftat der Bestechung zu beweisen. Die Frage nach dem Vorliegen einer Bestechung lautet, "ob die Gesellschaft an der Rechtmäßigkeit bei der Erfüllung von Pflichten zweifeln würde, weil ein Beamter Geld angenommen hat....“ [28]

 

Ham, so das Gericht, leistete Zahlungen, die Choi über seinen Sohn Si-myeong Choi hätte zugute kommen können, als er Si-myeong im September 2014 Schecks im Wert von 20 Millionen koreanischen Won gab, angeblich als Investition in das Geschäft des jungen Choi. [29]

 

Das Bezirksgericht Seoul stellte fest, dass die Zahlung „mit der Absicht geleistet wurde, den Beklagten Yoon-hee Choi im Zusammenhang mit seinen Pflichten als Vorsitzender der JCS aufzufordern, im Rahmen seiner politischen Entscheidungen über Rüstungssprogramme und/oder beim Erwerb von militärischen Gütern wie Waffensystemen Einfluss zu Gunsten von Selectron Korea und EO Systems auszuüben oder zumindest Nachteile zu verhindern.“ Dies bedeutete, wie das Gericht unverblümt feststellte, dass der Beklagte Yoon-hee Choi damit Bestechungsgelder im Wert von 20 Millionen KRW im Zusammenhang mit seinen Pflichten als Beamter annahm. [30]

 

Keiner der Angeklagten in dem Fall bestritt, dass Ham die Gelder an Chois Sohn gezahlt hat. Sie argumentierten stattdessen, dass die Investition in Si-myeong's Unternehmen ein unterstützendes "Angel-Investment" sei, das mit den offiziellen Pflichten des Herrn Choi nichts zu tun habe. Während das Bezirksgericht Seoul diese Interpretation der Zahlungen zurückwies, war das Berufungsgericht wohlwollender, was zur Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichts Seoul führte. Eine letzte Berufung vor dem höchsten koreanischen Berufungsgericht wird derzeit verhandelt, ein Urteil wird voraussichtlich irgendwann 2018 gefällt.

 

Wenngleich das Berufungsverfahren zu den Vorwürfen noch läuft, sind wir aber der Ansicht, dass das Urteil vom November 2016 ernsthafte Fragen hinsichtlich des Verhaltens von AgustaWestland und seinen Vertretern aufwirft. Es ist besorgniserregend, dass ein von AgustaWestland beschäftigter Berater so enge und dauerhafte Verbindungen zu hochrangigen Militärs hat - und dass er, während er als Berater für das Unternehmen arbeitete, Gelder an die Familie eines hochrangigen Militärbeamten überwiesen hat.

 

Leonardos heikle Reaktion

 

Auf die Frage nach den Vorgängen in Südkorea antwortete Leonardo, dass "internationale Handelsberater" "umfangreichen Hintergrund- und Due Diligence-Prüfungen" unterzogen würden. Dazu gehörte ein Gutachten einer im jeweiligen Rechtssystem ansässigen Anwaltskanzlei, das die – in Bezug auf die entsprechende Rechtsordnung – Rechtmäßigkeit einer vorgeschlagenen Beschäftigung untersuchte. Gerade in Bezug auf Yang Kim stellte Leonardo fest, dass er, entsprechend diesem Procedere, vor der Verlängerung seines Vertrags im August 2014 einem ‚Due Diligence‘-Prozess unterzogen wurde. Dieser habe keine relevanten Risiken ergeben, die eine Verlängerung dieser Beschäftigung im Wege gestanden hätten. Die Firma beendete das Arbeitsverhältnis jedoch, nachdem gegen Kim Anklage erhoben wurde. In der Antwort des Unternehmens steht auch, dass "kein Unternehmen der Leonardo-Gruppe wegen einer Straftat angeklagt ist oder war oder einer förmlichen Untersuchung im Zusammenhang mit den oben genannten südkoreanischen Angelegenheiten unterzogen ist oder wurde".

 

Es ist zwar ermutigend, dass das Unternehmen eine ‚Due Diligence‘ bei Beratern durchführt. Beunruhigend ist jedoch, dass diese Due Diligence in Bezug auf die Anstellung von Yang Kim keine relevanten Risiken aufgedeckt hat. Wie aus dem Urteil gegen Kim hervorgeht, ist eben dieses Vorgehen, nämlich bezahlte Lobbyarbeit zu betreiben, in Korea illegal. Eine Überprüfung der eigenen internen E-Mails des Unternehmens hätte gezeigt, dass Kim, der über seine Lobbyarbeit laufend berichtete, genau das tat. Das Versagen der Kontrollmechanismen des Unternehmens, ‚Risiken aufzudecken‘, deutet unter diesen Umständen darauf hin, dass die ‚Due Diligence‘-Prozeduren des Unternehmens in einem Kontext, in dem die Risiken deutlich erkennbar waren, nicht ausreichten.

 

Der indische VVIP-Hubschrauber-Vertrag

 

Am 8. Februar 2010 unterzeichnete AgustaWestland einen gewaltigen Vertrag. Für 556 Mio. Euro wurde AgustaWestland mit der Lieferung von 12 AW101-Hubschraubern (auch unter dem Namen ‚Merlins‘ bekannt) [31] an die indische Regierung beauftragt. Die Hubschrauber waren für die Präsidentenflotte bestimmt, um Indiens Würdenträger deutlich stilvoller zu befördern, als es ihre knatternde und alternde Staffel zu leisten vermochte.

 

Die Sache wird bekannt - und der Vertrag gebrochen

 

Im Jahr 2011 wurden die Büros von Finmeccanica aufgrund von Korruptionsvorwürfen in Panama durchsucht (näheres dazu im nächsten Abschnitt). Bei den Razzien wurde mehr entdeckt als erwartet, und in Folge der Ermittlungen verhaftete die italienische Polizei im Februar 2013 Giuseppe Orsi und Bruno Spagnolini. Orsi war der Vorsitzende von Finmeccanica, während Spagnolini der ehemalige Leiter von AgustaWestland war.  [32] Das indische Central Bureau of Investigation (CBI) startete im selben Monat offiziell seine eigene Untersuchung der Transaktion.

 

Im August 2013 wurden die Bemühungen der italienischen und indischen Polizei durch die Oberste Indische Rechnungsprüfungsbehörde ergänzt, die dem Parlament einen vernichtenden Prüfbericht vorlegte. Nach Ansicht des Obersten Rechnungsprüfers wich der gesamte Prozess der Beschaffung von VVIP-Hubschraubern, von der Festlegung der Qualitätsanforderungen (Service Qualitative Requirements, SQR) bis zum Vertragsabschluss, vom vorgeschriebenen Verfahren ab. [33]

 

Der Bericht des Obersten Rechnungsprüfers enthielt eine Litanei von Problemen, die von der Nichtbeachtung der korrekten Schätzungen bei der Verhandlung des Vertragspreises bis hin zur Tatsache reichte, dass der getestete AgustaWestland-Hubschrauber nur ein Prototyp war. Das vielleicht bemerkenswerteste Problem betraf aber die Dienstgipfelhöhe des Hubschraubers. Die ursprüngliche Anforderung an die VVIP-Hubschrauber war, dass sie in einer maximalen Höhe von 6000 Metern fliegen können sollten. [34] Dies war absolut notwendig, da der bergige Norden des Landes sonst nicht zugänglich wäre.

 

Der von AgustaWestland angebotene Hubschrauber war jedoch nicht für den Flug in dieser Höhe zugelassen. Im Jahr 2006 wurden die Ausschreibungsunterlagen verändert, um die verbindliche Betriebsgrenze von 6000 auf 4500 Meter zu senken, [35] so dass AgustaWestland sein Angebot einreichen konnte. Der Rechnungsprüfer stellte fest, dass diese Änderung trotz der "unausweichlichen Betriebsanforderung von 6000 Metern für den Transport zu vielen Gebieten im Norden und Nordosten" vorgenommen wurde.“ [36]

 

Zur gleichen Zeit, als Indiens CBI und Oberster Rechnungsprüfer den Vertrag untersuchten, schickte die Regierung eine "Show Cause"-Anzeige an AgustaWestland. Dies gab AgustaWestland das Recht, Gründe anzugeben („show cause“), warum der Vertrag nicht gekündigt werden sollte. [37] Das Unternehmen war dazu nicht in der Lage, und im Januar 2014 kündigte die indische Regierung den Vertrag "auf der Grundlage eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Vorvertraglichen Integritätspakts und von Vertragsverletzungen" [38] Dies wurde allgemein als Verweis auf den Einsatz von geheim gehaltenen Agenten durch AgustaWestland interpretiert, der aufgrund der Vertragsbedingungen verboten war. Finmeccanica hat der Entscheidung Indiens widersprochen, was bedeutet, dass der Vertrag bis zum Abschluss eines internationalen Schiedsverfahrens verlängert wurde. [39]

 

Im August 2014 wurde weiteres Salz in die Wunden gerieben, als das indische Verteidigungsministerium eine formelle "Vigilance Notice" (Wachsamkeits-Meldung) herausgab. Die Mitteilung hatte zur Folge, dass Finmeccanica oder ihre Tochtergesellschaften, die an einer laufenden Ausschreibung beteiligt waren, von der Teilnahme ausgeschlossen wären, „sofern die Ausschreibung mit anderen Wettbewerbern zufriedenstellend abgeschlossen werden kann.“ Außerdem wurde das Unternehmen von zukünftigen Ausschreibungen praktisch ausgeschlossen, indem die Vigilance Notice die Anweisung enthielt, dass "ein Unternehmen der Finmeccanica-Unternehmensgruppe die Ausschreibungsunterlagen zum Zwecke der Angebotsabgabe nicht erhalten sollte, sofern es Parteien gibt, die an der Ausschreibung teilnehmen.“  [40]

 

Widersprüchliche Gerichtsverfahren in Italien und Indien

 

Nach der Vertragsauflösung gab es sowohl in Italien als auch in Indien Gerichtsverfahren; die Ergebnisse dieser Verfahren waren unterschiedlich.

 

Der aufsehenerregendste Prozess in Italien konzentrierte sich die auf Giuseppe Orsi und Bruno Spagnolini. Nach ihrer Verhaftung im Jahr 2013 wurden sie sowohl wegen Abrechnungsbetrug als auch wegen Korruption angeklagt. Orsi und Spagnolini wurden beschuldigt, die Einstellung von drei Agenten betreut zu haben: Guido Haschke, Carlos Gerosa und James Christian Michel, die 51 Millionen Euro erhielten, um den herbei zu führen. Diese Agenten standen im Verdacht, indische Beamte bestochen zu haben, darunter Air Chief Marshall SP Tyagi, einer der ranghöchsten indischen Beamten, der mit dem Beschaffungsprozess betraut war. Die Anklage der Rechnungsfälschung basierte auf dem Vorwurf, dass die Zahlungen an Haschke und Gerosa in gefälschten Ingenieurverträgen mit den beiden Unternehmen IDS Infotech und IDS India versteckt waren.

 

Im Oktober 2014 befanden die italienischen Gerichte Orsi und Spagnolini des Rechnungsbetruges für schuldig, sprachen sie aber vom Korruptionsvorwurf frei. Sie wurden zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. [41] Sowohl die italienischen Staatsanwälte als auch die Verteidiger von Orsi und Spagnolini fochten die Entscheidung sofort an; der Staatsanwalt, um den Korruptionsfreispruch aufzuheben, die Angeklagten, um einen Freispruch vom Vorwurf des Rechnungsbetrugs anstreben.

 

Im April 2016 hob der Oberste Gerichtshof Italiens die Feststellungen der Vorinstanz auf und befand die ehemaligen Führungskräfte von Finmeccanica sowohl wegen Korruption als auch wegen Abrechnungsbetrugs für schuldig. Der Oberste Gerichtshof griff die Herangehensweise der Vorinstanz an, weil es eine enge und "atomisierte Betrachtung der Beweise" [42] gezeigt und weil es die Hinzuziehung von abgehörten Gesprächen, die von der italienischen Polizei aufgezeichnet wurden, und der Aussage von Guido Haschke nicht in Betracht gezogen habe. [43]

 

Gegen diese Entscheidung wurde dann Berufung eingelegt und das höchste Gericht Italiens, das Kassationsgericht, angerufen. Das Kassationsgericht ist nur befugt, Verfahrensfragen und nicht den Inhalt des Falles zu überprüfen. Das Kassationsgericht hob die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus Verfahrensgründen auf. Letztendlich hat der Oberste Gerichtshof im Januar 2018 nach fast vierjährigen Gerichtsverfahren Orsi und Spagnolini in einem Wiederaufnahmeverfahren von allen Anklagen freigesprochen. [44] Eine Berufung gilt als höchst unwahrscheinlich.

 

Die Begründung des Obersten Gerichtshofs in seinem Freispruchsurteil muss noch veröffentlicht werden, so dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich war, die Begründung des Gerichts richtig zu analysieren. Laut Orsi's Anwalt, der von Reuters zitiert wurde, hatten die Richter festgestellt, dass es keine Beweise für Korruption gab, dass kein Geld an Beamte gezahlt worden war und dass indische Beamte sich nicht einmal in den Beschaffungsprozess eingemischt hatten. Wenn dies eine genaue Beschreibung des Urteils ist, dann steht es eindeutig im Widerspruch zu anderen Rechtsentwicklungen, sowohl in Italien als auch in Indien.

