Fall 05: Waffenhandel und Korruption

Am Beispiel des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo S.p.A.


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Einleitung und Zusammenfassung

 

Auf ihrer Webseite preisen sie sich selbst als „Protagonist der italienischen Industriegeschichte“, die ihre modernste Technologie aus dem Bereich Luft-, Raumfahrt-, Verteidigungs- und Sicherheitstechnik nicht nur Regierungen und „Institutionen“, sondern auch Privatkunden anbieten.

 

„Leonardo“ ist der neue Name des ehemaligen italienischen Staatskonzerns Finmeccanica. Die Umbenennung nach dem vor 500 Jahren verstorbenen Universalgelehrten kann als Versuch gewertet werden, dem negativen Image, das Finmeccanica aufgrund zahlreicher Skandale anhaftete, zu entkommen und sich mit dem Namen eines der bedeutendsten Genies der italienischen Geschichte einen Bonus zu verschaffen.

 

Das Hubschraubergeschäft von Leonardo wurde bis vor wenigen Jahren unter der Marke AgustaWestland geführt. Das Tochterunternehmen ging aus der Fusion des zuvor zum Finmeccanica-Konzern gehörenden Hubschrauberproduzenten Agusta mit der britischen Firma Westland Helicopters hervor. Agusta wiederum war ein 1907 gegründeter italienischer Flugzeughersteller. Der spezialisierte sich seit den 1950er-Jahren zunehmend auf Hubschrauber, die zunächst in Lizenz von anderen Unternehmen produziert wurden. 1994 wurde das Unternehmen von Finmeccanica übernommen, bevor es im Jahr 2000 zu der Fusion mit Westland kam. Seit 2004 ist das Joint Venture vollständig unter der Kontrolle von Finmeccanica, jetzt Leonardo. [1]

 

So wie AgustaWestland waren die meisten italienischen Rüstungsbetriebe bis 2015 als eigenständige Tochterunternehmen unter der Kontrolle der Staatsholding Finmeccanica. Ab 2016 wurden sie alle in einen gemeinsamen Konzern, in „eine Firma“, die „One Company“ Finmeccanica zusammengeführt. Seit dem 1. Januar 2017 trägt der Konzern den Namen ‚Leonardo‘.

 

Mit welchen Methoden Leonardo seine Produkte international vermarktet, wie der Konzern Agenten, Mittelsmänner und einflussreiche Persönlichkeiten vor Ort nutzt, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, darum geht es in diesem Report.

 

2017 lag der Gesamtumsatz von Leonardo S.p.A. bei 12,99 Mrd. US-Dollar, davon wurden 8,86 Mrd. mit Rüstungsgütern erwirtschaftet. [2] Damit ist Leonardo in der Liste der Rüstungskonzerne weltweit die Nummer 9, in Europa die Nummer 4. [3]

 

Nachdem der interne Umbau bei Leonardo zu der „Einen Fima“ 2017 vorerst abgeschlossen wurde, plante der Konzern, seine Exporte in den Folgejahren weiter zu erhöhen. Dafür sollen bis 2022 weltweit 30 neue Vertriebsbüros eröffnet werden, was einer Verdoppelung dieser Agenturen gleich kommt. [4]

 

Für einen an der Börse notierten Konzern, der im Wesentlichen in privatem Besitz ist (der italienische Staat hält derzeit etwa 30% des Kapitals), dessen Hauptzweck darin besteht, Gewinne zu erwirtschaften und damit den Reichtum der Anteilseigner zu mehren, und das im Wesentlichen Rüstungsgüter produziert, ist es nur folgerichtig, so viele Waffen und Zubehör zu verkaufen wie möglich. Zurückhaltung in Bezug auf die Auswahl der Kunden und auf die Mittel des Vertriebs, oder die Berücksichtigung der humanitären Folgen von Waffenverkäufen ist von solchen Unternehmen primär und von sich aus nicht zu erwarten. Sonst würden sie keine Waffen produzieren. Das zeigt die Erfahrung, und dazu zwingt die Logik unseres Wirtschaftssystems. Nur wenn Regeln aufgestellt werden und damit Rahmenbedingungen geschaffen werden, deren Nichtbefolgung den wirtschaftlichen Gewinn gefährdet, werden Rüstungsfirmen dazu bereit sein, andere Gründe als die Gewinnerwartung für ihr Handeln in Betracht zu ziehen.

 

Beispiele: Das im April 2010 verabschiedete Anti-Korruptionsgesetz („Bribery Act 2010“) in Großbritannien. Kaum war es in Kraft, haben sich Firmen wie BAE und Leonardo beeilt, interne Kontrollmechanismen aufzustellen und öffentlich zu beteuern, dass Korruption bei ihren Geschäften keine Rolle spielt. Auch nachdem Leonardo seine internen Abläufe öffentlichkeitswirksam untersuchen ließ und mit dem ‚Flick-Report‘ ein Dokument veröffentlicht wurde, mit dem maximale Transparenz und effektive Maßnahmen gegen Korruption demonstriert werden sollte [5], war informierten Beobachter klar, dass von einer effektiven Abkehr von Bestechung und Korruption nicht die Rede sein konnte. In einer Anhörung vor dem Britischen Unterhaus am 9. Mai 2018 fragte der Britische Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle den Zeugen Andrew Feinstein nach seiner Einschätzung. [6]

 

Feinstein erklärte, dass es an effektiver Kontrolle fehlt, um Korruption zu verhindern. Im Fall der Firma Leonardo, die auf ihrer Webseite die im Konzern aufgestellten Regeln stolz präsentiert [7], hält auch der Ethikrat des Norwegische Rentenfonds Norwegian Government Pension Fund Global (GPFG) [8] die Firma für unglaubwürdig und rät vom Kauf von Leonardo-Aktien ab. [9] Für die von Leonardo angekündigte Reduzierung der 200 vom Konzern angestellten Agenten und Vermittler war nach Ansicht des Ethikrates kein glaubwürdiges Konzept erkennbar.

