MAUSER-Werke Oberndorf

(Heute Rheinmetall Defence / Rheinmetall AG)


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Am 31. Juli 1811 beschließt König Friedrich I. von Württemberg, in dem fünf Jahre zuvor säkularisierten Augustinerkloster in Oberndorf am Neckar eine Gewehrfabrik einzurichten. Die Fabrik untersteht der Aufsicht des königlichen Kriegsministeriums.

 

1834 wird Wilhelm Mauser in Oberndorf geboren, 1838 sein Bruder Paul. Nach Abschluss der Elementarschule tritt Wilhelm Mauser als Lehrling in die königliche Gewehrfabrik ein, 1852 folgt ihm Paul. Beide Brüder arbeiten nach ihrer Lehrzeit in der Waffen-entwicklung und konstruieren gemeinsam ein neues Hinterladergewehr, das ab 1867 in Serie gebaut wird. Nach vorübergehendem Aufenthalt in der Gewehrfabrik Lüttich kehren die Brüder nach Oberndorf zurück und konstruieren ein neues Gewehr, das 1871 als „deutsches Infanteriegewehr M/71“ angenommen wird.

 

Die Brüder erhalten vom preußischen Staat 8000 Taler als erste Abfindung für ihre Waffenentwicklung. 1872 kaufen Wilhelm und Paul Mauser ein Grundstück in Oberndorf und beginnen mit der Errichtung einer eigenen Gewehrfabrik. Die Brüder machen gute Geschäfte mit einem für das M/71 entwickelten Visier und sammeln so Kapital für die Beschaffung von Maschinen für die Serienfertigung des M/71. Sie gründen die Firma „Gebrüder W. & P. Mauser“ und erhalten den Auftrag zur Lieferung von knapp 100.000 Gewehren für die württembergischen Truppen. Mit den Einkünften aus diesem Auftrag sind sie in der Lage, die königliche Gewehrfabrik für 200.000 Gulden zu kaufen.

 

Weitere Bestellungen des M/71 durch das preußische Kriegsministerium folgen. Kurz darauf erhalten sie Aufträge aus China  (26.000 Gewehre) und Serbien (120.000). Die Betriebsstätten in Oberndorf werden erweitert.1882 stirbt Wilhelm Mauser, sein Bruder Paul wird alleiniger persönlich haftender Gesellschafter.

 

 1884 wird ein verändertes Mausergewehr mit Röhrenmagazin für acht Patronen als deutsches Infanteriegewehr M/71.84 von den preußischen Truppen eingeführt. Die Kommanditgesellschaft „Gebrüder Mauser & Cie. wird in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt und heißt fortan „Waffenfabrik Mauser“. Persönlich haftende Gesellschafter sind Paul Mauser und Alfred Kaulla von der Württembergischen Vereinsbank. Paul Mauser übernimmt 334 Aktien, die Vereinsbank die übrigen 1666. Weitere 19.000 Infanteriegewehre werden von der königlichen Gewehrrevisionskommission in Oberndorf bestellt.

 

 Doch der große Durchbruch kommt 1887: Mauser erhält vom osmanischen Kriegsministerium in Konstantinopel den Auftrag, 500.000 Repetiergewehre und 50.000 Kavalleriekarabiner für die türkisch-osmanische Armee herzustellen. Aktiv beteiligt an der Durchsetzung dieses Auftrags gegen starke europäische und amerikanische Konkurrenz ist der preußische General Colmar Freiherr von der Goltz, der den türkischen Generalstab berät und an türkischen Kriegsschulen als Lehrer für Strategie und Taktik arbeitet. Da die Gewehrfabrik Mauser diesen Auftrag nicht allein bewältigen kann, verkauft die Württembergische Vereinsbank fünf Sechstel ihres Aktienbestands für zwei Millionen Reichsmark an den Waffenhersteller Ludwig Loewe & Co in Berlin. Paul Mauser behält das restliche Sechstel und bleibt als Technischer Direktor im Unternehmen, wo er weiter an Innovationen tüftelt.

 

Das Gewehr M/87 ist zunächst das Ergebnis, dicht gefolgt vom Modell M/93, beide Modelle mit Verbesserungen bei der Schussfrequenz und der Treffsicherheit. Die türkische Armeeführung schickt eine Abnahmekommission nach Oberndorf - insgesamt 19 Offiziere, die den Herstellungsprozess überwachen sollen. Auch  General von der Goltz gibt sich in Oberndorf die Ehre und berichtet dem Sultan laufend vom Fortgang der Arbeiten. In der Adventszeit 1893 werden die letzten der 550.000 Gewehre und Karabiner in das Osmanische Reich geliefert.

 

 Ein weiterer Auftrag über 200.000 Gewehre des verbesserten Typs M/93 folgt. Bei einem Stückpreis von 71 Mark multipliziert sich das Auftragsvolumen auf über 14 Millionen Mark. Paul Mauser wird ob seiner Verdienste für die württembergische Wirtschaft vom König geadelt: er darf das „von“ in seinem Namen führen. „1896 stammen bereits 48,5 Prozent der Gewehre, die in den Magazinen der türkisch-osmanischen Armee lagern, von der Firma Mauser. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, in dem die Türken auf vielen Schauplätzen im Vorderen Orient an der Seite ihrer deutschen Waffenbrüder kämpften, dürfte sich dieser Anteil auf den Wert „Zweidrittel“ gesteigert haben.“ (1)

 

Leidtragende waren nicht nur die Hunderttausenden Kriegstoten auf beiden Seiten der Front, sondern auch das armenische Volk, dessen fast totale Auslöschung auch mit Mauser-Waffen betrieben wurde.