 

Indiens CBI verfolgt weiterhin das Ziel, eine Reihe von Beschuldigten anzuklagen. Im September 2017 reichte das Büro eine neue Strafanzeige ein, [45] in der elf Personen und Körperschaften beschuldigt wurden, darunter Leonardo, AgustaWestland International (registriert in Großbritannien), zwei indische Beamte, die drei oben genannten Agenten - sowie Orsi und Spagnolini. Das CBI bestätige, dass es die Auslieferung aller Personen anstrebte, die nicht in Indien ansässig sind, und weigerte sich, die Anklage gegen Orsi und Spagnolini zurückzuziehen. Nach den Freisprüchen durch den italienischen Obersten Gerichtshof erklärte das CBI, dass "unsere Untersuchung unabhängig ist und wir starke Beweise gegen beide Seiten haben. Dieser Freispruch wird jedenfalls keine Auswirkungen auf unser Verfahren haben.“ [46]

 

Alle Angeklagten haben jegliches Fehlverhalten geleugnet.

 

Aber gerade in Italien heben sich die vorherigen Verfahren sehr deutlich vom Freispruch von Orsi und Spagnolini ab. Im Jahr 2014 schlossen die italienischen Staatsanwälte zwei getrennte Vergleiche im Zusammenhang mit dem Fall. Die Vergleiche fanden in Form eines „Pattaggiamento“ statt, einem in Italien einzigartigen Stil der Vergleichs-Verhandlungen.

 

Das Patteggiamento-System

 

Das Verfahren wird formell als "applicazione della penna su richiesta delle parti" oder "die Anwendung von Strafen auf Antrag von Parteien" bezeichnet. [47] Es wird allgemein als ‚patteggiamento‘, das italienische Wort für Schnäppchen, bezeichnet.

 

In solch einem Verfahren können Staatsanwälte und Angeklagte eine Einigung erzielen, aufgrund derer sie gemeinsam einen Richter bitten können, der Verhängung einer Strafe oder Geldbuße wegen Fehlverhaltens zuzustimmen. Der Richter ist befugt, die Vereinbarung zu überprüfen und entweder ihre Bedingungen zu genehmigen oder zu widersprechen. Wenn das ‚patteggiamento‘ genehmigt wird, verhindert es die Durchführung eines Strafverfahrens und verkürzt die Zeit bis zum Abschluss des Verfahrens erheblich.

 

Wer sich auf ein ‚patteggiamento‘ einläßt, kann eine Reduzierung des maximalen Satzes um ein Drittel erreichen; ein starker Anreiz. Die OECD-Arbeitsgruppe für Bestechung stellt fest, dass Unternehmen einer patteggiamento-Regelung besonders zugetan sein könnten, weil sie (i) bestrebt sind, den Prozess zu verkürzen und seine potenziellen Auswirkungen auf das Image des Unternehmens zu begrenzen und (ii) um die Sanktion des Ausschlusses von öffentlichen Aufträgen zu vermeiden. [48] Unternehmen können die Ausschließung vermeiden, weil ein ‚patteggiamento‘-Vergleich keine strafrechtliche Verurteilung darstellt.

 

Diese relativ klare Rechtslage steht jedoch im Widerspruch zu einer Reihe anderer bemerkenswerter Überlegungen. Erstens: Unternehmen und Körperschaften, die in ein ‚pattegiamento‘ eintreten, haben die Abwägung vorgenommen, dass es besser ist, eine Geldstrafe zu bezahlen, als sich vor Gericht gegen eine Anklage zu wehren. Die Schlussfolgerung ist, wie die Rechtswissenschaftlerin Silvia D'Ascolia feststellt, dass es zwar keine ausdrückliche Voraussetzung für eine ausdrückliche Schuldanerkenntnis gibt.... es jedoch so erscheint, dass der Angeklagte implizit Schuld zugibt, indem er ein ausgehandeltes Urteil beantragt, und damit auf das Recht auf Verteidigung verzichtet.' [49]

 

Zweitens müssen die ‚patteggiamentos‘ überprüft und von den Richtern genehmigt werden. Ein ‚patteggiamento‘ kann von einem Richter nicht genehmigt werden, wenn der Angeklagte eindeutig unschuldig ist. Die Richter müssen daher die ihnen vorliegenden Beweise abwägen und feststellen, ob diese Beweise ausreichen, um den Beklagten zu entlasten. Das bedeutet folglich auch, dass der Richter überzeugt sein muss, dass die Beweise zumindest glaubwürdig sind - dies ist erforderlich, da der Richter beurteilen muss, ob die vereinbarte Strafe dem angeblichen Fehlverhalten entspricht.

 

Die italienische Rechtsprechung ist in dieser Angelegenheit etwas gemischt. In mindestens einem Fall hat das italienische Verfassungsgericht jedoch festgestellt, dass, obwohl die Schwelle einer solchen Entscheidung sich von der eines kontradiktorischen Verfahren unterscheidet, „der Richter im Zusammenhang mit dem ‚patteggiamento‘ immer noch eine Schuld festzustellen hatte; dass dieser Anspruch jedoch durch die Art dieses vereinfachten Verfahrens beschränkt war.“ [50]

 

Das erste ‚Patteggiamento‘, das mit Guido Haschke abgeschlossen wurde, wurde am 11. April 2014 vom Vorsitzenden Richter genehmigt. Haschke, wie bereits erwähnt, diente als einer der wichtigsten Vermittler in der VVIP-Transaktion. Durch die Zustimmung zum Vergleich erhielt er eine Strafe von 1 Jahr und 10 Monaten, was jedoch der bereits abgesessenen Zeit entsprach. Zudem wurde er angewiesen, die Kosten für seine Haft zu übernehmen. [51]

 

Das Urteil beginnt mit der Darstellung der staatsanwaltlichen Vorwürfe gegen Haschke, einer Zusammenfassung der Anklage. Im Wesentlichen hat Haschke das, als Gegenleistung für eine reduzierte Strafe, auch zugegeben. Der zentrale Vorwurf lautete, so lässt sich zusammenfassend sagen, dass Haschke sich mit Orsi, Spagnolini, Carlos Gerosa, Christian Michel und einem indischen Anwalt namens Gautam Khaitan verschworen hatte, um den Zuschlag für den VVIP-Vertrag zu sichern. Gemeinsam „versprachen und bezahlten“ die Verschwörer... „von 2004 bis 2007 Geldbeträge an Marschall TYAGI Sashi, Stabschef der indischen Luftwaffe, deren genauer Betrag nicht exakt quantifiziert ist.“ [52]

 

Die Idee der Verschwörung war nicht kompliziert. Um sich den Vertrag zu sichern, „beauftragte Orsi im Namen der AgustaWestland SpA“ (der italienischen Niederlassung von AgustaWestland) „HASCHKE mit der Verhandlungsführung in Indien und ergänzte dies durch den ihm vertrauten Mitstreiter auf dem indischen Markt, MICHEL“. 400.000 Euro wurden Haschke und seinem Kollege Gerosa zunächst über einen Beratervertrag zwischen AgustaWestland SpA und einem von ihnen gehaltenen Unternehmen namens Gordian Services gezahlt, „von denen 100.000 Euro in bar an die Brüder Tyagi übergeben wurden“. Ergänzt wurde dies durch weitere Beratungsverträge "mit den Unternehmen IDS India und IDS Tunesien", die eine Deckung für „die (noch laufende) Zahlung von Geldbeträgen zur Vergütung indischer Amtsträger und der Vermittler HASCHKE und GEROSA“ bieten sollte. [53]

 

Das Urteil wandte sich dann der Frage zu, ob das ‚Patteggiamento‘ genehmigt werden sollte oder nicht. Dazu musste der Richter zunächst feststellen, ob es Gründe für einen Freispruch gibt. Hier stellte der Richter fest, dass es keine Beweise gab, die Haschke entlasten könnten: "Die Bedingungen für einen Freispruch nach den vorgenannten Bestimmungen sind nicht erfüllt. [54] Der Richter beurteilte dann, ob die von der Staatsanwalt präsentierten Beweise glaubwürdig waren. In dieser Hinsicht hielt der Richter es für ausreichend überzeugend, um die Genehmigung des ‚Patteggiamentos‘ zu ermöglichen. In seiner Begründung legte das Urteil besonderen Wert auf die Tatsache, dass die Beweise Haschkes Geständnis enthielten, das in vier getrennten Verhören festgehalten wurde, und dass Haschkes Version der Ereignisse durch bestätigende Beweise gestützt wurde:

 

‚Die Rekonstruktion der komplexen Fakten basiert auf den detaillierten Aussagen von Guido HASCHKE, und zwar mit unbestrittener Zuverlässigkeit. Sowohl weil sie anhand von Beweisen, einschließlich der zusammenfassenden Zeugenaussagen Dritter, von Abhörmaßnahmen und durch einige entdeckte Dokumente (von denen viele in Koffern gefunden wurden, die HASCHKE zu verbergen versuchte), weitgehend untermauert werden, als auch weil  er sich nicht darauf beschränkt, Dritte zu beschuldigen, sondern sich selbst mit der begangenen Straftat in Verbindung bringt.‘ [55]

 

Das zweite ‚patteggiamento‘ wurde etwa sechs Monate nach dem von Haschke von AgustaWestland Ltd (der britischen Niederlassung) und AgustaWestland SpA (der italienischen Niederlassung) abgeschlossen. Der Vergleich wurde vom Vorsitzenden Richter am 28. August 2014 genehmigt. [56]

 

Im Rahmen der Vereinbarung verpflichtete sich AgustaWestland Ltd. zur Zahlung einer Geldbuße von 300 000 Euro, während AgustaWestland SpA einer Geldbuße von 80 000 Euro zustimmte. AgustaWestland Ltd. zahlte weitere 7,5 Mio. Euro, die als "Preis" der Bestechung bezeichnet wurden. Aus britischer Sicht besonders bedeutsam: In dem Urteil wird die höhere Geldbuße, die AgustaWestland Ltd. zu zahlen hatte, mit dem "unterschiedlichen Beitrag der beiden Unternehmen", insbesondere mit dem "wesentlichen Beitrag der englischen Firma" zu der Verschwörung begründet. [57]

 

Das Urteil wurde eröffnet, indem es die Vorwürfe, die dem Vergleich mit den Unternehmen zugrunde lagen, und die praktisch identisch mit den in Haschkes ‚patteggiamento‘ aufgeführten Vorwürfen waren, detailliert darlegte. Der Hauptunterschied lag in der Art der Straftat: Den Unternehmen wurde vorgeworfen, dass sie es versäumt hatten, „Organisationsmanagementmodelle“ einzuführen, die zur „Verhinderung von Straftaten erforderlich sind, wie sie hier stattgefunden haben.“ [58]

 

Das Urteil stellte fest, dass "auf der Grundlage der Tatsachen ein Freispruch nach Artikel 129 c.p.p.p. nicht ausgesprochen werden sollte.“ [59] Es wurde auch festgestellt, dass ausreichende Gründe vorlagen, die Unternehmen für die Handlungen ihrer Direktoren zur Verantwortung zu ziehen. Und die Quellen der Vorwürfe wurden aufgeführt. Dazu gehörten polizeiliche Ermittlungen, einschließlich ausgedehnte Abhörmaßnahmen, die Beschlagnahme von Dokumenten und die selbstbelastenden Aussagen Dritter, insbesondere von Guido Haschke. [60]

 

Im Gegensatz zum Haschke-Urteil versuchte dieses Urteil jedoch nicht, den Sachverhalt der vorgeworfenen Straftaten vollständig zu untersuchen. Stattdessen konzentrierte sich der überwiegende Teil des Urteils auf die Frage, ob die Unternehmen begonnen hatten, Reformen durchzuführen, die in Zukunft Korruption verhindern könnten; eine Anforderung des spezifischen Abschnitts des Gesetzes, von dem das ‚Patteggiamento‘ in diesem Fall abhing. Der Richter stellte fest, dass die Unternehmen die notwendigen Reformen eingeleitet hatten, um das ‚Patteggiamento‘ zu erhalten, insbesondere einen neuen Verhaltenskodex und eine Kontrollinstanz zur Verhinderung von Korruption. Diese Feststellung steht wohl jedoch im Widerspruch zu der Studie des Norwegischen Ethikrates, die im letzten Abschnitt dieses Berichts behandelt wird.

 

Aus britischer Sicht: Die Rolle von James Christian Michel

 

Alle oben beschriebenen Verfahren haben sich weitgehend damit beschäftigt, ob die Zwischenhändler Haschke und Gerosa Millionen von Euro in die Taschen der Familie Tyagi befördert haben. Was jedoch auf frustrierende Weise unklar blieb ist, weshalb das Unternehmen dem Mittelsmann James Christian Michel eine riesige Summe Geld bezahlte –  30 Millionen Euro.

