Fall 01: Armenischer Genozid mit deutschen Waffen


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Fall 01: Deutsche Waffenexporte für den Völkermord: Mauser-Gewehre und Krupp-Kanonen im Einsatz beim Genozid osmanischer Streitkräfte an Armeniern (1895-1915)

 

 

Von Wolfgang Landgraeber

  mit Textbeiträgen von Otfried Nassauer, Bernhard Trautvetter und Helmut Lohrer

Kurztext:

 

Unsere historischen Recherchen dokumentieren: Bei fast allen Aktionen dieses systematischen Völkermordes an mehr als einer Million Armeniern waren reguläre türkische Truppen und Angehörige der „Gendarma“ beteiligt, teilweise auch deutsche Offiziere beteiligt. In der Mehrzahl waren die Aggressoren mit Mauser-Gewehren oder -Karabinern aus Oberndorf bewaffnet. Krupp-Kanonen aus Essen waren zu hunderten im Einsatz. Deutsche Exportwaffen lieferten die materielle Grundlage für den Völkermord, deutsche Offiziere die ideologische.


Übersicht

 

Einführung ins Geschehen

Kapitelübersicht

Kapitel 1: Die deutsch-türkischen Waffenbrüder

Kapitel 2: Der Countdown zum Genozid 1915/16

Kapitel 3: Mauser- und Krupp-Waffen im Völkermord

Kapitel 4: Wer profitierte vom Völkermord?

Kapitel 5: Was wurde aus den Drahtziehern des Völkermords und ihren Helfershelfern?

Kapitel 6: Gibt es Parallelen zu Kriegen und völkermordähnlichen Aktionen von heute?

Quellen

Bildnachweise

Waffentypen, die geliefert und beim Genozid an Armeniern eingesetzt wurden

 

Firmenprofile

Firmenprofil: Die Mauser-Werke, Oberndorf (heute Rheinmetall Defence / Rheinmetall AG)

Firmenprofil: Die Krupp-Werke und Thyssenkrupp AG, Essen. Von Wolfgang Landgraeber und Bernhard Trautvetter

Firmenprofil: Rheinmetall AG, die ehemaligen Mauser-Werke in Oberndorf die heute zu ihrem Firmenverbund zählt, siehe in der Rubik „Unternehmen Übersicht“.

 

Täterprofile

Täterprofil: Goltz, Colmar Freiherr von der; Generalfeldmarschall

Täterprofil: Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav Georg Friedrich Maria;

        Diplomat und Krupp-Aufsichtsratsvorsitzender

Täterprofil: Loewe, Isidor; Rüstungsmanager von Ludwig Loewe & Co und Mauser-Werke

Täterprofil: Mauser, Paul (seit 1912 Paul von Mauser);

        Waffenkonstrukteur der Mauser-Werke

Heutiger Einsatz deutscher Kriegswaffen gegen Kurdinnen und Kurden in der Türkei und in Syrien. Von Helmut Lohrer

 

Literatur

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Einführung in das Geschehen

Von Wolfgang Landgraeber

 

In den Jahren 1895 bis 1916 verübten staatliche Sicherheitskräfte der Türkei vieltausendfachen Massenmord an Armeniern im damaligen Osmanischen Reich.

 

„Trotz heftiger Proteste der türkischen Führung sowie türkischer Verbände in Deutschland“ stimmte der Deutsche Bundestag am 2. Juni 2016 mit überwältigender Mehrheit für einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN.  Der Antrag (Drucksache 18/8613) wurde mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen. Darin wird „die Massentötung von Hunderttausenden Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord eingestuft“. (1)

 

Was der weit überwiegenden Zahl der Bundestagsabgeordneten nicht bekannt gewesen sein dürfte, die Tatsache, dass der Genozid an den Armeniern maßgeblich mit deutschen Kriegswaffen verübt wurde.

 

Was war geschehen? Allein in den Jahren 1915 und 1916 wurden Dutzende Massaker an der armenischen Bevölkerung in Ostanatolien verübt. Ein Augenzeugenbericht von den Krankenschwestern Eva Elvers aus Deutschland und Thora von Wendel aus Norwegen gibt exemplarisch Einblick in das damalige Geschehen:

 

„Durch einen armenischen Arzt, Kafafian, erfuhren wir folgendes: Zwei junge Lehrerinnen, die auf dem amerikanischen College in Harput ausgebildet worden waren, kamen mit den übrigen Ausgewiesenen am 10. Juni durch die Kemah-Schlucht. Dabei wurden sie unter Kreuzfeuer genommen, von vorne die Kurden und von hinten die Gendarmerie... Die beiden jungen Frauen warfen sich zu Boden, stellten sich tot, und es gelang ihnen zu fliehen und nach Erzincan zurückzukehren, wo sie über den armenischen Arzt um Hilfe im Rot-Kreuz-Hospital baten.

 

Am 11. Juni wurden dann reguläre Truppen nachgeschickt, angeblich um die Kurden zu bestrafen. Stattdessen haben sie - die Truppen - die ganze wehrlose Schar, die noch übrig war, niedergemacht. Aus dem Munde türkischer Soldaten, die selber dabei waren, haben wir es hören müssen, wie die Frauen um Erbarmen gefleht und wie manche ihre Kinder selber in den Fluß geworfen haben.