 

Isidor Loewe, der Mehrheitseigner bei Mauser, schuf mit den „Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken“ (DWM) einen Mammutkonzern, in den alle in seinem Besitz befindlichen oder von ihm kontrollierten Gewehr- und Munitionsfabriken eingebracht wurden. „Der Profit aus den Waffen- und Munitionsgeschäften war enorm und konnte durch Konzentration und gemeinsame Verwaltung noch gesteigert werden. Die Dividende stieg von 4% (1879) auf 10% (1882), um dann im Jahr des Türkeigeschäfts von 12% auf die ungewöhnliche Höhe von 24% im Jahr der Gesellschaftsumwandlung (1896) zu klettern.“ (2)

 

Die DWM war aber auch noch in anderen Teilen der Welt erfolgreich. Südamerika bot sich als günstiges Absatzgebiet an, da für den Aufbau der dortigen Armeen und besonders mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht Gewehre, Karabiner und Pistolen benötigt wurden. Vor allem Argentinien, das mit dem Nachbarland Chile wegen einer offenen Grenzfrage im Streit lag, wollte mit der Beschaffung moderner Gewehre, Karabiner und Pistolen militärische Macht demonstrieren. 120.000 Mauser-Gewehre wurden daraufhin bei Loewe bestellt, zu liefern in mehreren Tranchen.

 

Da das argentinische Heer 1892 nur rund 6500 Mann umfasste, argwöhnten die Chilenen, es würde bald drastisch vergrößert, um in einem drohenden Krieg mit Chile die Oberhand zu gewinnen. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Chilenischen Generalstab und auf Druck des deutschen Heeresinstrukteurs, des Generals Bernhard Emil Körner, der in Chile eine ähnlich starke Position hatte wie General von der Goltz in der Türkei, orderten die Chilenen 50.000 Gewehre und 10.000 Karabiner mit je 300 Schuss Munition. „In der Folgezeit - von 1895 bis 1902 - waren die deutschen Rüstungsindustriellen erfolgreich bemüht, die argentinisch-chilenischen Spannungen hochzuspielen und sie in klingende Münze umzuwandeln...“ (3)

 

Alle diese Geschäfte wurden in den Schatten gestellt vom Bedarf an Waffen und Munition im Ersten Weltkrieg. Paul von Mauser und Isidor Loewe erlebten diesen Auftragsboom nicht mehr mit. Loewe starb 1910, Mauser vier Jahre später. 1928 wurden die ehemaligen Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken vom Großindustriellen Günther Quandt übernommen, der sie in die Hochrüstung für den Zweiten Weltkrieg führte. 1945 war auch für Oberndorf das Jahr des völligen Zusammenbruchs. Erst mit der Aufstellung der Bundeswehr ab 1949 begann auch in der Neckarstadt wieder die Waffenproduktion.

 

Das Werk im Besitz der Familie Quandt wechselte1979 erneut den Eigentümer. Vom Nürnberger Waffenkonzern Diehl gekauft, verlagerte sich die Produktion bei Mauser auf die Herstellung von Bordkanonen für Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe. 2004 schließlich wurde die Firma von Rheinmetall - Waffe und Munition übernommen.

 

Seither werden in Oberndorf Kanonen im Mittelkaliber-Bereich (um die 30mm Geschossdurchmesser) und die dafür geeignete Munition produziert. „Seit den 1990er Jahren machte vor allem das Marine-Leichtgeschütz MLG 27 mit der dazugehörigen 27-mm-FAPDS-Munition von sich reden. Außerdem entschied sich 1997 die Bundeswehr in Kooperation mit Großbritannien, Italien und Spanien für die Einführung des „Eurofighter 2000“, der mit einer leistungs-gesteigerten BK 27 (d.h. Bordkanone, Anmerkung d.A.) mit gurtgliedloser Zuführung von Mauser ausgestattet werden sollte. Die konsequente Aufteilung der Aktivitäten des Defence-Bereichs von Rheinmetall in Produktbereiche und die damit verbundene Konzentration auf den Namen Rheinmetall führte im Jahre 2004 dazu, dass der Name „Mauser“ nach 132 Jahren als Firmenname verschwand. Das Wort „Mauser“ wird aber in der Werksbezeichnung weiterleben“. (4) 

 

Das Mauser-Erbe der Gewehrproduktion hatte in den 1950er Jahren die Firma Heckler & Koch übernommen, die von drei ehemaligen Mauser-Ingenieuren gegründet worden war. Ihr G3-Gewehr wurde in ähnlich hohen Stückzahlen in die ganze Welt verkauft wie die Mauser-Gewehre vor dem Ersten Weltkrieg.

 

Quellen:

 

(1) Andreas Kussmann-Hochhalter, Halbmond über Oberndorf - Der Fabrikant vom Neckar, der Sultan vom Bosporus und ihre Geschichte, hrsg. vom Museum im Schwedenbau, Oberndorf 2015

(2) Jürgen Schäfer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika, Bertelsmann Universitätsverlag Düsseldorf, 1974

(3) ders., a.a.O.

(4) Rheinmetall Defence, Zwei Jahrhunderte industrielle Waffenfertigung

Link: https://www.rheinmetall-defence.com/de/rheinmetall_defence

 

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