 

Laut der indischen Wirtschaftszeitung Economic Times gehört Michel zu einer Familie mit einer langen Vorgeschichte in der Rüstungsindustrie, und mit Beziehungen in die Politik. Im Jahr 2003 berichtete der Guardian, dass Michel's Vater, Wolfgang Max Richard Michel, aktiv versuchte, als Vermittler zwischen dem libyschen Diktator Muammar Gaddafi und der damals regierenden britischen Labour Party zu fungieren. Die Beziehung sollte noch dadurch gefestigt werden, dass man die Veröffentlichung einer den Diktator positiv darstellenden Biographie in Großbritannien arrangierte. Dafür sollte Gaddafi Auftragsvergaben an BAE-Systems veranlassen. Das Projekt wurde nicht umgesetzt. [61] Und im April 2016 behauptete Michel in einem Interview, dass sein Schwager "ein Stallmeister der Königin und einmal der Führer der Labour Party im Oberhaus war". [62]

 

Michel soll bei dem VVIP-Geschäft mehrere Rollen gespielt haben - Behauptungen, die er bestreitet, wie im Folgenden näher erläutert wird. Seine erste angebliche Rolle bestand darin, den britischen Hauptsitz von AgustaWestland in Bezug auf die wichtigen Akteuren in der indischen Politik zu beraten - Ratschläge, die anscheinend dafür vorgesehen waren, von britischen Regierungsbeamten umgesetzt zu werden. Während des Prozesses gegen Orsi und Spagnolini präsentierten die italienischen Staatsanwälte ein Schreiben, das Michel im März 2008 an Peter Hulett gerichtet hatte. Hulett war damals Marketingdirektor von AgustaWestland in Großbritannien. Michel sagte Hulett, dass Sonia Gandhi die "treibende Kraft" hinter dem Deal sei, und schlug vor, dass "Frau Gandhi und ihre engsten Berater diejenigen seien, an die sich das (britische) Hochkommissariat richten sollte.“ [63]

 

Michels intime Kenntnis der indischen Akteure führte zu Vermutungen bezüglich seiner möglicherweise zweiten Rolle: dass er angeblich an der Bestechung indischer Beamter beteiligt war. Aussagen, die dieser Theorie unterstützten, wurden während der Prozesse gegen Orsi und Spagnolini gehört. Im Rahmen des Verhörs bestätigte Guido Haschke, dass er und Michel im Februar 2008 ein Treffen in Michels Büro in London hatten. Ein Ergebnis dieser Sitzung war ein handschriftliches "Budget" der Ausgaben, die wahrscheinlich für den Zuschlag des VVIP-Geschäfts anfielen. Haschke bezeugte, dass Michel das Budget diktiert habe, aber dass Haschke es aufgeschrieben habe, da Michel Legastheniker sei - ein Behauptung, die Michel bestreitet.

 

Das Budget wurde in eine Reihe von, durch  Akronyme  gekennzeichnete, Kategorien unterteilt, in denen große Summen erfasst wurden. Einige der Abkürzungen waren zum Beispiel "AF"[Luftwaffe], "POL"[Haschke spekulierte, dass es Politik bedeutete] und "FAM"[Familie]. [64] Eine der aufgeführten Abkürzungen lautet „AP“, was Haschke nicht erklären konnte. Einer der Ermittlungsexperten, die von der Staatsanwaltschaft hinzugezogen wurden, ein gewisser Di Venere, spekulierte jedoch, dass AP die Abkürzung für Ahmed Patel sei. Patel war einer der Berater von Sonia Gandhi, die von Michel in seinem Brief an Peter Hullett aufgeführt wurde. [65]

 

Die dritte angebliche Rolle von Michel wurde erst kürzlich vom indischen CBI ins Spiel gebracht. Im September 2017 reichte das CBI, wie bereits erwähnt, bei den indischen Gerichten eine neue Anklage ein, bei der Michel eine von 11 angeklagten Personen und Körperschaften war. In der Anklageschrift des CBI wird behauptet, dass er vor Kurzem in Abu Dhabi verhaftet wurde und dass sich Indien aktiv um seine Auslieferung bemüht. Corruption Watch UK hat sich Zugang zu dieser Anklage verschafft und kann ihren Inhalt erstmals offenlegen.

 

Gemäß Absatz 100 der Anklageschrift beschaffte Michel auch "vertrauliche Dokumente der IAF und vertrauliche Informationen des Verteidigungsministeriums, die er von Zeit zu Zeit von Mumbai aus über einen seiner Mitarbeiter an Herrn Orsi, Herrn Bruno Spagnolini, Herrn Guido Haschke, Herrn Giacomino Saponaro und andere verschickte". Die Anklage benannte drei vertrauliche Berichte, die er auf diese Weise besorgte, einschließlich des "Evaluierungsberichts" der indischen Luftwaffe über den Hubschrauber S-92 von Sikorski. [66] Dies ist besonders alarmierend, da der S-92 der Hauptkonkurrent von AgustaWestland um den Auftrag für die VVIP-Hubschrauber war.

 

Michel: Hat AgustaWestland deutliche Warnzeichen ignoriert?

 

Irgendwann zwischen Ende 2011 und 2012 (das genaue Datum ist unbekannt) äußerten die Auditoren von AgustaWestland UK, PWC, Bedenken hinsichtlich der Beziehung zwischen AgustaWestland und den Unternehmen von Michel. Die Bedenken waren so schwerwiegend, dass PWC eine unabhängige Untersuchung empfahl; diese sollte ermitteln, die Beziehungen untersuchen und einen Bericht an den Vorstand von AgustaWestland erstatten. Am 20. März 2012 beauftragte das Unternehmen die britische Anwaltskanzlei Lawrence Graham mit der Untersuchung und einer Stellungnahme zu dem Bericht. Die Untersuchung sollte von Eoin O'Shea durchgeführt werden, einem angesehenen Anwalt, der sich auf Korruption und andere Wirtschaftskriminalität spezialisiert hat. Der Rechtsbeistand der AgustaWestland erhielt am 27. März den "Entwurf eines Vorberichts", der sofort an Bruno Spagnolini geschickt wurde.

 

Sowohl diesem Bericht als auch dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zufolge hat Michel am 1. März 2010, einen Monat nachdem AgustaWestland den VVIP-Vertrag mit Indien unterzeichnet hatte, seinen ersten Beratervertrag mit AgustaWestland Holdings im Zusammenhang mit dem VVIP-Vertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag über "Post-Contract"-Dienstleistungen wurde zwischen AgustaWestland und Michels in Dubai registrierter Gesellschaft Global Service FZE abgeschlossen und sollte bis zum 31. Dezember 2011 laufen. Im Rahmen des Vertrags erhielt Global Service FZE monatlich 275.000 Euro, vom 26. April 2010 bis zum 31. Dezember 2011. [67] In indische Gerichtsakten wird behauptet, dass Zahlungen an Global Service FZE vom Bankkonto von AgustaWestland in Großbritannien aus geleistet wurden. Die "Bankleitzahl" (200771) zeigt, dass das Konto von AgustaWestland bei der Niederlassung der Barclays Bank in der Colmore Row in Birmingham geführt wurde. [68]

 

Global Service FZE erhielt von AgustaWestland auch weitere Aufträge, die nicht mit dem VVIP-Vertrag in Zusammenhang stehen (hiermit beschäftigen wir uns weiter unten etwas genauer). Aufgrund dieser Aufträge – und des VVIP-Vertrages – war „GSF im Geschäftsjahr 2011 der am höchsten bezahlte Berater von AWL und erhielt in diesem Jahr insgesamt rund 5,576 Millionen Pfund, wovon rund 2,75 Millionen Pfund auf den VVIP [-Vertrag] entfielen.“ [69] Zudem wurde der Vertrag mit Global Service FZE im Januar 2013 kurzfristig verlängert, obwohl nichts darüber bekannt wurde, ob aufgrund des 2013er Vertrages Zahlungen geleistet wurden. [70]  Die Entscheidung zur Verlängerung dieses Vertrags scheint trotz der Ergebnisse aus dem Bericht von O'Shea getroffen worden zu sein.

 

Um das Korruptionsrisiko im Zusammenhang mit den Verträgen mit GSF zu ermitteln, forderte O'Shea das Unternehmen auf, Dokumente vorzulegen, aus denen hervorgeht, was es tatsächlich geleistet hat. GSF sollte für AgustaWestland regelmäßig Quartalsberichte erstellen aus denen hervorgeht, was im Rahmen des Post Contract Services Agreement erreicht wurde. O'Shea stellte fest, dass die Berichte, „obwohl zunächst beeindruckend“, tatsächlich „eine Menge an Medienartikeln enthielten, die anscheinend aus dem Internet heruntergeladen und dann unter verschiedenen Überschriften zusammengefasst wurden, wobei die ursprüngliche Quelle jeweils gelöscht wurde.“ [71]

 

O'Shea sprach auch mit David Syms, Michels Geschäftspartner und Co-Direktor von GSF. Laut Syms habe GSF auch ‚Managementberichte‘ an AgustaWestland übermittelt, in denen die geleistete Arbeit aufgeführt werde. Kurz darauf erhielt O'Shea Kopien der ‚Managementberichte‘. Zwar gab O'Shea zu, dass er nicht die Zeit hatte, alle Dokumente im Detail zu überprüfen. Er bemerkte aber, dass das einzige möglicherweise relevante Dokument sich tatsächlich „nicht auf die Erfüllung des PCSA [Post-Contract Service Agreement] in Bezug auf den VVIP-Vertrag durch GSF bezog, obwohl Fragen im Zusammenhang mit dem VVIP (insbesondere der Ausgleich) manchmal diskutiert werden.“ [72]

 

O'Shea folgerte, dass „GSF überraschend wenige Belege für seine Aktivitäten im Rahmen des PCSA liefern konnte.... wenn GSF ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt und ordnungsgemäße Berichte erstellt hätte, wie vom PCSA gefordert, wäre dieses Material sofort verfügbar gewesen.“ Dieser „Mangel an Beweisen“ sei auffallend, wenn man bedenkt, dass in 12 Monaten 6.050.000 Euro an GSF gezahlt wurden, und dies führe „zu anderen und möglicherweise schwierigeren Fragen.“ [73]

 

Auch weitere Dokumente in dem von GSF zur Verfügung gestellten Paket ließen O'Shea die Stirn runzeln. In dem Paket fanden sich Briefe, die zwischen der indischen Regierung und anderen Rüstungsunternehmen ausgetauscht wurden. O'Shea bemerkte, dass „es nicht klar ist, wie diese Dokumente in den Besitz von GSF gelangt sind“, und dass er zwar „keine Kenntnis von den genauen Regeln in Indien“ hatte, aber „glaubt[e], dass es einem britischen Beamten nicht erlaubt sein würde, diese Art von offenbar vertraulichen Dokumenten an GSF oder AW weiterzugeben“. O'Shea merkte an, dass „dies das Risiko einer Beteiligung von GSF an eine Art von Fehlverhalten erhöht, zum Beispiel der Bezahlung von Beamten für den Zugang zu vertraulichen Dokumenten.“ [74] Michel, der von Corruption Watch UK gebeten wurde, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern, wies diese Besorgnis zurück und stellte fest, dass es „zwischen den Auftragnehmern auf Arbeitsebene immer einen Informationsaustausch gab..... Keine der Informationen, die Herrn O [Shea] vorgelegt wurden, wurden auf unrechtmäßige Weise eingeholt.“ [73]

 

Am Ende seiner Überprüfung der Beziehung zu GSF formulierte O'Shea eine Reihe sehr starker Bedenken:

 

„Wir haben keine direkten Beweise für Bestechung durch AW oder GSF. Erfahrene Ermittlungsbehörden würden bei ihren Recherchen jedoch der (offensichtlichen) Kluft zwischen Dienstleistung und Bezahlung große Aufmerksamkeit schenken. Die relative Undurchsichtigkeit der Verhältnisse von GSF macht es wahrscheinlicher, dass dies geschehen ist. Auch die Tatsache, dass GSF eine anscheinend vertrauliche GOI-Dokumentation erhalten hat, ist relevant.“ [ 75]

 

In Anbetracht des Vorstehenden waren O'Sheas Empfehlungen bezüglich GSF nicht überraschend. O'Shea räumte zwar ein, dass „wir nicht einmal einen Bruchteil der einschlägigen Unterlagen in dieser Angelegenheit erhalten haben“, empfahl aber, "dass es eine detaillierte Untersuchung darüber geben sollte, welche Dienstleistungen GSF tatsächlich im Rahmen der PCSA erbracht hat, warum AW die Art der "Berichte" der GSF nicht in Frage gestellt zu haben scheint und ob der eigentliche Zweck der Vereinbarung der war, der vorgegeben wurde.“ [76]

 

O'Shea wandte sich dann dem zweiten Vertrag zu, der am 26. Mai 2010 zwischen AgustaWestland und Michel's britischem Unternehmen Global Trading and Commerce Ltd. abgeschlossen wurde. Gemäß diesem Vertrag verpflichtete sich der britische Hauptsitz von AgustaWestland, 14 WG30-Hubschrauber von Global Trading and Commerce für 18,2 Millionen Euro zu kaufen. [77] Nach einer Kalkulation, die während des Prozesses von Orsi und Spagnolini vorgelegt wurde, erzielte das Unternehmen von Michel einen Gewinn von mindestens 11,2 Millionen Euro aus der Transaktion. [78] O'Shea berichtet, dass Michels Unternehmen die WG30 von dem staatlichen indischen Unternehmen Pawan Hans kaufen sollte. Und er stellt fest, dass die Kosten für diese Transaktion als Kosten im Zusammenhang mit der VVIP-Transaktion verbucht wurden.