Auf unser entsetztes 'Und ihr schießt auf Frauen und Kinder?' kam die Antwort, 'Was sollen wir machen? Es ist ja Befehl!'

Die Soldaten erzählten, dass es das 86. Kavallerieregiment gewesen sei (das Regiment unterstand dem Oberkommando der III. Armee von Kiamil Pascha), das unter Führung sämtlicher Offiziere die Untat vollbracht habe. Sie hätten vier Stunden benötigt, um alle zu töten. Dann hätten Ochsenkarren bereitgestanden, um die Leichen in den Fluß zu schaffen.“ (2)

 

Etliche tausend Zivilisten wurden Opfer derartiger kriegerischer Auseinandersetzungen. Letztlich starben rund eine Million Armenier bei den systematischen, mit Waffengewalt erzwungenen Vertreibungen in das Nichts der syrischen Wüste, wo sie verhungerten und verdursteten, wenn sie nicht auf dem Weg dorthin bereits an Entkräftung gestorben oder von Räuberbanden massakriert worden waren. Das war staatlich verordneter Massenmord, verübt von türkischen Sicherheitskräften mit Kenntnis und Billigung höchster deutscher Regierungskreise. Deutsche Offiziere dienten in türkischen Generalstäben und befehligten türkische Regimenter, Divisionen und Armeen, die überwiegend mit Gewehren und Karabinern der deutschen Waffenschmiede MAUSER   ausgerüstet waren.

 

Wie konnte es dazu kommen, dass deutsche Waffen und Soldaten am Völkermord in den armenischen Siedlungsgebieten im Osmanischen Reich entscheidend beteiligt waren?

Kapitel 1: Die deutsch-türkischen Waffenbrüder

 

Kaiser Wilhelm II. verband bis 1917 eine jahrzehntelange, innige Freund- und Waffenbrüderschaft mit dem türkischen Sultan Abdülhamid II. und seinem Nachfolger Mehmet V. Das Osmanische Reich befand sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in einer Schwächephase. Als „kranker Mann am Bosporus“ galt es an den Fürstenhöfen in Berlin, Moskau, London und Wien. Besonders Russland strebte nach der Vergrößerung seiner Einflusssphäre durch Eroberung von Gebieten im Osmanischen Reich, z.B. der Dardanellen, die dem Zaren den Zugang zum Mittelmeer eröffnet hätten.

 

Abdülhamid II., der 1876 an die Macht gekommen war, suchte nach Verbündeten unter den Großmächten Westeuropas und fand sie in Preußen und Österreich-Ungarn. „Eingeklemmt zwischen der russischen Expansion auf dem Balkan, am Schwarzen Meer und im Kaukasus und dem britischen und französischen Kolonialismus in Nordafrika erkennen die türkischen Geostrategen in den Deutschen einen möglichen Partner, der anscheinend keine imperialistischen Ziele im Orient verfolgt.“(3)                                                                                            Waffenbrüder - "Im Kampf vereint"

                     - Kaiser Wilhelm II., Sultan Mehmed V. und Kaiser Franz Joseph I. -

 

Der Russisch-Türkische Krieg von 1876/77, in dem die Bulgaren ihre Unabhängigkeit  erkämpften, endete für das Osmanische Reich und seine marode Armee mit einer Niederlage. Um zu alter Stärke zurückzufinden, brauchte der Sultan Militärinstrukteure und moderne Waffen aus Europa. Der preußische Kaiser wiederum träumte von einer Eisenbahnlinie durch Anatolien und vom Zugang zu Rohstoffen und Absatzmärkten in Vorderasien bis nach Persien. So sahen sich  Deutsche und Osmanen in gemeinsamen strategischen Interessen verbunden.

 

Der preußische Generalmajor Colmar Freiherr von der Goltz wurde bereits 1883 Militärberater am osmanischen Hof und damit beauftragt, die Militärschulen im Reich zu modernisieren. Dazu prädestiniert hatte ihn seine langjährige Tätigkeit als Militärausbilder im Preußischen Heer. Durch einschlägige militärtheoretische Schriften aus seiner Feder  (z.B. „Das Volk in Waffen“) galt er als Verfechter des totalen Krieges und als Spezialist für die Bekämpfung von Aufständen. Gegen viele Widerstände, aber unter dem Schutz der höchsten Autorität, des Sultans, setzte er viele preußisch geprägte Reformen im osmanischen Heer durch.

Freiherr von der Goltz, den sein Biograf Carl Alexander von Krethlow einen „ausgewiesenen Kriegstreiber“ nannte, versuchte den Sultan mehrfach zum Krieg zu überreden, sei es auf dem Balkan gegen die Russen oder in Ägypten gegen die Briten. „Goltz war ein politischer General. Sein Ziel war ein Bündnis des deutschen Kaiserreichs mit dem Osmanischen Reich, dessen Armee er, bei genügend Training, ein großes Potential beimaß...