 

Den seit dem Referendum im Jahr 2016 drohenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union beurteilt der Konzern als riskantes Unterfangen, das den „Verteidigungssektor“, und damit natürlich die eigenen Geschäfte schwächen wird. [10]

 

Das zugrunde liegende Problem schildert Pierre Sprey, ein US-amerikanischer Rüstungsanalyst und Mit-Konstrukteur des Kampfflugzeiges F 16 in dem Film „Shadow World“ sehr deutlich:

 

„Will ein Manager einen ausländischen Amtsinhaber bestechen, sagt er sich: ‚Ich habe ein ganz schönes Risiko auf mich genommen, mit diesen 5 Millionen Dollar, die ich dem Premierminister von X, Y, Z zahle.‘ Er trifft eine Vereinbarung mit dem Premierminister von X, Y, Z: ‚Ich übergeben Ihnen die 5 Millionen, aber die Hälfte davon zahlen Sie auf dieses Schweizer Bankkonto ein. Wir teilen das großzügig.‘ Wenn ein Manager das zum ersten Mal macht und 2,5 Millionen kassiert, sagt er sich: „Wow, gar kein schlechtes Business.“ Und kurz nach dieser Erkenntnis verkauft er nicht länger Flugzeuge, er verkauft Bestechungsgelder. Und er durchkämmt die Welt auf der Suche nach Leuten, die er bestechen kann.“

 

Korruption ist somit nicht allein das Mittel, einen geplanten Rüstungsdeal einzufädeln, sondern in vielen Fällen der eigentliche Grund, weshalb Waffen verkauft werden: Solange diejenigen, die ein Waffengeschäft einfädeln und durchführen, persönlich enorme Profite einfahren können, wird die Kontrolle oder gar die Eindämmung von Rüstungsgeschäften schwierig sein. Sie sind für 40% der weltweiten Korruption verantwortlich [11], und der überwiegende Teil der Korruption geht– auch im wörtlichen Sinn – auf das Konto der Mittelsmänner (und -frauen). [12]

 

Wer sich mit Waffengeschäften beschäftigt weiß, dass es ein bewährtes Verkaufsargument ist und Waffen sich besonders dann gut verkaufen lassen, wenn sie sich im Einsatz bewährt haben. „Combat proven“ ist eine wirksame Werbebotschaft.

 

Letztlich verdienen also vergleichsweise wenige erfolgreiche Waffenhändler riesige Summen daran, wenn rund um den Globus Kriege  geführt werden und Millionen von Menschen ihre Existenz oder gar ihr Leben verlieren.

 

In dem folgenden Bericht geht es exemplarisch um drei Fälle, in denen sich Leonardo bzw. seine damalige Tochterfirma AgustaWestland mit Hilfe von Agenten und korrupten Mittelsmännern Rüstungsexportaufträge sicherte. Beispielhaft wird hier die systematische Korruptheit des Leonardo-Konzerns deutlich, die sich in ähnlicher Weise nach Einschätzung von kritischen Kennern der Szene auch bei anderen Rüstungskonzernen findet.

 

Im ersten Beispiel geht es um den Verkauf von Wildcat-Hubschraubern an das südkoreanische Militär. Um den Deal zu sichern, wurden mehrere eng mit dem südkoreanischen Militär in Verbindung stehende Personen von AgustaWestland bezahlt. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der frühere britische Verteidigungsminister Geoff Hoon.

 

Das zweite Bespiel beschreibt einen Verkauf von Hubschraubern für die indische Luftwaffe, mit denen insbesondere Mitglieder der indischen Regierung transportiert werden sollten. Auch dieser Deal wurde mit Hilfe von bezahlten Agenten eingefädelt, die zusammen mit Zwischenhändlern insgesamt 60 Millionen Euro erhielten.

 

Der dritte Fall spielt in Panama, an deren Regierung Leonardo u.a. technische Überwachungsgeräte verkaufte. Auch hier gab es hohe Schmiergeldzahlungen, unter anderem war ein italienischer Geschäftsmann mit engen Verbindungen zum ehemaligen italienischen Premierminister Silvio Berlusconi involviert.

 

Der Bericht wurde ursprünglich von der britischen Organisation Corruption Watch UK erstellt, mit der GN-STAT eng zusammenarbeitet.

___________________________________________________________________________________________________________________________________[1] https://www.brandslex.de/markenlexikon/cover/l/markenlexikon-leonardo

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152177/umfrage/absatz-der-weltweit-groessten-ruestungsunternehmen/

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36514/umfrage/groesste-ruestungsunternehmen-in-europa-nach-umsatz/

[4] https://www.defensenews.com/industry/2017/12/23/leonardo-to-double-export-sales-offices-in-the-next-few-years/

[5]http://www.leonardocompany.com/documents/63265270/63871745/FLICK_COMMITTEE_REPORT.pdf

[6] http://data.parliament.uk/writtenevidence/committeeevidence.svc/evidencedocument/committees-on-arms-export-controls/uk-arms-exports-during-2016/oral/82687.html

[7] https://www.leonardocompany.com/en/about-us/our-company/ethics-compliance

[8] https://www.nbim.no/en/

[9] https://etikkradet.no/files/2017/05/Leonardo-Tilr%C3%A5dning-ENG-2016.pdf

[10] Financial Times, 06.02.2019 URL: https://www.ft.com/content/354bb3aa-2949-11e9-88a4-c32129756dd8

[11] Sipri Yearbook (2011) https://www.sipri.org/yearbook/2011/01

[12] C.f. The Shadow World

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