 

Die indische Flotte der WG30 wurde ursprünglich 1985 von Westland gekauft. Nach einer Reihe von Unfällen und Sicherheitsbedenken wurde die gesamte Flotte der WG30 schmählich außer Betrieb genommen und in Mumbai über einige Jahre in Kisten verrotten gelassen, bevor sie als Schrott an einen britischen Händler verkauft wurden. [79]

 

Der Bericht O'Shea deutet jedoch darauf hin, dass AgustaWestland der Ansicht war, das WG30-Geschäft habe so viel Ärger ausgelöst, dass sie sich des Problem annehmen mussten, um ihren Ruf in Indien wiederherzustellen. Und der Rückkauf der Hubschrauber für einen über dem Marktpreis liegenden Betrag würde hierzu beitragen. O'Shea hielt das für „völlig legitim“, auch wenn AgustaWestland mehr als den Marktpreis zahlte, da „eine solche Zahlung als Kompensation für Pawan Hans angesehen werden könnte und auch als Vergleich aller potenziellen Ansprüche gegen Westland angelegt sein könnte.“ [80]

 

Nachdem er aber geprüft hatte, auf welche Weise  die Transaktion durchgeführt und abgeschlossen wurde, war O'Shea aufgrund einiger Merkmale der Transaktion besorgt. Die größte Sorge war, dass man laut Syms einiges unternommen hatte, um die Transaktion so geheim wie möglich zu halten und sicherzustellen, dass die Rolle von AgustaWestland beim Kauf verborgen blieb. O'Shea kommentierte jedoch, dass „wenn es zutrifft, dass die [indische Regierung] und/oder Pawan Hans nicht weiß, dass AW die W30er gekauft hat, dann scheint AW 18,2 Millionen Euro ausgegeben zu haben, ohne im Austausch dafür irgend einen praktischen Nutzen gewonnen zu haben.“ [81]

 

Eine weitere Sorge war die große Preisdifferenz zwischen dem, was AgustaWestland dem Unternehmen von Michel zahlte, und dem, was die Unternehmen von Michel für den Kauf der Hubschrauber bezahlten. „Gewinne dieser Größenordnung für Vermittler, insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen“, so der Bericht, „bergen eine erhebliche Gefahr des Missbrauchs. Sie können Hinweise auf ein Bestechungsrisiko sein.“ [82]

 

Als Ergebnis dessen verlangte O'Shea, dass der Vertrag zwischen GTCL unverzüglich untersucht werde, nicht zuletzt, weil „erfahrene Ermittlungsbehörden der (offensichtlichen Lücke) zwischen dem Wert der Hubschrauber und dem Preis große Aufmerksamkeit schenken würden und aufgrund der Tatsache, dass GSF offensichtlich nicht will, dass AW die indischen Behörden über die Transaktion informiert.“ [83]

 

Im Zusammenhang mit den W30-Verträgen gibt es noch eine weitere beunruhigende Sorge, die von O'Shea nicht geprüft wurde: Es ist nicht klar, ob jemals Hubschrauber gekauft wurden. Im Jahr 2015 beantragten die indischen Behörden einen internationalen Haftbefehl gegen Michel, für den die Zustimmung der indischen Gerichte erforderlich war. [84] In dem Urteil, das im März 2015 zur Ausstellung eines Haftbefehls gegen ihn führte, fasste der Richter die Vorwürfe des indischen CBI zusammen und stellte fest, dass „Untersuchungen ergeben haben, dass tatsächlich keine solchen Hubschrauber bei M/s Pawan Hans Ltd. gekauft wurden". Außerdem "hat dieses Unternehmen weder von Herrn Christian Michel James noch von M/s Westland Helicopters Ltd aus Großbritannien  ein Angebot erhalten…. Die genannten Hubschrauber liegen immer noch bei M/s Pawan Hans Ltd in Indien.“ [85]

 

Wie bereits erwähnt, hatte O'Shea empfohlen, die Verträge zu untersuchen. Wichtig ist, dass er empfiehlt, dass die Untersuchungen von einem „unabhängigen Dritten“ durchgeführt werden. Darüber hinaus würde der "Dritte" nur Managern von Finmeccanica unterstehen, die "nicht an der Verhandlung oder Genehmigung der betreffenden Transaktionen beteiligt waren - zum Beispiel ein Unterausschuss von nicht geschäftsführenden Direktoren". [86]

 

Wie aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2016 hervorgeht, unternahm Finmeccanica stattdessen ein internes Audit. In einem Audit-Bericht vom Mai 2012 ist nachzulesen, dass Spagnolini sich bei seinen Aussagen im Rahmen der hierfür durchgeführten Anhörungen allein auf die Feststellung O'Sheas bezog, dass er keine unmittelbaren Beweise für Korruption gefunden hatte. Laut einem Ermittler im Fall Orsi und Spagnolini, einem gewissen Cutolo, war der abschließende Auditbericht „ein Dokument von geringem Erkenntniswert“, in dem geprüft wurde, ob Zahlungen in Übereinstimmung mit Vertragsklauseln geleistet wurden und ob Verträge von den richtigen Personen unterzeichnet wurden. [87]

 

Das interne Audit schloss mit der – aus dem Zusammenhang gerissenen –  Feststellung von O'Shea, dass er keine direkten Beweise für Korruption gefunden hatte. Was den W30-Vertrag betrifft, so stellte das interne Audit erstaunlicherweise fest, dass es nicht in der Lage war, richtig einzuschätzen, ob der an das Michel-Unternehmen gezahlte Preis fair war, weil es nicht in der Lage war, den Wert der W30 auf vergleichender Basis richtig zu ermitteln.

 

Vielleicht ist dies der Grund, warum das Unternehmen bis Juli 2012 weiterhin, selbst angesichts der vernichtenden Empfehlungen von O'Shea, Michel für andere Verträge im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Indien bezahlte, obwohl es wohl klüger gewesen wäre, sie zumindest auszusetzen und einer weiteren Überprüfung zu unterziehen.

 

Indessen gab es eine weitere Untersuchung, die von einem Anwalt (Michael Nathanson) der britischen Kanzlei Thrings durchgeführt und die im Oktober 2012 abgeschlossen wurde. Dies scheint die Grundlage zu sein, auf der die verschiedenen Verträge von GSF im Januar 2013 verlängert wurden, nur um im folgenden Monat, nach der Verhaftung von Orsi und Spagnolini, gekündigt zu werden. Dieser Bericht war jedoch etwas umstritten, und sicherlich schwer fassbar, wie wir im letzten Abschnitt über die Antwort von Michel weiter unten diskutieren.

 

Neuer Korruptionsverdacht - Michels weitere Tätigkeit für AgustaWestland

 

Wie bereits erwähnt, wurde in O'Sheas Untersuchung der Beziehung zwischen Michel und AgustaWestland angedeutet, dass Michels Firmen Zahlungen von dem Unternehmen im Zusammenhang mit anderen indischen Verträgen erhalten hatten. Indiens CBI geht in seiner Anklageschrift 2017 auf diese Beziehungen näher ein, die, wie es darlegt, auch zu Korruption geführt haben könnten.

 

Insgesamt identifizierte das CBI fünf separate Vereinbarungen zwischen Michel, AgustaWestland und seinem Vorgänger Westland Helicopters, für die die Firmen von Michel insgesamt 42,27 Mio. Euro erhielten. [88] Die fünf Vereinbarungen umfassten die beiden im Bericht von O'Shea diskutierten, wie vorstehend beschrieben, und drei weitere Vereinbarungen.

 

Die erste zusätzliche Vereinbarung zwischen Westland Helicopters (WHL) und Global Services FZE wurde am 23. Dezember 2010 eingegangen. Michels Firma wurde beauftragt, Dienstleistungen für Hindustan Aeronautics Limited (HAL) im Auftrag von Westland zu erbringen. Westland zahlte 1,78 Mio. Pfund in die beiden Konten der Global Service FZE bei Lloyds TSB in Dubai. Das CBI behauptet, dass "Herr Christian Michel James und seine Unternehmen keine Dienstleistungen für M/s HAL Ltd., weder direkt noch indirekt oder im Namen von WHL, erbracht haben". Stattdessen „war der Betrag von 1,78 Millionen Pfund Bestechung / Provision / Schmiergeld, erhalten unter dem Deckmantel von Beratungskosten.“ [89]

 

Die zweite Vereinbarung wurde am 1. Februar 2003 zwischen Global Services FZE und Westland Helicopters getroffen. Sie wurde durch eine weitere Übereinkunft ersetzt, die am 1. Februar 2005 unterzeichnet und bei mehreren weiteren Gelegenheiten überarbeitet wurde. Insgesamt erhielt Michel von Westland 6,16 Millionen Pfund auf die Dubaier Konten von Global Service. Die Beträge wurden zwischen Juni 2005 und Juli 2012 bezahlt.  Bemerkenswerter Weise waren die Zahlungen vom Juli 2012 drei Monate nach dem Bericht von O'Shea vom März 2012, der deutliche Warnungen bezüglich der beiden Beraterverträge mit Michel im Zusammenhang mit dem VVIP-Deal enthielt, erfolgt. [90]

 

Die letzte und vielleicht problematischste Vereinbarung wurde am 1. November 2006 zwischen der AgustaWestland Holdings Ltd (mit Sitz in Großbritannien) und Global Services FZE getroffen. Global Services erhielt zwischen November 2006 und Januar 2011 insgesamt 7,87 Millionen Pfund auf seine Lloyds-Bankkonten in Dubai. Diese Vereinbarung bezog sich auf einen Vertrag zwischen der indischen Regierung und Westland Helicopters vom 10. Juli 2006, in dem Westland bei der „Bergung von Sea King Hubschraubern zum Preis von Rs 351,45, frachtfrei und versichert“ helfen sollte. Das CBI behauptet, dass Michels Firmen, obwohl sie erhebliche Summen bezahlt bekamen, „im Zusammenhang mit dem genannten Bergungsprojekt keine Arbeiten im Namen von M/s WHL durchgeführt haben.“ [91]

 

Der Sea King-Vertrag war auch deshalb von Bedeutung, weil er, wie der VVIP-Hubschraubervertrag, durch einen vorvertraglichen Integritätspakt geregelt wurde, der den Einsatz von ungenannten Agenten verbot. Das CBI behauptete, dass der Vertrag von Michel mit WHL „dem MoD/IAF nicht zur Kenntnis gegeben wurde" und „dabei M/s Global Services FZE, Dubai von M/s WHL als Berater eingestellt wurde, was eine völlige Missachtung des Integritätspaktes darstellt.“ [92]

 

Michels Antwort

 

Corruption Watch UK bat Herrn Michel um eine Stellungnahme in Bezug auf die oben beschriebenen multiplen Vorwürfe. Er antwortete ausführlich auf die Anschuldigungen, leugnete sie in ihrer Gesamtheit und behauptete, dass die Vorwürfe gegen ihn Teil einer politischen Kampagne seien, um ihn zu zwingen, indische Politiker in Unregelmäßigkeiten zu verwickeln - und insbesondere Sonia Gandhi. Die Antwort von Michel erstreckte sich auf unterschiedliche Themen. So lieferte er auch Belege, von denen er meinte, dass sie ihn entlasteten und seine Verschwörungstheorie unterstützten. Im Interesse der vollständigen Wiedergabe der Behauptungen von Herrn Michel geben wir seine Antworten auf die Fragen von Corruption Watch UK unter www.cw-uk.org/angloitalianjob vollständig wieder.

 

Da die Antworten von Herrn Michel sehr detailliert waren, behandeln wir sie hier nicht in ihrer Gesamtheit, sondern heben von ihm angesprochene, relevante Themen hervor.

 

Eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit dem Verhalten von Michel betraf den Kauf von gebrauchten WG30-Hubschraubern, die, wie bereits erwähnt, den umfänglichsten Vertrag bildeten, den Michel im Zusammenhang mit dem VVIP-Kauf erhalten hatte. Corruption Watch UK bat Michel, auf die im oben beschriebenen O'Shea-Bericht und vom CBI geäußerten Bedenken zu reagieren. Seine Antwort bestand in der Behauptung, dass es in der Tat nie beabsichtigt war, dass seine Unternehmen WG30 in Indien kaufen würden, und dass die zugrunde liegenden Verträge mit dem Unternehmen keinen bestimmten Geltungsbereich für den Kauf beinhalteten. Stattdessen behauptet Michel, AgustaWestland sei besorgt darüber, dass „bestimmte Broker und Händler damit gedroht hätten, W30 fliegen zu lassen“. Dies war „problematisch“, da „die Gefahr eines Absturzes des Rufs von AW“ bestand. Michel wurde daher beauftragt, generell W30er zu kaufen, nicht nur indische Hubschrauber. „Es war für mich immer ein Rätsel, warum die Inder denken, dass ich nur zum Kauf ihrer Hubschrauber berechtigt war“, sagte Michel.

 

Michel bestätigte ferner die CBI-Behauptung, dass er keinen Versuch unternahm, die WG30 zu kaufen. Dies sei, so führte er aus, jedoch zu erwarten gewesen, da sein Vertrag mit AgustaWestland nicht ausdrücklich den Kauf der WG30 erfordere. Michel behauptet, dass er sein „eigenes Team“ geschickt habe, um die Hubschrauber zu besichtigen, das aber „bald merkte, dass sie sich in einem schrecklichen Zustand befanden und keine Gefahr bestand, dass diese fliegen würden..... Die Inder träumen, wenn sie denken, dass jemand daran interessiert sein könnte, dort W30 zu erwerben.“ Tatsächlich „waren die indischen Flugwerke völlige ‚Recks‘[sic]“, so Michel, der auch behauptete, dass sein Inspektor "berichtet hat, dass die Leute sie als Toiletten benutzen und dort nur Schlangen und Ratten hausten." Michel behauptet, er habe W30er auf anderen Märkten gekauft, um sicherzustellen, dass keine W30er mehr geflogen werden können, auch nicht die zuvor aus Indien exportierten W30er.