 

Goltz mischte sich im osmanischen Heer aktiv ein, er schrieb Denkschriften für den Sultan, er wollte tatsächlich etwas verändern - und er hatte Erfolg damit... Dieses Prestige, das er sowohl innerhalb des osmanischen Offizierskorps wie auch gegenüber dem Herrscher genoss, nutzte Goltz schon bald, um große Waffengeschäfte zwischen deutschen Rüstungskonzernen und den Osmanen zu vermitteln. Goltz wurde quasi zum inoffiziellen Handelsvertreter der Firma Krupp, für die er in seiner Zeit in Konstantinopel Geschütze und Artilleriesysteme im Wert von mehr als 70 Millionen Goldmark vermittelte. Mit Hilfe von Goltz gelang es dem deutschen Gewehrfabrikanten Mauser, das bis dahin bestehende Liefermonopol zu brechen und selbst zum Hauptausrüster der osmanischen Armee zu werden…

 

Um dorthin zu gelangen, musste Goltz sich vor allem mit dem Handelshaus Azarian Effendi Père & Fils auseinandersetzen. Der Armenier Azarian hatte bis dahin im Verein mit dem Finanzminister Agop Pascha, ebenfalls einem Armenier, ein Quasimonopol auf den Einkauf von Gewehren und war damit reich geworden. In der Auseinandersetzung um die Mauser-Gewehre... entwickelte  von der Goltz eine ausgeprägte Abneigung gegen die Armenier, die er als schäbiges und schmieriges Händlervolk bezeichnete, ein Ressentiment gegen die armenische Minderheit im Osmanischen Reich, das Goltz Zeit seines Lebens nicht mehr ablegte und das bei der späteren Deportation und Vernichtung der Armenier noch eine verhängnisvolle Rolle spielen sollte“. (4)

 

Goltz selber sah sich als einflussreichen Lobbyisten für die deutsche Waffenindustrie am Sultanshof. In sein Tagebuch notierte er: „Ich kann doch behaupten, dass es ohne mich niemals...zur Neubewaffnung der Armee mit deutschen Modellen gekommen wäre.“ (5)

 

Unterstützt durch seine Fürsprache und nach Schießversuchen in der Türkei setzte sich die Firma aus Oberndorf am Neckar gegen Konkurrenten aus Österreich (Mannlicher), Frankreich (Hotchkiss) und Großbritannien (Martini-Henry) durch.

 

Der später vom Württembergischen König geadelte Paul Mauser durfte dem Sultan persönlich seine modernsten Entwicklungen präsentieren. Im Februar 1887 unterzeichneten das Kriegsministerium des Osmanischen Reiches und ein deutsches Firmenkonsortium, bestehend aus den Firmen Mauser und Ludwig Loewe & Co KG, einen Vertrag über die Lieferung von 500.000 Gewehren vom Modell M/87 und 50.000 Karabinern des gleichen Typs.

 

Um diesen gewaltigen Auftrag zu stemmen, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen, verabredeten die beiden deutschen Firmen einen Deal: Mauser wird an Löwe verkauft, dafür wird die gesamte Fertigung in Oberndorf abgewickelt. Das Brüderpaar Paul und Wilhelm Mauser, Inhaber der Firma seit 1874, behielten rund 7% des Grundkapitals. Binnen vier Jahren musste der Auftrag abgeleistet sein.

Im Verlauf des Produktionsprozesses kam es zu mehreren Modifikationen des Gewehres M/87: erst das M/89 und schließlich das M/90, ein Repetiergewehr mit Mittelschaftsmagazin für Nitropulverpatronen des Kalibers 7,65 mm. Ein Gewehrtyp, von dem für die Kavallerie eigens kurzläufige Karabinermodelle hergestellt wurden, bestens geeignet für die Verfolgung von Flüchtigen per Pferd.

 

Bereits 1893 war es in einzelnen  armenischen Siedlungsgebieten zu ersten Massenmorden gekommen. In der Gegend von Sassun gab es eine Strafexpedition der Sicherheitskräfte gegen Armenier, die Steuereintreibern Widerstand geleistet hatten. Die zweite Phase der Massaker begann im Oktober 1895 mit armenischen Unruhen in Konstantinopel, in dessen Folge der Sultan den Armeniern Reform-zusagen machte. Diese lösten Mordaktionen in verschiedenen Gebieten Anatoliens aus. Im November 1895 gab es in Zeitun (türkisch Süleimaniye) eine Belagerung durch osmanische Truppen, die erst durch die Intervention europäischer Diplomaten beendet werden konnte.

 

Schließlich die Unruhen in Van Mitte Juni 1896. Die Massaker dort sollen nach Berichten ausländischer Medien durch osmanische Behörden initiiert und durchgeführt worden sein. Eine staatlich organisierte Durchführung der Massaker fand dennoch nur teilweise und unsystematisch statt. Kurden und Teile der muslimischen Bevölkerung waren die wichtigsten Ausführenden der Massenmorde. Die Massaker, denen rund 100.000 Menschen zum Opfer fielen, weckten in Europa eine Welle der Empörung. Die Reaktionen der europäischen Regierungen beschränkten sich jedoch auf ineffektive Proteste.

 

Wichtig bleibt festzuhalten: obwohl es bereits vor 1893 Spannungen zwischen Muslimen und Armeniern mit Übergriffen und vereinzelten Mordaktionen gab, die in der europäischen Presse Niederschlag fanden, wurden mit Billigung der deutschen Regierung 1893 die letzten der zunächst bestellten 500.000 Mauser-Gewehre und Karabiner von Oberndorf in die Türkei geliefert. Ob türkische Sicherheitskräfte zu dieser Zeit, ausgerüstet mit eben diesen Gewehren, damals bereits an Massakern und Erschießungen beteiligt waren, darüber gibt es keine zuverlässigen Quellen.