 

Michels Darstellung wird eindeutig durch die Fakten widerlegt, wie sie im Bericht O'Shea dargelegt und im Prozess gegen Orsi und Spagnolini ausführlich diskutiert wurden. O'Shea verbindet die Rückkaufverträge ausdrücklich mit den Hubschraubern in Indien, insbesondere mit denen von Pawan Hans. So kommentiert O'Shea zum Beispiel, dass die Begründung für den Vertrag lautete: „Eine Möglichkeit für AW, den durch die Westland 30-Affäre verursachten Reputationsschaden zu mildern, wäre der Rückkauf der Hubschrauber von Pawan Hans gewesen.“ Darüber hinaus haben die Bücher von AgustaWestland diese Kosten als explizit im Zusammenhang mit dem VVIP-Vertrag ausgewiesen. Es ist ein Rätsel, wie der Kauf von W30ern überall, außer in Indien, das angestrebte Ergebnis erreichen würde, den indischen Zorn über seine W30-Flotte zu beseitigen.

 

O'Shea stellt auch fest, dass seinem Team ein „8-seitiges Dokument“ zur Verfügung gestellt wurde, das „die Position in Bezug auf die W30er vom Februar 2011 zusammenfasst“, einige Monate nachdem AgustaWestland das Unternehmen von Michel mit dem Rückkauf der W30 beauftragt hatte. Das Memo wurde vermutlich vorgelegt, um die Transaktion zu erklären und die geleistete Arbeit nachzuweisen. Das Dokument trägt den Titel "briefing on Westland 30 Recovery from Pawan Hans Helicopters Ltd."

 

O'Shea erhielt auch ein einseitiges Memo von David Syms, Michel's Geschäftspartner, mit dem Titel "Vertraulich W30". Das Memo skizzierte die Position von Michels Firma in Bezug auf den Kauf der W30. Darin wurde behauptet, dass GSF in Indien einen Makler für den Kauf der W30er in Anspruch genommen habe - eine seltsame Sache, wenn die Hubschrauber nicht in Indien waren.

 

Dies ist im Lichte weiterer Kommentare von Syms an O'Shea zu betrachten. Syms, so O'Shea, habe ausdrücklich erklärt, dass "die Dienste eines Maklers in Anspruch genommen wurden... um die Hubschrauber von Pawan Hans zu kaufen". Syms kommentierte weiter, dass der Grund, warum die Transaktion geheim gehalten wurde, darin bestand, dass „wenn Pawan Hans gewusst hätte, dass AW der Käufer war, dann hätte das zu einem sehr starken Preisanstieg geführt“.

 

All dies scheint deutlich darauf hinzuweisen, dass O'Shea gesagt wurde, und er auf der Grundlage von Gesprächen und Dokumenten zu dem sicheren Schluss kam, dass die Absicht der Transaktion darin bestand, Hubschrauber von Pawan Hans in Indien zu kaufen.

 

Michel hat in seinen ausführlichen Antworten viel Wert auf seine Behauptung gelegt, dass die indischen Behörden keine Beweise gegen ihn haben. Das entspricht der grundsätzlichen Leugnung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der Anklageschrift des CBI vom September 2017. Michel behauptet, dass, obwohl er im Februar 2017, nachdem Interpol eine auf ihn bezogene ‚Red Notice‘  veröffentlicht hatte, in den VAE verhaftet wurde, die indischen Behörden keine Dokumente vorlegen konnten, um seine Auslieferung zu erreichen – ein Beweis dafür, dass sie ihm kein Unrecht nachweisen konnten. Michel behauptet, dass die indischen Behörden auch auf „mehrfache Anfragen zur Vorlage von Beweismitteln“ nicht reagiert haben.

 

Diese Darstellung scheint durch die Kenntnisse der ‚Kommission für die Kontrolle der INTERPOL-Akten‘, einer Interpol-Stelle, die Michel uns zur Verfügung gestellt hat, widerlegt zu werden. Kurz gesagt, das Schreiben vom 8. Februar 2018 beantwortet Michels Bitte (eingereicht von seinem Anwalt Nicholas Fooks), die ‚Red Notice‘ aufzuheben. Dem Schreiben zufolge machte Michel eine Reihe von ineinandergreifende Behauptungen, die, wenn sie wahr sind, die Anwendung der ‚Red Notice‘ untergraben würden. Jedenfalls lehnte die Kommission die Version von Michel bzw. seine Interpretation der Ereignisse ab.

 

Was die Behauptung von Michel betrifft, dass der Fall von den Behörden der VAE eingestellt wurde, weil  Indien keine Unterlagen vorlegen konnte, so war die Kommission eindeutig: Nichts davon stimmte. Tatsächlich stellte die Kommission fest, dass „die vom indischen [National Central Bureau] übermittelten Informationen zeigen, dass der Auslieferungsantrag innerhalb von 40 Tagen nach Verhaftung des Antragstellers und innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt einer von den VAE-Behörden geforderten Mitteilung zugestellt wurde. Es scheint auch, dass die Auslieferung des Antragstellers nach Indien nicht von den Behörden der VAE abgelehnt wurde, sondern unter Vorbehalt gestellt wurde, was bedeutet, dass sie noch stattfinden könnte.“

 

Die vielleicht bemerkenswerteste Erkenntnis war jedoch, dass die Kommission die Behauptung von Michel zurückgewiesen hat, Indien habe gegen ihn keine zwingenden Beweise. Die Kommission befand stattdessen, dass sie „die Frage der tatsächlichen Beteiligung Ihres Mandanten in diesem Fall bereits geprüft und festgestellt hatte, dass das NCB Indiens eine einleuchtende Erklärung dahingehend abgegeben hatte, dass die Behörden über ausreichende Beweise für die Beteiligung Ihres Mandanten an den ihm angelasteten Straftaten verfügten“. Darüber hinaus waren alle von Michel vorgelegten neuen Unterlagen „nicht ausreichend, um zu zeigen, dass das Verfahren gegen ihn ungültig ist.“

 

Überzeugender war Michels Verweis auf einen Bericht des englischen Anwalts Michael Nathanson. Nathanson ist Berater der britischen Anwaltskanzlei Thrings und hat enge Verbindungen zur italienischen Geschäftswelt. Die bei Thrings erscheinende Biographie Nathansons bestätigt, dass er "der Berater der britisch-italienischen Parlamentsgruppe und Gründungsmitglied und Sekretär der Britischen Handelskammer in Italien ist". Laut Michel hat AgustaWestland, dem Bericht O'Shea zufolge, Nathanson angeheuert, um sein Verhalten in Bezug auf den VVIP-Deal zu überprüfen. Fertiggestellt wurde dieser Bericht im Oktober 2012; Corruption Watch UK ist es nicht gelungen, eine Kopie davon zu erhalten. Es scheint jedoch so, dass er – nach Gesprächen in Dubai und nach Durchsicht der Geschäftsberichte seines Unternehmens – Michel von jeglichem Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit dem VVIP-Deal befreit.

 

Natürlich mussten sich Ermittlungen gegen Michel mit den Erkenntnissen des Nathanson-Berichts auseinandersetzen, die sich zu seinen Gunsten auswirken. Der bisherige Umgang mit diesem Dokumens wirft aber auch Fragen auf. Wenn es glaubwürdig sein soll, dass die Präsentation des Berichts bestätigen würde, dass es keine Beweise für eine Bestechung gibt,  dann ist es einfach seltsam, dass Leonardo sich bei seinen Antworten auf unsere Anfragen nicht auf ihn berufen hat. Es ist auch seltsam, dass sich weder Orsi noch Spagnolini zu ihrer eigenen Verteidigung auf das Dokument berufen haben.

 

Italienische Staatsanwälte lehnten den Bericht ab. Im Jahr 2011 reichten italienische Behörden beim Gericht in Neapel einen 568-seitigen Vorbericht ein. In dem Bericht wird behauptet, dass O'Shea nicht aufgefordert wurde, weitere Untersuchungen in Bezug auf Michel durchzuführen, weil „es offensichtlich ist, dass Rechtsanwalt O'Shea in seinem Bericht höchstwahrscheinlich eine andere Haltung einnehmen würde als die, die sich das Management erhoffe, also wurde er ersetzt.“ Zur Unterstützung dieser Hypothese zitierten die italienischen Behörden Anmerkungen, die Sergio Biganzoli gegenüber Giuseppe Orsi in einem geheim aufgezeichneten Gespräch gemacht hatte. Biganzoli, damals Finanzvorstand von AgustaWestland, sagte über Nathanson: "Wenn der anfängt zu tun, was der erste [O'Shea] getan hat, sind wir in Schwierigkeiten.“ [93]

Corruption Watch UK hat an Leonardo geschrieben und um eine Kopie des Berichts oder um eine Stellungnahme dazu gebeten. Das Unternehmen hat nicht geantwortet.

 

Leonardos Reaktion

 

Auf die oben genannten Vorwürfe hat Leonardo ausführlich geantwortet. Dies ist in der vollständigen Antwort des Unternehmens zu finden, die unter www.cw-uk.org/angloitalianjob abrufbar ist.

 

Beute in Panama

 

Um die Fähigkeit des Landes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels zu verbessern,  unterzeichnete Panama Ende 2010 Verträge mit drei verschiedenen Tochtergesellschaften von Finmeccanica. AgustaWestland SpA (die italienische Inkarnation des Unternehmens) wurde mit der Lieferung von sechs Patrouillenhubschraubern beauftragt, Selex Sistemi Integrati mit der Lieferung eines Radarsystems zur Überwachung von Schiffen auf See, und Telespazio Argentina mit der Entwicklung eins topographischen Kartensystems. Insgesamt wurden die drei Aufträge mit etwas mehr als 180 Mio. Euro beziffert. [94]

 

Die Verträge sorgten bald für Auseinadersetzungen. Das Radarsystem, der mit 90 Millionen Dollar teuerste Teil des Pakets, war Berichten zufolge in Bezug auf seine Hauptfunktion – der Verfolgung der Schnellboote und sonstiger kleiner Schiffe, wie sie von Drogenhändlern benutzt werden – ineffektiv. [95] Das System war stattdessen so kalibriert, dass es nur größere Schiffe aufspürte. Im Juni 2014 sagte Präsident Juan Carlos Verele der panamaischen Presse: "Ich habe immer gesagt, dass es ernsthafte Probleme mit den Radars gibt. Nach 30 Tagen in der Regierung deutet vieles darauf hin, dass sie nicht funktionsfähig sind. Wir müssen die Zukunft des Projekts neu bewerten und definieren.“ [96]

 

Aber funktionale Probleme waren nicht die einzigen Sorgen im Zusammenhang mit dem Vertrag: Er wurde auch durch Korruptionsvorwürfe belastet.

 

Lavitola wird abgehört

 

Im Januar 2011, nur wenige Monate nachdem Finmeccanica seine Geschäfte in Panama abgeschlossen hatte, veranlasste die italienische Polizei Abhörmaßnahmen an den Telefonen zweier italienischer Geschäftsleute. [97] Der erste von ihnen war Paolo Pozzesserre, der damals kaufmännischer Leiter von Finmeccanica war. Er hatte von 1988 bis zu seinem Rücktritt aus dem Unternehmen im Jahr 2011, nachdem in der Presse über seine angebliche Beteiligung an der Korruption in Panama berichtet wurde, bei Finmeccanica gearbeitet. [98]

 

Die zweite Person, die abgehört wurde, war Valter Lavitola. Lavitola, der derzeit in Italien mit einer Reihe von Strafverfahren konfrontiert ist, war der ehemalige Besitzer der einflussreichen italienischen Zeitung Avanti. Insbesondere wurde berichtet, dass Lavitola sehr gut mit Silvio Berlusconi bekannt war. Tatsächlich bezieht sich eine der vielen Anklagen, denen Lavitola derzeit ausgesetzt ist, auf seinen angeblichen Versuch, den Geschäftsmann Gianpaolo Tarantini zu bestechen. Das Bestechungsgeld, dem Vernehmen nach 500.000 Dollar, wurde Tarantini angeblich gezahlt, um sicherzustellen, dass er die Ermittler in Bari über Berlusconis berüchtigte "Bunga Bunga"-Sexparties belog. [99]

 

Berichten zufolge stand Lavitola auch dem panamaischen Präsidenten zum Zeitpunkt des Finmeccanica-Deals, Ricardo Martinelli, nahe. Lavitola lebte zwischen 2010 und 2011 ein Jahr lang in Panama und erhielt angeblich von Martinellis Regierung Zugang zu Leibwächtern und Autos samt Chauffeur. [100]

 

Laut Giuseppe Schiatterella, einem der für den Fall zuständigen italienischen Polizisten, seien die Abhörmaßnahmen sehr aufschlussreich gewesen. In seiner Aussage bei einem der vielen Prozesse  Lavitolas in Neapel bestätigte Schiatteralla im November 2014, dass es eine "sehr enge Beziehung" zwischen Lavitola und Pozzessere gab, und dass sie offenbar korrupte Absicht verfolgten. „Mehr als einmal", kommentierte Schiatterella, "sprachen die beiden über die Notwendigkeit, hohe Beamte und Präsidenten ausländischer Regierungen zu bestechen, um Arbeitsaufträge zu erhalten" [101]

 

Und so war es auch in Panama. Am 16. Juni 2010, als die Verträge zwischen den Tochtergesellschaften von Finmeccanica und der panamaischen Regierung abgeschlossen wurden, wurde eine panamaische Gesellschaft namens Agafia Corp S.A. durch Lavitola eingebunden. Das Unternehmen gehörte Karen De Grazia, der Partnerin von Lavitola, und zwei italienischen Direktoren, die beide eng mit Lavitola verbunden waren. Den Abhörprotokollen zufolge hatte  Lavitola die eigentliche Kontrolle über Agafia, stellte Rechnungen an Finmeccanica und veranlasste Zahlungen. [102]

 

Die einzige Funktion des Unternehmens, so Schiatterellas Aussage, bestand darin, "der Regierung von Panama Bestechungsgelder zu übermitteln". [103] Die Mittel beschaffte sich Agafia Corp. durch den Abschluss von Beraterverträgen mit jeder der drei Tochtergesellschaften, für die ihr volle 10% des gesamten Vertragspreises bezahlt wurden: etwas mehr als 18 Mio. Euro. Schiatterella bezeugte, dass während eines aufgezeichneten Gesprächs zwischen Pozzessere und Lavitola ein Plan diskutiert wurde, Martinelli mit 33% der Einnahmen von Agafia zu belohnen.  [105]

 

Panama schlägt zurück

 

Durch das Verfahren in Italien, insbesondere die Entdeckung der Agafia-Beraterverträge, wurden die panamaischen Behörden aufgerüttelt. Die panamaische Regierung, nun nicht mehr von Martinelli geführt, wandte sich an den Obersten Gerichtshof des Landes, um den Radar-Vertrag (mit Selex Sistemi) auf Eis legen zu lassen und zielte damit auf den größten und umstrittensten der drei Verträge.

 

Die Regierung behauptete, dass der Selex-Vertrag „ein klarer Machtmissbrauch" sei, der darauf abzielt, "private statt öffentliche Interessen" durch die Zahlung von Geldern an Agafia zu fördern. [105] Die geförderten "privaten Interessen" waren die Zahlung von Provisionen an Agafia Corp. Agafia hatte „nachweislich keine technischen oder finanziellen Qualifikationen“, die ihren Vertrag mit Finmeccanica rechtfertigen könnten.

 

Die Regierung ging sogar so weit zu behaupten, dass die Einbeziehung von Agafia sowie die Tatsache, dass das Überwachungssystem praktisch unbrauchbar war, bedeuteten, dass der gesamte Vertrag als ein aufwendiger Trick zu betrachtet sei, der ausschließlich für den privaten Vorteil konzipiert war: "Das Hauptziel und der Zweck des Vertrags war es nicht, eine Küstenwache im Staat Panama zu bewaffnen und zu beliefern, sondern ein privates Interesse, dem formell der Anschein von Legalität verliehen wurde, weshalb wir das Mandat beantragt haben, die Aufhebung dieses öffentlichen Auftrags zu verlangen".

 

Aufgrund der Agafia-Offenbarungen hatte die Regierung zu diesem Zeitpunkt bereits Zahlungen an das Unternehmen ausgesetzt, und sie suchte nun nach rechtlicher Absicherung, um die faktische Aussetzung auch von Rechts wegen vorzunehmen. Insgesamt, so bestätigte die Regierung, hatte sie bereits 51 Mio. Euro an Selex gezahlt hatte, weitere 38 Mio. Euro waren ausstehend. Die Regierung drängte das Gericht, "durch die Aussetzung des Vertrages zu verhindern, dass der Staat einen Penny mehr einer Schuld zahlt, die aus Gründen entstanden ist, die sehr weit von den Zielen des Staates entfernt sind, und dadurch größere Schäden für den Staat zu vermeiden". [106]

 

Im September 2015 entschied der Oberste Gerichtshof zugunsten des Antrags und stellte den Vertrag vorläufig aus. Dabei musste das Gericht über die Glaubwürdigkeit der zugrunde liegenden Forderung entscheiden, nämlich dass Provisionen an Agafia gezahlt wurden und dass dies den Vertrag unwiderruflich verfälschte. Das Gericht kam bei der Beurteilung der Beweise zu dem Schluss, dass „es glaubwürdige Hinweise darauf gibt, dass es bei dem strittigen Vertragsabschluß einen Machtmissbrauch gab, der zur Erlangung persönlicher Gewinne illegaler Art und nicht für das öffentliche Interesse erfolgte.“ [107] Im Wesentlichen legte das Gericht den Schluss nahe, dass alle drei Verträge der Finmeccanica mit der panamaischen Regierung auf die gleiche Weise verwerflich waren.

 

Der Vergleich

 

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs brachte Finmeccanica in eine schwierige Lage. Das Urteil bestätigte, dass der Radar-Vertrag aufgrund eines "Machtmissbrauchs" in Frage gestellt wurde, der durch "persönliche Gewinne illegaler Art" motiviert war. Da die beiden anderen Verträge ebenfalls aufgrund von Beraterverträgen mit Agafia abgeschlossen wurden, war es durchaus vorstellbar, dass die Gerichte Panamas auf Anfrage die beiden verbleibenden Verträge streichen könnten. Später wurde bestätigt, dass der Minister im Juli 2015 durch den Präsidenten beauftragt worden war, sich um die Aufhebung aller Verträge zu bemühen. [108]

 

Bald nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs nahm Finmeccanica einen langwierigen Verhandlungsprozess mit der panamaischen Regierung auf, um die Situation zu lösen. Am 23. Februar 2016 gab die Regierung eine Erklärung heraus, in der sie bestätigte, dass sie einen Vergleich mit Finmeccanica erzielt hatte. Der Vergleich wurde erzielt, um ein langes und kostspieliges gerichtliches Verfahren zu verhindern, [109] und bestand aus einer Reihe von Konzessionen.

 

Erstens würden Finmeccanica und die Regierung von Panama den Radar-Vertrag mit Selex Sistemi kündigen, und Panama würde von der Zahlung aller damit verbundenen Restbeträge befreit. Zweitens würde Finmeccanica Panama den bereits für den Radar-Vertrag aufgewendeten Betrag erstatten. Dies würde in Form eines von Finmeccanica an Panama ausgegebenen "Kredits" erfolgen, den das Land nutzen könnte, um andere Geräte von dem Unternehmen zu kaufen. Der Gesamtbetrag der über dieses System gewährten Kredite betrug 29 Mio. Euro. Drittens wird der von Telespazio betriebene topografische Karten-Vertrag um neue Funktionalitäten ergänzt, die aus dem von Finmeccanica gewährten "Kredit" in Höhe von maximal 1 Mio. Euro bezahlt werden. Viertens würde Finmeccanica Panama einen AW-109 Ambulanzhubschrauber als ein kostenloses Geschenk zur Verfügung stellen. [110]

 

Die panamaische Regierung würde ihrerseits alle von ihr in Panama eingeleiteten Gerichtsverfahren einstellen, so dass der Hubschraubervertrag mit AgustaWestland SpA und die topografischen Kartierungsverträge mit Telespazio bis zu ihrem Abschluss laufen könnten. Während in dem  angekündigten Antrag, der dem Vergleich Wirkung verlieh, die Zahlungen an Agafia nicht erwähnt wurden, war die von der panamaischen Regierung veröffentlichte Presseerklärung deutlich mitteilsamer. Sie bestätigte im Wesentlichen, dass die Schenkung des Ambulanz-Hubschraubers (im Wert von 8,1 Mio. Euro) speziell zur Beendigung aller Kontroversen und zur Wiederherstellung der Handelsbeziehungen [111] erfolgte, die dadurch beschädigt worden waren, dass die Beratungstätigkeit von Agafia durch überhöhte Forderungen an die panamaischen Regierung finanziert werden sollte. Und während die Erklärung darauf hinweist, dass Finmeccanica es versäumt hat, Agafia zu bezahlen, wird darin festgestellt, dass "Panama dabei bleibt, dass dies gegenüber dem vereinbarten Preis eine überhöhte Forderung darstellt". [112]

 

Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich die Strafverfahren gegen Lavitola im Zusammenhang mit dem Agafia-Chaos auf dem Weg durch die italienischen Gerichte. Ebenso bleibt abzuwarten, ob Martinelli, wenn erfolgreich aus den USA ausgeliefert, im Zusammenhang mit den Finmeccanica-Verträgen strafrechtlich verfolgt wird oder nicht.

 

Das Gerichtsverfahren in Panama, der zwischen der Regierung und Finmeccanica ausgehandelte Vergleich und die unterstützende Presseerklärung, in der der Vergleich angekündigt wird, liefern jedoch überzeugende Beweise dafür, dass Finmeccanica und seine Tochtergesellschaften wie auch im Falle von Indien und Südkorea keinerlei Bedenken hatten, fragwürdige Agenten mit Verbindungen zur Politik einzusetzen, um lukrative Regierungsaufträge zu erhalten.

 

Leonardos Reaktion

 

Leonardo antwortete auf Anfragen in Bezug auf Panama mit der Feststellung, dass "im Zusammenhang mit dem gegen Leonardo Spa am 21. September 2017 eingeleiteten Verfahren der zuständige Richter die Entscheidung verkündete, das Unternehmen nicht wegen der ihm vorgeworfenen Verstöße zu verfolgen. Der Fall ist abgeschlossen.“

 

Die inakzeptable Gefahr schwerwiegender Korruption

 

Der norwegische Staatsfonds - genannt der ‚Government Pension Fund Global‘ - ist einer der größten der Welt. Der Fonds hat derzeit einen Wert von über 8 Billionen norwegischer Kronen (rund 1 Billion US-Dollar) und investiert in 8.985 Unternehmen in 77 Ländern. Er hält 1,3% aller börsennotierten Unternehmen der Welt. Noch beeindruckender ist diese Zahl in Europa, wo der Fonds 2,3 % aller börsennotierten Unternehmen besitzt. [113]

 

Der Fonds wird von der Norges Bank, der norwegischen Zentralbank, verwaltet. Alle Investitionen müssen strengen ethischen Richtlinien entsprechen, die 2014 vom norwegischen Finanzministerium verabschiedet wurden. [114] Abschnitt 3 der Richtlinien schließt Investitionen in Unternehmen aus, die an inakzeptablen Geschäftspraktiken, einschließlich "schwerer Korruption", beteiligt sind. Um sicherzustellen, dass der Fonds seinen ethischen Verpflichtungen nachkommt, wurde ein unabhängiges Organ, der Norwegische Ethikrat („Council on Ethics“), eingerichtet, das die Investitionen des Fonds weltweit überwacht. Der Rat wird ermächtigt, zu empfehlen, dass der Fonds problematische Unternehmen unter Beobachtung stellt oder sich vollständig von ihnen trennt.

 

Im Oktober 2014 richtete der Ethikrat sein Augenmerk auf Leonardo. Zu diesem Zeitpunkt hielt der Fonds 1,53% der Aktien des Unternehmens im Wert von 124 Mio. USD. [115] Der Ethikrat hat sich vorgenommen, das Ausmaß der Korruption des Unternehmens zu untersuchen und das zukünftige Korruptionsrisiko zu bewerten. Diese Untersuchung war insofern einzigartig, als der Rat einen beispiellosen Zugang zu den Vertretern der befragten Unternehmen und zur Überprüfung der Compliance-Systeme des Unternehmens erhielt.

 

Auf der Grundlage seiner Überprüfung kam der Ethikrat zu folgendem Schluss: „Es besteht die unannehmbare Gefahr, dass Leonardo wieder in schwere Korruption verwickelt wird.“ [116]

 

Infolgedessen hat der Ethikrat Ende 2016 die Empfehlung ausgesprochen, Leonardo aus dem Fonds auszuschließen; eines von nur neun Unternehmen, für die der Rat seit 2007 den Ausschluss aufgrund schwerwiegender Korruption empfohlen hat. [117] Die Bank hat das Unternehmen daraufhin unter weitere Beobachtung gestellt.

 

Die ‚roten Flaggen‘

 

In der Zeit von Oktober 2014 bis September 2016 beschäftigte sich der Ethikrat mit der Frage der Korruption  bei Leonardo, sowohl im Rahmen seiner Zusammenkünfte als auch in Form eines schriftlichen Austausches. Bei der Beschäftigung mit dem Unternehmen hat der Rat diesbezüglich eine Reihe von ‚roten Flaggen‘ , also Warnzeichen, herausgearbeitet.

 

Das erste davon bestand in der Art, wie Leonardo auf die zahlreichen Korruptionsskandale reagierte, an denen das Unternehmen beteiligt war. Nach Angaben des Rates betonte Leonardo, dass keiner der Korruptionsvorwürfe „gegen das Unternehmen als solches erhoben worden sei und dass sich alle Fakten auf sein früheres Managementteam beziehen.“ [118]  Wie der Rat jedoch feststellt, war die Korruption nicht auf Mitarbeiter der unteren Ebene beschränkt, sondern auf sehr hoher Führungsebenen erfolgt – typisches Merkmal einer Firma, die wesentliche Änderungen in der Unternehmenskultur auf höchster Führungsebene vornehmen müsse. Nach Ansicht des Rates „vermittelt die Haltung des Unternehmens zu den Vorwürfen den Eindruck eines Versuchs, seine unternehmerische Verantwortung zu umgehen.“ [119]  Es sei darauf hingewiesen, dass die Erwiderung des Unternehmens angesichts der im September 2017 in Indien eingereichten Anklagen, die sowohl Leonardo als auch AgustaWestland International belasten, nicht mehr zutreffend ist.