 

Ebenfalls unklar ist die Faktenbasis bei der Frage, in welcher Menge die Mauser-Gewehre und die Munition aus deutschen Fabriken beim Beginn des Massenmords an den Armeniern zum Einsatz kamen. Eine Schlussfolgerung ist aber zulässig:

 

Da die Gewehre für die Türkei zwischen 1890 und 1893 ausgeliefert wurden, als sich die ersten Massaker unter Beteiligung osmanischer  Armee-Einheiten bereits ereignet hatten, darf davon ausgegangen werden, dass die türkischen Soldaten und Gendarmen, die an solchen Mordaktionen teilnahmen, wenigstens teilweise bereits mit Gewehren aus Oberndorf  ausgerüstet waren. General von der Goltz ging die Verteilung der Mauser-Gewehre aus der letzten Tranche allerdings nicht schnell genug. „Dass sie noch im September 1895 nicht an die Truppen ausgegeben waren, lastete Goltz dem Sultan an, dem es am guten Willen fehle, seine Soldaten für die Unterdrückung von Aufständen sachgemäß auszurüsten“, so der Historiker Carl Alexander Krethlow.

 

„Das Vorgehen der türkischen Militärs gegen die Armenier widerspiegelt denn auch die seit Jahren von Goltz vertretenen Lehren über den Vernichtungskrieg im Zeitalter des Nationalismus. Die von ihm seit dem Balkankrieg von 1912/13 noch verstärkt propagierte Kräftigung der Türkei auf der Grundlage einer Sammlung der islamischen Bevölkerung führte in letzter Konsequenz zu ethnischen Säuberungen. (....) Insofern war er bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg maßgeblich daran beteiligt, die theoretischen Grundlagen für den Genozid an den Armeniern von 1915/16 zu schaffen.“ (6)

 

Während Goltz schon 1895 offen zum Einsatz der Mauser-Gewehre gegen die Armenier drängte, übte sich Wilhelm II. noch in Beschwichtigungsrhetorik. Dass er über die  Massaker, die 1895 ihrem ersten Höhepunkt zustrebten, genau informiert war, beweist der Bericht eines Zeitzeugen. 1898 hatte Wilhelm II. eine Orientreise unternommen, die ihn u.a. nach Konstantinopel, Damaskus und Jerusalem führte. In Jerusalem wollte er die neu erbaute Erlöserkirche einweihen. Aus diesem Anlass traf er mit dem Pietisten J. Ludwig Schneller zusammen, Gründer eines Waisenhauses für christliche und islamische Kinder im damals von den Osmanen beherrschten Jerusalem. Er durfte mit Wilhelm II. sprechen und berichtete ihm von den andauernden Mordaktionen in Anatolien. In seinen „Königserinnerungen“ schreibt Schneller, was ihm Kaiser Wilhelm auf diese Vorhaltungen antwortete:

 

„Ich weiß wohl, viele meiner Landsleute können es nicht verstehen, dass ich nach alledem den Sultan freundschaftlich besucht habe. Aber ich habe dafür gute Gründe. Meinen Sie denn, dass solche Greuel mich kalt lassen, dass ich kein Herz habe für diese unglücklichen Christen? Es kommt nur darauf an, dass man den rechten Weg einschlägt, um ihnen zu helfen. Die Türken und ihr Sultan sind wütend gemacht, weil die europäischen Mächte solche Greuel, die sie zum Teil selbst angestiftet haben, immer nur zum Vorwand nehmen, um sich jedes Mal ein neues Stück von der Türkei wegzureissen, wozu sie weder vor Gott noch Menschen ein Recht haben. Das hat sie auf den unseligen Gedanken gebracht, sich der Christen allmählich ganz zu entledigten, damit diese Mächte keinen Grund mehr haben einzuschreiten und ihren Länderraub mit der angeblichen Fürsorge für die Christen zu bemänteln (....)

 

Der Sultan ist ein sehr kluger Mann. Er hat das falsche Spiel, hinter dem ganz andere Absichten lauern, durchschaut und fühlt sich in seiner Feindschaft gegen die Christen nur noch bestärkt. Darum habe ich einen andren Weg eingeschlagen, und ich glaube wohl einen klügeren, jedenfalls einen christlicheren. Ich vergelte nicht Böses mit Bösem, sondern komme dem Mann, der unter alledem nur immer düsterer wird, mit christlicher Freundlichkeit entgegen und fasse ihn am Gewissen. Und weil er genau weiß, dass wir die einzigen sind, die keinerlei Annexionen im Sinn haben, glaubt er an meine uneigennützige Freundschaft und hört auf mein Wort. Es wird sich noch zeigen, wenn einmal alles veröffentlicht wird, dass ich der einzige bin, der warm für die Armenier eingetreten ist und ihnen wirklich genützt hat.“ (7)

 

Beihilfe zum Völkermord an Christen aus christlicher Nächstenliebe? Das an Scheinheiligkeit und Hybris nicht zu überbietende Zitat beweist, dass Wilhelm II. überhaupt nicht daran dachte, dem türkischen Armenier-Schlächter und seinen Vasallen in den Arm zu fallen, auch nicht, als sich die Mordaktionen siebzehn Jahre später zu einem Genozid steigerten, den die Welt bis dahin nicht gesehen hatte.

In Oberndorf sonnte man sich unterdessen im Wohlwollen Abdülhamids II. Firmenpatriarch Paul von Mauser, durch den Württembergischen König in den Adelsstand erhoben, berichtete von einer äußerst freundschaftlichen Atmosphäre am Sultanshof, als er von einem seiner letzten Besuche aus Konstantinopel zurückkehrte. Dort hatte er Verträge für weitere Gewehrlieferungen abgeschlossen, die noch einmal in die Hunderttausende gingen. Im Gegenzug wurden die türkischen Offiziere der verschiedenen Abnahmekommissionen in Oberndorf außerordentlich zuvorkommend behandelt.

 

Für den Kommissionspräsidenten errichtete man eigens den sogenannten „Türkenbau“, ein Haus von orientalischer Anmutung mit einer Kuppel, von deren Spitze ein türkischer Halbmond strahlte. Wilhelm Mauser und sein Entwicklungsingenieur Fidel Feederle erhielten hohe und höchste Orden aus der Hand des Sultans. Mauser revanchierte sich mit „zwanzig Luxusgewehre(n) mit prachtvollen Gravuren und Gold- und Silbereinlagen, prächtig verpackt in Nussbaumkisten, mit rotem Samt ausgeschlagen.“ (8)

Der "Türkenbau in Oberndorf" errichtet als Residenz für die Abnahmekommission

des Osmanischen Reiches 1888. Aufgrund eines Bombentreffers im zweiten

Weltkrieg wurde das Gebäude 1961 abgerissen.

 

Einige Mitglieder der verschiedenen türkischen Abnahmekommissionen in Oberndorf machten später Bilderbuchkarrieren im Militär und in der Regierung des Osmanischen Reiches, wodurch sie zu Mitwissern oder zu Mittätern des Völkermordes wurden, z.B. Mahmud Schewket Pascha, der erst zum Marschall, dann zum Großwesir, Außen- und Kriegsminister aufstieg und zur Führungsfigur der jungtürkischen Bewegung wurde. Diese hatte Sultan Abdülhamid 1909 in die Verbannung geschickt und die Pogrome an den Armeniern verschärft. 1913 wurde Schewket, dessen Nachfolger Ahmed Izzet Pascha als Großwesir ebenfalls der Oberndorfer Abnahmekommission angehört hatte, von einem Attentäter erschossen.

 

Mahmud Schewket Pascha

 

Die Welt stand am Abgrund des Ersten Weltkriegs. Das Osmanische Reich war dafür hoch gerüstet: fast eine Million Gewehre, Karabiner, Maschinengewehre und Pistolen aus Oberndorf sowie tausende Feldkanonen von Krupp bildeten ihr waffentechnisches Rückgrat. Doch noch zögerten die Türken, an der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten.

Ablauf der Massaker an der armenischen Bevölkerung

 

Die Massaker an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich, angeordnet von Sultan Abdülhamid II., erfolgten in Phasen:

1893/1894: Massenmorde im Gebiet von Sasun als Folge von Strafexpeditionen durch osmanische Streitkräfte zur Eintreibung von Steuern.

1895: Massaker in den armenischen Siedlungsgebieten in Anatolien als Folge von Unruhen in Konstantinopel, ausgelöst durch Reformzusagen des Sultans an die Armenier.

1896: Unruhen in Van mit anschließenden Massakern an Armeniern vornehmlich durch kurdische Banden und Teile der muslimischen Bevölkerung, geduldet durch die dort stationierten osmanischen Streitkräfte.

1915/1916: Deportationen von mehr als einer Million Armenier aus ihren Siedlungsgebieten in die syrische Wüste, durchgeführt von osmanischer Armee und Genarmerie.  Auf dem Weg dorthin wurden Zehntausende von Männern massakriert, die Frauen und Kinder starben an Entbehrung oder verhungerten und verdursteten in der Wüste, wo sie ihrem Schicksal überlassen blieben.

 

Kapitel 2: Der Countdown zum Genozid 1915/16

 

Der Erste Weltkrieg begann auf dem osteuropäischen Schauplatz Ende Oktober 1914 mit dem Angriff der deutsch-türkischen Flotte auf Russland im Schwarzen Meer. Die Flotte unterstand dem deutschen Admiral Wilhelm Souchon. Jetzt gab es auch für die Türken kein Halten mehr. Der Oberbefehlshaber der osmanischen Streitkräfte Enver Pascha hatte der deutsch-österreichischen Entente drei strategische Stoßrichtungen für den Krieg im Nahen Osten vorgeschlagen einen Angriff auf Odessa, auf Ägypten und einen Vorstoß gegen Russland im Kaukasus.

 

Als ersten Schritt plante man, die Russen aus den armenischen Gebieten im Kaukasus zurückzudrängen und die ehemals zum osmanischen Reich gehörenden Gebiete zurück zu erobern. Aber der Winterfeldzug geriet zum Desaster. Die für die Ostfront zuständige III. Armee war dafür unzureichend ausgerüstet – weder gab es geeignete Transportmittel, noch Winterkleidung, noch  ausreichend Essen für die im tiefen Schnee kämpfenden Türken.