 

Das zweite Warnzeichen ergab sich aus Belegen dafür, dass das Unternehmen zeitgleich mit der Einführung angeblich umfassender Compliance-Reformen genau die Aktivitäten fortführte, die durch die Reformen verhindert werden sollten. Wie bereits erwähnt, gründete Leonardo 2013 das ‚Flick Committee‘, um Empfehlungen für die Entwicklung eines Best-Practice-Compliance-Systems auszusprechen. Die Empfehlungen des Flick-Komitees wurden vom Leonardo-Vorstand 2014 angenommen und verabschiedet. Allerdings schloss das Unternehmen nur wenige Monate nach dieser Verabschiedung einen Agenturvertrag in Südkorea ab, "der wahrscheinlich gegen interne Richtlinien verstößt". Das war verheerend: "Unabhängig vom Ergebnis der laufenden Gerichtsverfahren zeigt dies nach Ansicht des Rates, dass wichtige Routinen zur Korruptionsprävention im Unternehmen nicht eingehalten wurden, selbst nachdem die Unternehmensleitung die Korruptionsprävention ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt hatte“ [120]

 

Das dritte Warnzeichen bestand aus der Tatsache, dass das Unternehmen sowohl in einem für Korruption anfälligen Sektor als auch in Ländern mit problematischer Vergangenheit in Bezug auf Korruption tätig war und ist. Zu den vom Rat als bedenklich eingestuften Ländern gehören Libyen und Russland, die beide „im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International in die höchste Kategorie mutmaßlicher Korruptionsrisiken eingestuft werden". Besorgniserregend waren auch die Geschäfte des Unternehmens in Saudi-Arabien und China, die beide im TI Government Anti-Corruption Index 2013 "nicht gut" waren. [121] Der Rat war zudem darüber besorgt, dass der Rüstungssektor besonders anfällig für Korruption ist.

 

Das vierte Warnzeichen war das am meisten beunruhigende: der systematische Einsatz von Agenten zur Auftragsakquisition durch das Unternehmen. Anfang 2016, bei einer gemeinsamen Sitzung mit dem Rat, erläuterte das Unternehmen das Ausmaß seiner Abhängigkeit von Agenten. Insgesamt unterhielt es 470 Beziehungen zu ‚Drittanbieter‘, bei 200 davon handelte es sich um Agenten. [122] Darüber hinaus erfolgte die Mehrheit der von dem Unternehmen erhaltenen Aufträge auf Ausschreibungsbasis, bei der das Unternehmen weitgehend auf den Einsatz von Agenten angewiesen war. Es sei "nicht ungewöhnlich", so das Unternehmen, dass die Agenten Erfolgshonorare in Höhe von 5 bis 12 Prozent des Vertragspreises erhalten – ein erhebliches, und allgemein anerkanntes, Korruptionsrisiko.

 

In ihrer Antwort auf Fragen zum Einsatz von Agenten durch das Unternehmen deuteten die Vertreter von Leonardo dem Rat gegenüber an, dass man sich des Risikos, das durch deren Einsatz für den Abschluss von Verträgen entsteht, bewusst sei. Infolgedessen war das Unternehmen bestrebt, die Anzahl der eingesetzten Agenten zu reduzieren und die Expertise ins Unternehmen zu holen. Aber der Rat stellte fest, dass der Plan zwar sicher gut gemeint, aber vage und nicht überzeugend sei. Der Rat erklärte, dass es „schwierig ist, der angekündigten Reduzierung des Einsatzes von Agenten Bedeutung beizumessen, solange es keine konkreten Pläne dafür gebe, wann und wie diese Reduzierung durchgeführt werden solle und wie die endgültige Zielvorgabe lautete.“ [123]

 

Auch dass das Unternehmen es versäumt hatte, das Thema schon früher anzugehen, hinterließ beim Rat keinen guten Eindruck; zumal die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Einsatz von Agenten bereits seit einigen Jahren bestanden. Im Vergleich dazu „haben andere Unternehmen, die Rüstungsgüter an die gleichen Ländern verkaufen wie Leonardo, hier viel schneller gehandelt, indem sie, als sofortige Reaktion auf Korruptionsvorwürfe, jedweden Einsatz von Agenten einstellten.“ [124]

 

‚Rote Flagge‘ Nummer fünf war, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gab, dass das Unternehmen seine Korruptionsrisiken ausreichend abbildete. Der Rat nahm zur Kenntnis, dass das Unternehmen in der Vergangenheit eine umfassende Überprüfung der Risiken durchgeführt hat, die im Jahr 2015 abgeschlossen wurde. Trotz Aufforderung des Rates konnte das Unternehmen jedoch nicht zeigen, dass es regelmäßig und systematisch Risikokartierungen durchführt. Infolgedessen würde es dem Unternehmen schwer fallen, „das Anti-Korruptionsprogramm an Veränderungen im Risikoprofil des Unternehmens anzupassen.“ [125]

 

Das sechste Warnzeichen stand im Zusammenhang mit dem Anti-Korruptionstraining des Unternehmens. Leonardo stellte Unterlagen zur Verfügung, aus denen hervorging, dass interne und externe Dozenten sowohl für das Management als auch für die Mitarbeiter von Leonardo Schulungen zur Korruptionsbekämpfung durchgeführt haben. Das Unternehmen hat dem Rat jedoch keine Informationen zur Verfügung gestellt, die zeigten, dass es einen "umfassenden Plan dafür gibt, wer in was, von wem und wie oft geschult wird". [126] Auch Schulungsprogramme gaben Anlass zur Sorge, da sie den Mitarbeitern nicht die Möglichkeit geben, die Effektivität der Schulung zu bewerten oder Feedback darüber zu geben, wie die Schulung verbessert werden kann - das Unternehmen hat daher keine Möglichkeit zu sagen, ob die Mitarbeiter, die die Schulung erhalten haben, die Schulung für nützlich oder erhellend befunden haben. Der Rat war auch besorgt darüber, dass die umfangreiche Liste der Agenten des Unternehmens keine Schulung zur Korruptionsbekämpfung erhalten hat; stattdessen verließ sich das Unternehmen auf die Tatsache, dass die Agenten ein Formular unterzeichnen, in dem sie bestätigen, dass sie alle relevanten Verwaltungsdokumente gelesen haben und dass sie sich ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen bewusst sind. [127]

 

Die letzte ‚rote Flagge‘ galt den ‚Whistlblower-Systemen‘ des Unternehmens. Im Jahr 2015 führte das Unternehmen Kanäle ein, über die Mitarbeiter Fehlverhalten, einschließlich Korruption, melden konnten. Allerdings hatte das Unternehmen seit der Einrichtung der Berichtsmechanismen keinen einzigen Bericht über Korruption erhalten. Der Rat hielt dies für "bemerkenswert", insbesondere angesichts der Größe des Unternehmens und seines Risikoprofils. Die Schlussfolgerung, die der Rat zog, war eindeutig: "Wenn niemand Vorfälle von Korruptionsversuchen meldet, kann man vernünftiger Weise anzunehmen, dass die Antikorruptionsbemühungen des Unternehmens nicht ausreichend durch die gesamte Organisation kommuniziert werden, dass die Mitarbeiter nicht ausreichend ermutigt werden, ihre Bedenken zu melden, und dass die Systeme nicht so gut funktionieren, wie sie sollten. [128]

 

Zusammenfassend zeigte die Überprüfung des Rates drei Dinge auf. Erstens war das Unternehmen besonders hohen Korruptionsrisiken ausgesetzt. Dies ist auf die Vorgeschichte des Unternehmens in Bezug auf Korruption sowie auf die Korruptionsanfälligkeit seines operativen Bereichs und seiner Märkte zurückzuführen. Zweitens war es daher unerlässlich, dass das Unternehmen über strenge und robuste Compliance-Systeme verfügt, um diese Risiken zu minimieren. Schließlich habe das Unternehmen trotz dieser dringenden Notwendigkeit „nicht nachgewiesen, dass es die Umsetzung seines Antikorruptionsprogramms effektiv und im Einklang mit internationalen Standards und bewährten Praktiken organisiert hat.

 

“In Anbetracht dessen ist es nicht überraschend, dass der Rat zu dem Schluss gekommen ist, dass "eine inakzeptable Gefahr besteht, dass Leonardo irgendwann erneut in schwerwiegende Korruption verwickelt sein wird". [129]

 

Leonardos Reaktion und die Entscheidung des Vorstands

 

In seinen Fragen an das Unternehmen hat Corruption Watch UK Leonardo gebeten, auf die im Bericht des Rates geäußerten Bedenken einzugehen. Sie betonten nicht nur ihr erklärtes Engagement für die Korruptionsbekämpfung, sondern wiesen auch darauf hin, dass der Vorstand des Norwegischen Rates trotz der Entscheidung des Ethikrates beschlossen hat, sich nicht von dem Unternehmen zu trennen. Unter Hinweis auf das Compliance-Programm des Unternehmens begründete der Vorstand diese Entscheidung damit, dass er "der Ansicht ist, dass diese Maßnahmen eine ausreichende Grundlage für die Beobachtung der zukünftigen Entwicklung bieten".

 

Seit dieser Entscheidung wurde das Unternehmen über ein Jahr vom Rat beobachtet. Daher wird erwartet, dass der Rat Ende 2018 eine zusätzliche Empfehlung an den Vorstand richten wird. Es wird daher interessant sein zu sehen, ob der Rat dann zu derselben Schlussfolgerung kommt wie zuvor.

 

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

 

Leonardo und seine britische Tochtergesellschaft AgustaWestland sind mit großen Korruptionsskandalen in mindestens drei Ländern in Verbindung gebracht worden. Die Skandale drehten sich um Verträge im Wert von Hunderten von Millionen Pfund und beinhalteten fragwürdige Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe an Agenten und Zwischenhändler, die mit militärischen und politischen Persönlichkeiten in Verbindung stehen. Von besonderer Bedeutung ist, dass die korrupten Aktivitäten das oberste Management des Unternehmens betreffen.

 

Trotz der eindeutigen Beweise, dass AgustaWestland in die Skandale verwickelt ist, gibt es dazu im Vereinigten Königreich keine formelle Untersuchung. Das kommt einer besorgniserregenden Abkehr von der staatlichen Verantwortung gleich, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die sich im Vereinigten Königreich an Korruption beteiligen.

 

Empfehlungen

 

Corruption Watch UK fordert:

 

Das britische ‚Serious Fraud Office‘ (Betrugsbekämpfungsbehörde) soll:

1.    eine förmlichen Untersuchung aller bisherigen Verkäufe von AgustaWestland und Leonardo im Ausland einleiten; einschließlich, aber nicht beschränkt auf:a.    das Verhalten des Unternehmens in Bezug auf seine Aktivitäten in Südkoreab.    AgustaWestland's zahlreiche Agenturverträge mit von Christian Michel kontrollierten Unternehmen im Zusammenhang mit Einkäufgen Indiens;

2.    ein Zivilverfahren einleiten zur Beschlagnahme von rechtswidrigen Vermögenswerten, die Christian Michel im Vereinigten Königreich besitzt.

 

Das britische Verteidigungsministerium soll

1.    eine dringende Überprüfung durchführen, ob AgustaWestland im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten in Südkorea und Indien schwere Verstöße begangen hat;

2.    angesichts der Feststellung des Norwegischen Ethikrates, dass ein inakzeptables Risiko besteht, dass AgustaWestland weiterhin an Korruptionsvorgängen beteiligt ist, die Eignung des Unternehmen als Auftragnehmer der Regierung überprüfen.

 

Die britische Exportfinanzierung (‚UK’s Export Finance‘, UKEF) soll

1.    eine gründliche Untersuchung des Verhaltens und der Beziehungen des Unternehmens zu Drittanbietern durchzuführen, um unter anderem festzustellen, ob das Unternehmen seinen Einsatz von Agenten und Vermittlern bei Transaktionen, die zuvor von UKEF unterstützt wurden, vollständig und korrekt offengelegt hat;

 

In Anbetracht dessen rufen wir außerdem dazu auf:

 

Die italienische Regierung, als größter Anteilseigner von Leonardo, soll

1.    eine dringenden Überprüfung der Geschäftspraktiken von Leonardo durchführen, sowohl in Bezug auf frühere als auch auf aktuelle Geschäfte, und sicherstellen, dass das Unternehmen sofortige und sinnvolle Reformen durchführt, um sein Korruptionsrisiko zu begrenzen.

 

Leonardo soll:

1.    sich verpflichten, ihre Compliance-Mechanismen zu überprüfen und zu reformieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihr Korruptionsrisiko zu begrenzen; einschließlich der Entwicklung eines konkreten Plans zur Verringerung der Zahl der Agenten, die das Unternehmen weltweit einsetzt;

2.    Im Interesse der umfassenden Transparenz und Rechenschaftspflicht eine vollständige Liste der Agenten und Vermittler veröffentlichen, die das Unternehmen derzeit und in der Vergangenheit für den Abschluss von Rüstungsgeschäften im Ausland einsetzt.