 

Ein Großteil erfror, verhungerte oder starb an Krankheiten. Von der rund 100.000 Mann zählenden III. Armee überlebten nur ca. 10.000 Soldaten. Lediglich ein kleiner Teil von ihnen war im Kampf gegen die Russen gefallen, die sich auf der Hochebene von Sarikamis in ihren ausgebauten Stellungen verschanzt hatten. Als sich im Januar 1915 die Nachricht von der vollständigen Niederlage verbreitete, brauchten die türkischen Offiziere und ihr deutscher Kommandeur General Bronsart von Schellendorf dringend einen Sündenbock.

 

Eine Legende wurde gestrickt: Hatte Enver Pascha anfangs noch gesagt, alle Soldaten, also auch die Armenier in den Reihen der osmanischen Armee, hätten tapfer gekämpft, wurde schon bald immer öfter darauf hingewiesen, dass viele Armenier aufseiten der Russen aktiv seien, darunter auch viele Armenier, die von der türkischen auf die russische Seite gewechselt seien.

 

Das Bild vervollständigte sich, als Gerüchte die Runde machten, armenische Soldaten wären desertiert oder hätten sich gar gegen ihre Kameraden gewandt. Dazu passte, dass der armenische Parlamentsabgeordnete Armen Garo noch vor Beginn des Krieges von Konstantinopel nach Tiflis gegangen war und – entgegen den Loyalitätsbekundungen anderer führender Armenier gegenüber dem Osmanischen Reich – dort eifrig armenische Freiwilligenverbände zusammengestellt hatte, die mit den Russen nach Ostanatolien einmarschieren sollten. Armen Garo wurde so zu einer Steilvorlage für die türkische Propaganda.

 

Entscheidender aber war die psychologische Wirkung im Generalstab und die Dolchstoßlegende, die daraus entstand: Zu ihrer eigenen Entlastung behaupteten Enver, Bronsart und Co. bald, der Grund für die Niederlage sei die feindliche armenische Bevölkerung im Rücken der Front gewesen.

 

Diese Legende wurde bis zum Ende des Ersten Weltkrieges immer wieder als Rechtfertigung für die Vertreibung der Armenier aus ihren Siedlungsgebieten in Anatolien und ihre Ermordung herangezogen und als Begründung dafür, dass die deutschen Offiziere in den Generalstäben der türkischen Armee beim nun beginnenden Völkermord an den Armeniern den Mördern nicht energisch in den Arm gefallen waren.

 

Kapitel 3: Mauser- und Krupp-Waffen im Völkermord

 

Es war wie bei fast allen völkermordähnlichen Genoziden im 20. Jahrhundert: Die Mörder hatten wenig Interesse daran, sich bei den Tötungsaktionen fotografieren zu lassen. Filmische Dokumente von den Massakern an den Armeniern sind so gut wie nicht vorhanden. Die darüber vorliegenden Fotos zeigen meist Leichenberge nach den Erschießungen oder Opfer von Tod durch Erhängen.

 

Insofern ist die Aufschlüsselung der Opfer nach der Art des ihnen zugefügten Todes schwierig. Viele wurden zusammengetrieben und erschossen, andere mit Knüppeln erschlagen, mit Säbeln geköpft oder aufs Meer verbracht und über Bord geworfen. Wichtig ist festzuhalten, dass bei fast allen Aktionen des 1915 einsetzenden systematischen Völkermordes durch Vertreiben, Erschießen, Erhängen, Ertränken und Verhungernlassen reguläre türkische Soldaten und Gendarmen – zuweilen auch ihre deutschen Waffenbrüder - beteiligt waren. In der Mehrzahl waren diese mit Mauser-Gewehren oder -Karabinern, die Offiziere mit Mauser-Pistolen bewaffnet.

Eine der wenigen existierenden Aufnahmen von Vertreibungen mit militärischer Gewalt stammt vom April 1915. Es zeigt eine Kolonne armenischer Deportierter aus Harput, unterwegs in ein Gefangenenlager bei Mezireh, in Schach gehalten von türkischen Soldaten mit Mauser-Gewehren.

 

Beobachtungen von soldatischen Teilnehmern an den Gräueln sind beredte Zeugnisse für den Einsatz deutscher Waffen im Genozid. Einige stammen von dem deutschen Major Graf Wolffskehl aus Urfa, einer Stadt mit einem hohen Anteil armenischer Bevölkerung. Dort war es lange Zeit ruhig geblieben. „Anfang August 1915 kamen dann aber zwei ausgewiesene Armenienschlächter aus Diyarbakir nach Urfa und übernahmen dort das lokale Kommando.

 

Zunächst wurden 50 armenische Männer, unter ihnen der Bischof der Stadt, vor die Tore geführt und erschossen…. Die meisten Armenier verschanzten sich in ihren Häusern und gingen möglichst nicht mehr auf die Straße… Die in Urfa stationierte türkische Infanterie sah sich außerstande, das verbarrikadierte armenische Viertel zu erobern, und wandte sich um Unterstützung an das Oberkommando in Aleppo. Am 4. Oktober zog dann der stellvertretende Oberkommandierende der IV. Armee, Fahri Pascha, gemeinsam mit seinem Stabschef Major Graf Eberhard Wolffskehl an der Spitze starker Truppenverbände in Urfa ein. Zur Verstärkung, die Fahri Pascha und Wolffskehl nach Urfa brachten, gehörte auch ein Verband schwerer Artillerie.“ (9)