____________________________________________________________________________________________________________________

[1] http://www.leonardocompany.com/en/-/piano-industriale-2017-2021-industrial-plan und http://www.leonardocompany.com/documents/63265270/68487135/body_RFA_Leonardo_ENG_100517.pdf

 

[2] Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 wurde Finmeccanica in Leonardo umbenannt, und viele ihrer Tochtergesellschaften wurden in eine einzige Unternehmensstruktur integriert. Die Tochtergesellschaften, zu denen auch AgustaWestland gehörte, wurden in Unternehmensbereiche umgewandelt. Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 wurden die britischen Leonardo-Gesellschaften zu einer einzigen Gesellschaft, der Leonardo MW Ltd. Leonardo MW Ltd. übernahm AgustaWestland UK Ltd, Selex ES Ltd, DRS Technologies UK Ltd und Finmeccanica UK Ltd. Siehe: http://www.leonardocompany.com/en/-/leonardo-mw-ltd

 

[3] ‘Joint Investigation Team for Arms Procurement Corruption: Intermediate Report’, Supreme Prosecutors Office, Republic of Korea, 16 July 2015, http://www.spo.go.kr/eng/public/activities/newsbrief.jsp?mode=view&article_no=600483&pager.offset=0&board_no=675&stype  und Press Release, Supreme Prosecutors Office, 16 July 2015, Translated from the Original Korean, Box 7 

 

[4] ebenda

 

[5] ebenda

 

[6] http://english.yonhapnews.co.kr/news/2016/01/11/0200000000AEN20160111006400315.html

 

[7] Decision/Judgment: Yang Kim, Seoul Central District Court: 23rd Criminal Division, Case: 2015GOHAP621, 11 January 2016 

 

[8] ebenda

 

[9] ebenda

 

[10] ebenda

 

[11] ebenda

 

[12] https://publications.parliament.uk/pa/cm201011/cmselect/cmstnprv/654/654we03.htm#a14  

 

[13] https://publications.parliament.uk/pa/cm201011/cmselect/cmstnprv/654/65408.htm  

 

[14] ebenda

 

[15] ebenda

 

[16] ebenda

 

[17] ebenda

 

[18] ebenda

 

[19]  ‘Leonardo Optimistic About AW159’s Prospects for South Korea’s Follow-On Maritime Helicopter Requirement’, Janes, 8 February 2017, http://www.janes.com/article/67571/leonardo-optimistic-about-aw159-s-prospects-for-south-korea-s-follow-on-maritime-helicopter-requirement  

 

[20]  http://www.leonardocompany.com/en/chi-siamo-about-us/etica-compliance/comitato-flick-flicks-committee  

 

[21]  Flick Committee Report, S. 61, http://www.leonardocompany.com/documents/63265270/63871745/FLICK_COMMITTEE_REPORT.pdf  

 

[22]  ‘Flick’s Committee’,
http://www.leonardocompany.com/en/chi-siamo-about-us/etica-compliance/comitato-flick-flicks-committee   

 

[23] Decision of the Seoul Central District Court, 32nd Criminal Division, Case 2015GOHAP1203 

 

[24] ebenda

 

[25] Die dritte angeklagte Person, Hong-yong Jeong, wurde ebenfalls im Prozess vom November 2016 für schuldig befunden, Geld angenommen zu haben. Das Urteil sagt jedoch nicht, dass Jeong in seiner offiziellen Position an Vorgängen beteiligt war, die in direktem Zusammenhang mit der Wildcat-Bewerbung oder seinen Nachfolgern standen.

 

[26] Decision of the Seoul Central District Court, 32nd Criminal Division, Case 2015GOHAP1203 

 

[27] ebenda

 

[28] ebenda

 

[29] ebenda

 

[30] ebenda

 

[31] Judgement in the Bail Application of Gautam Khaitan in the High Court of New Delhi, Bail Application: 2354/2014, December 2014, Paragraph 2 

 

[32] ‘CBI probe ordered into Italian chopper deal’, The Hindu, 13 February 2013 

 

[33] Report of the Auditor General of India on Acquisition of Helicopters for VVIPS, Union Government: Defence Services (Air Force), No. 10 of 2013, 13 August 2013, S. ii 

 

[34] ebenda, S.1

 

[35] ebenda, S.1

 

[36] ebenda

 

[37] ‘Scrapping of VVIP Helicopter Deal’, Answer by Minister of Defence AK Antony to Unstarred Question 2210 by Arvind Kumar Singh in Rajya Sabha (Council of States), 12 February 2014 

 

[38] Blacklisting of Agusta Westland Company’, Answer by Minister of Defence AK Antony to Unstarred Question 1583 by Shri Thaawar Chand Gehlot in Rajya Sabha (Council of States), 5 February 2014 

 

[39] ‘Italian Court Clears Former Leonardo Bosses in India Corruption Case’, Reuters, 8 January 2018, https://uk.reuters.com/article/uk-leonardo-india-corruption-trial/italian-court-clears-former-leonardo-bosses-in-india-corruption-case-idUKKBN1EX16M   

 

[40] ‘Dealing with the Finmeccanica Group of Companies and Other Companies Figuring in the FIR Registered by CBI in All Procurement/Acquisition Cases’, Ministry of Defence (India): D(Vigilance), 22 August 2014 

 

[41] Ex-Finmeccanica chief cleared of corruption charge’, Wall Street Journal, 9 October 2014 

 

[42] Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016, http://www.giustiziami.it/gm/wp-content/uploads/2013/06/orsi-+1-319+foi3.pdf

 

[43] ebenda

 

[44] ‘Italian Court Clears Former Leonardo Bosses in India Corruption Case’, Reuters, 8 January 2018, https://uk.reuters.com/article/uk-leonardo-india-corruption-trial/italian-court-clears-former-leonardo-bosses-in-india-corruption-case-idUKKBN1EX16M

 

[45] https://scroll.in/latest/849291/agustawestland-case-cbi-files-chargesheet-against-former-air-force-chief-sp-tyagi-nine-others   

 

[46] ‘Chopper Scam: Orsi, Spagnolini’s Acquittal Won’t Impact Case, Says CBI’, ANI, 8 January 2018, https://in.news.yahoo.com/chopper-scam-orsi-spagnolinis-acquittal-wont-impact-case-162255310.html   

 

[47] Pizzi, W. & Montagna, M. 2014. ‘The Battle to Establish an Adversarial Trial System in Italy’, Michigan Journal of International Law, Vol 25: 2004, S. 438 

 

[48] Phase 3 Report on Implementing the OECD Anti-Bribery Convention in Italy, OECD Working Group on Bribery. December 2011, p. 29. https://www.oecd.org/daf/anti-bribery/anti-briberyconvention/Italyphase3reportEN.pdf  

 

[49] Silvia D’Ascoli, 2011. Sentencing in International Criminal Law, S. 95 

 

[50] Fromman, M. 2009. ‘Regulating Plea-Bargaining in Germany: Can the Italian Approach Serve as a Model to Guarantee the Independence of German Judges’, Hanse Law Review, Volume 5, No. 1, S. 214 

 

[51] Judgment of Dr. Allessandro Chionna, 11 April 2014, Tribunale Busto Arsizio 

 

[52] ebenda

 

[53] ebenda

 

[54] ebenda

 

[55] ebenda

 

[56] Judgment of Nicolette Guerrero, 28 August 2014, Tribunale Busto Arsizio 

 

[57] ebenda

 

[58] ebenda

 

[59] ebenda

 

[60] ebenda

 

[61] ‘Chopper Deal: Middleman Christian Michel’s Family Has Links with British Society, Delhi Since 1980s’, Economic Times, 20 February 2013 

 

[62] ‘I am a Victim of a “Political Conspiracy”, says Alleged VVIP Chopper Middleman’, The Hindu, 27 April 2016, http://www.thehindu.com/opinion/interview/I-am-victim-of-quotpolitical-conspiracyquot-says-alleged-VVIP-chopper-middleman/article14262539.ece

 

[63] ‘ “Target” Sonia’s Closest Advisers, Key Middleman Told Officials of AgustaWestland’, Indian Express, 5 February 2014. Michel listed seven individuals: Manmohan Sing, Ahmed Patel, Pranab Mukherjee, M. Veerappa Moily, Oscar Fernandes and M.K. Narayanan 

 

[64] Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016, S. 192 http://www.giustiziami.it/gm/wp-content/uploads/2013/06/orsi-+1-319+foi3.pdf   

 

[65] ebenda

 

[66] Charge Sheet in RC217 2013 A 0003 (AgustaWestland Helicopter Case), Central Bureau of Investigation, New Delhi submitted in The High Court of Special Judge (CBI), Patiala House Courts, New Delhi, Paragraph 100 

 

[67] AgustaWestland Limited, Indian VVIP/Global Services FZE, Draft Preliminary Report’, Lawrence Graham LLP, 27 March 2012 and Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016, op cit  

 

[68] Order of Spl Judge Arvind Kumar in the Supplementary Criminal Complaint No. 1 of 2016, Directorate of Enforcement vs Christian Michel James, M/s Media Exim Pvt Ltd., R.K Nanda & S.B. Subramaniyam, New Delhi, 30 November 2016, Paragraph 8

 

[69] ‘AgustaWestland Limited, Indian VVIP/Global Services FZE, Draft Preliminary Report’, S. 7 

 

[70] Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016, S. 167 http://www.giustiziami.it/gm/wp-content/uploads/2013/06/orsi-+1-319+foi3.pdf

 

[71] AgustaWestland Limited, Indian VVIP/Global Services FZE, Draft Preliminary Report’, S. 8 

 

[72] ebenda

 

[73] Ebenda, S.10

 

[74] ebenda

 

[75] ebenda, S.11-12

 

[76] Ebenda. S.13

 

[77] Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016 http://www.giustiziami.it/gm/wp-content/uploads/2013/06/orsi-+1-319+foi3.pdf 

 

[78] ebenda

 

[79] https://www.theguardian.com/uk/2000/oct/18/lukeharding

 

[80] ‘AgustaWestland Limited, Indian VVIP/Global Services FZE, Draft Preliminary Report’, S. 14 

 

[81] ebenda, S.16

 

[82] ebenda, S.16-17

 

[83] ebenda, S.16

 

[84] https://www.interpol.int/notice/search/wanted/2015-66103

 

[85] Order by Judge Ajay Kumar Jain, ‘CBI Vs. S.P. Tyagi’, RC No. 2172013A0003, PHC New Delhi, S. 2 - 3 

 

[86] AgustaWestland Limited, Indian VVIP/Global Services FZE, Draft Preliminary Report’, S. 2 

 

[87] Supreme Court Judgment: Giuseppe Orsi and Bruno Spagnolini, Milan, 7 April 2016 

 

[88] Charge Sheet in RC217 2013 A 0003 (AgustaWestland Helicopter Case), Central Bureau of Investigation, New Delhi submitted in The High Court of Special Judge (CBI), Patiala House Courts, New Delhi, Paragraph 107 

 

[89] ebenda, Paragraph 104

 

[90] ebenda, Paragraph 105

 

[91] ebenda, Paragraph 106

 

[92] ebenda

 

[93] https://www.exaronews.com/taped-telephone-calls-pile-pressure-on-westland-over-bribery

 

[94] Judgment of Luis Ramon Fabregas, Third Chamber of the Supreme Court (Panama), 25 August 2015 

 

[95] ‘Italian “Soap Opera” Reveals Non-Functioning $125m Radar’, Newsroom Panama, 31 July 2014 

 

[96] ebenda

 

[97] Testimony of Giuseppe Schiatterella, Police Commission (Naples), Naples Criminal Court, 20 November 2014 

 

[98] http://uk.reuters.com/article/finmeccanica-probe-idUKL5E8LN3X220121023

 

[99] http://www.lagazzettadelmezzogiorno.it/news/home/902423/intercettazioni-per-il-cav-il-gup-di-bari-dice-no-ad-altre-acquisizioni.html

 

[100] http://www.newsmax.com/Newsfront/Panama-Canal-Ricardo-Martinelli-Italy/2014/04/15/id/565764/

 

[101]  Testimony of Giuseppe Schiatterella, Police Commission (Naples), Naples Criminal Court, 20 November 2014

 

[102] ebenda

 

[103] ebenda

 

[104] ebenda

 

[105] Judgment of Luis Ramon Fabregas, Third Chamber of the Supreme Court, 25 August 2015. Translated from Spanish. 

 

[106]  ebenda

 

[107] ebenda

 

[108] Vereinbarung zwischen der Regierung Panamas (vertreten durch Botschafter Fernando Berguido), Finmeccanica S.p.A, AgustaWestland S.p.A, Telespazio Argentina S.A und Selex S.p.A., die als Anlage zur Fußnote 108 Cabinet Council Resolution N.10 vom 23. Februar 2016 im Official Digital Gazette (Panama), Dienstag, den 1. März 2016, beigefügt ist 

 

[109] ebenda

 

[110] ebenda

 

[111] Press Release: Government of the Republic of Panama and Finmeccanica S.p.A, 23 February 2016 

 

[112] ebenda

 

[113] https://www.nbim.no/en/the-fund/   

 

[114] Die Richtlinien können hier eingesehen werden: http://etikkradet.no/files/2017/04/Etikkraadet_Guidelines-_eng_2017_web.pdf

 

[115] https://www.nbim.no/en/the-fund/holdings/?fullsize=true  

 

[116] ‘Recommendation to Exclude Leonardo SpA from the GPFG’, Council on Ethics, 8 December 2016, p. I, https://nettsteder.regjeringen.no/etikkradet-2017/files/2017/05/Leonardo-Tilr%C3%A5dning-ENG-2016.pdf   

 

[117] http://etikkradet.no/en/gross-corruption-2/

 

[118] ‘Recommendation to Exclude Leonardo SpA from the GPFG’, Council on Ethics, 8 December 2016, p. i https://nettsteder.regjeringen.no/etikkradet-2017/files/2017/05/Leonardo-Tilr%C3%A5dning-ENG-2016.pdf 

 

[119] ebenda

 

[120] ebenda, S.20

 

[121] ebenda, S.19

 

[122] ebenda, S.14

 

[123] ebenda, S.21

 

[124] ebenda

 

[125] ebenda, S.20

 

[126] ebenda, S.16

 

[127] ebenda, S.17

 

[128] ebenda, S.20

[129] ebenda, S.21

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