 

Was dann geschah, schilderte Wolffskehl in einem Brief an seine Frau Sofie-Henriette:

 

„Da hatten sie die der Kirche südlich vorgelagerten Häuser sehr stark besetzt. Als nun unser Artilleriefeuer in diese Häuser einschlug und darin eine Menge tötete, wollten die anderen sich auf die Kirche selbst zurückziehen. Nun liegt die Kirchentür aber auf der Nordseite. Sie mussten also um die Kirche herum über den offenen Kirchhof. Unsere Infanterie hatte aber schon links davon die an den Kirchhof anschließenden Häuser erreicht und schoss nun auf dem Kirchhof die Fliehenden haufenweise nieder. Überhaupt hat sich die Infanterie, die ich zum Hauptangriff benutzte, das II. Bataillon des Infanterieregiments 132, sehr gut gehalten und ist sehr schneidig vorgegangen.“ (10)

 

Graf Wolffskehl hatte schon an der Schlacht am Musa Dagh, dem Mosesberg unweit von Antiochia, teilgenommen, über den der deutsche Schriftsteller Franz Werfel zwischen 1929 und 1933 einen erschütternden dokumentarischen Roman geschrieben hatte. (11) Auch dort waren Krupp-Kanonen im Einsatz gewesen. Etwa 4.500 Armenier, Väter, Mütter und Kinder, hatten sich nach den Massakern im März 1915 in Zeitun aus den armenischen Dörfern des Musa Dagh im August auf das Hochplateau des Berges  geflüchtet und dort verschanzt.

 

Graf Wolffskehl berichtet in einem Brief an seinen Vater:

 

„Morgen geht es wieder los, diesmal nach Antiochia (heute Antakya) und von da an die Küste. Dort brennt es ein bisschen. Es sitzen dort eine Menge Armenier, die dem freundlichen Angebot der Regierung, sie anderweitig anzusiedeln, nur mangelhaftes Verständnis entgegenbringen und sich mit Kind und Kegel und leider auch mit zahlreichen Gewehren und Munition in den Bergen irgendwo zwischen Antiochia und dem Meer festgesetzt haben, in der ausgesprochenen Absicht, sich da nicht vertreiben zu lassen….Nun ist die Schwierigkeit, sie (die Armenier) zu fangen nur die, dass man sie von der Meerseite aus angreifen muss.

 

Dort liegen aber seit 8 Tagen sechs französische Kreuzer, die mit den Aufständischen in Signalverbindung stehen und unsere Truppen, sobald sie sich auf den Meerwärts gelegenen Hängen zeigen, unter ausgiebiges Granatfeuer nehmen, gegen das unsere Feldgeschütze natürlich nicht ankommen können… Zwei Schiffe voll haben die Franzosen schon neulich nach dem Misserfolg des 131. Regiments weggefahren. Wenns nach mir ging, könnten sie ja die ganze Gesellschaft haben. Ich fände es eine glänzende Lösung, wenn so viele Armenier wie möglich das Land verließen unter der Bedingung niemals wiederzukommen. Vorteil hat die Türkei doch nicht von ihnen, sondern nur Schererei.“ (12)

 

Doch als Wolffskehl mit seiner Truppe den Musa Dagh erreicht, sind die Armenier nicht mehr da. Nach 53 Tagen der Belagerung und des Ansturms der Türken können sie den Steilhang des Musa Dagh hinunter an die Küste fliehen. Rettungsboote der französischen und britischen Kriegsschiffe nehmen sie auf, während diese die türkischen Truppen auf den Hängen des Musa Dagh mit ihren Schiffsgeschützen in Schach halten. 4058 Armenier können sich auf diese Weise retten.

 

Bleibt hinzuzufügen: deutsche Exportwaffen lieferten die materielle Grundlage für den Völkermord, deutsche Offiziere die ideologische. Marineattaché Hans Humann, einer der Hardliner im deutsch-türkischen Offizierscorps und enger Freund des in Deutschland ausgebildeten Kriegsministers Enver Pascha, brachte die Rechtfertigung für die Armeniergreuel auf folgenden zynischen Punkt:

 

„Die Armenier werden – aus Anlass ihrer Verschwörung mit den Russen! – jetzt mehr oder weniger ausgerottet. Das ist hart, aber nützlich.“ (13)

 

Ähnlich die Haltung der kaiserlichen Reichsregierung in Berlin.  Die deutsche Presse wurde mit folgendem Erlass der Oberzensurstelle des Kriegspresseamts zum Schweigen verpflichtet:

 

„Über die Armeniergreuel ist folgendes zu sagen: Unsere freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei dürfen auch durch diese innertürkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefährdet, sondern im gegenwärtigen schwierigen Augenblick nicht einmal geprüft werden. Deshalb ist es einstweilen Pflicht, zu schweigen. Später, wenn Direktangriffe des Auslandes wegen ´deutscher Mitschuld´ erfolgen sollten, muss man die Sache mit größter Vorsicht und Zurückhaltung behandeln und stets hervorheben, dass die Türken schwer von den Armeniern gereizt wurden“ (14)

 

Kritik am Völkermord kam einzig von deutschen Diplomaten, wie dem Konsul in Mossul, Walter Holstein, und seinen Kollegen Max-Erwin von Scheubner-Richter in Erzurum und Walter Rößler in Aleppo. Holstein telegrafierte am 10. Juni 2015 an die deutsche Botschaft in Konstantinopel:

 

„614 aus Diyarbakir hierher verbannte armenische Männer, Frauen und Kinder sind sämtlich auf der Floßreise hierher abgeschlachtet worden; die Keleks kamen gestern leer hier an. Leichen und menschliche Glieder treiben seit einigen Tagen im Fluß hier vorbei. Hierher unterwegs befindlichen weiteren armenischen Transporten armenischer ´Aussiedler´ steht das gleiche Los bevor. Hiesiger Regierung habe ich meinen tiefsten Abscheu über diese Verbrechen ausgedrückt.“ (15)

 

Ohne jede Konsequenz, bleibt hinzuzufügen. Ebenso wie eine Protestnote, die der Stellvertreter des deutschen Botschafters Freiherr von Wangenheim, Graf Hohenlohe-Langenburg am 9. August 1915 an die türkische Regierung schickte:

 

„Angesichts dieser Ereignisse sieht sich die Botschaft Deutschlands auf Anweisung ihrer Regierung erneut gezwungen, vor diesen Gewaltakten zu warnen und jede Verantwortung für die Folgen abzulehnen. Die Botschaft sieht sich umso mehr gezwungen, die Aufmerksamkeit der Osmanischen Regierung auf diesen Punkt zu lenken, als die öffentliche Meinung zu glauben geneigt ist, dass Deutschland in seiner Eigenschaft als befreundete und verbündete Macht der Türkei diese Gewaltakte gebilligt oder gar dazu angestiftet hätte.“ (16)

 

Wie sollen die Türken solche Protestnoten auch ernst nehmen, wenn Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg - ebenfalls 1915 - an das Auswärtige Amt schreibt:

 

„Die öffentliche Koramierung (d.h. Maßregelung, d.A.) eines Bundesgenossen während eines laufenden Krieges wäre eine Maßregel, wie sie in der Geschichte noch nicht dagewesen ist. Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht. Bei länger andauerndem Kriege werden wir die Türkei noch sehr brauchen.“ (17)

 

Da erübrigt sich jeder Zweifel an der Mitverantwortung der deutschen Regierung am Genozid. Lohnend ist der Versuch, zu ermitteln, wer die Profiteure des Völkermords waren und wie hoch ihr geschätzter Profit.


Aber das ist ein schwieriges Unterfangen, weil auch hier zuverlässige Unterlagen fehlen und  viele der profitierenden Firmen in den hundert Jahren, die der Genozid zurückliegt, ihre Besitzer gewechselt haben. Machen wir dennoch den Versuch.

 

Kapitel 4: Wer profitierte vom Völkermord?

 

Zusammen mit den Gewehrlieferungen erreichten die Waffenexporte ins Osmanische Reich bereits zwischen 1888 und 1897 große Dimensionen. Darüber gibt eine Dissertation aus dem Jahr 2006 exakte Auskunft.(18)

 

Demnach importierte das Osmanische Reich schon bis 1890 Gewehre, Munition, Geschütze und Pulver für rund 70 Millionen Reichsmark: 46 Millionen für Mauser-Gewehre, 21,5 Millionen für Patronen, 2,3 Millionen für Geschütze und 0,7 Millionen für Pulver.  Auf den Wert des heutigen Euro umgerechnet, waren dies  - nach vorsichtiger Schätzung -  Aufträge in Höhe von über 350 Millionen Euro. Nach 1897 folgten weitere Aufträge an die deutsche Rüstungsindustrie, darunter in größerem Umfang auch für Kriegsschiffe.

 

Mauser-Arbeiter bei der Gewehrmontage (ca. 1893)

 

Bei Mauser kam ein Vertrag über die Lieferung von 100 000 Kisten Munition für das Mauser-Gewehr M/87 von rund 83 Millionen Mark für 100 Millionen Schuss hinzu. Der Kontrakt wurde im selben Jahr mit der deutschen Munitionsfabrik Wilhelm Lorenz in Karlsruhe abgeschlossen, die kurz danach in den Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken A.G. aufging. Die wiederum war mit den deutschen Waffen- und Munitionsfabriken (DW & MF) verflochten. Mauser und die DW & MF bildeten für die Herstellung von Kleinwaffen und Munition einen militärisch-industriellen Komplex, der hinsichtlich seines Tötungspotentials mit Großwaffensystemen von Firmen wie Thyssen und Krupp vergleichbar war.

 

Und so hatte sich der Rüstungskonzern entwickelt: Am Anfang stand der Berliner Industrielle Ludwig Löwe, der 1869 damit begonnen hatte, Nähmaschinen herzustellen. Dazu gründete er die Firma Ludwig Löwe & Co. Da die Nachfrage nach seinen Maschinen zu wünschen übrig ließ, stieg er in das Handwaffen- und Munitionsgeschäft ein und produzierte zunächst ab 1874 Artilleriemunition. Zwischen 1877 und 1883 weitete er sein Geschäft auf Waffen und Munition für die deutsche und russische Regierung aus. Mit seiner Firma ging es beständig aufwärts: Zukauf der Munitionsfirma Lorenz für 6 Millionen  Mark, dann Gründung der Firma Deutsche Waffen und Munitionsfabrik (DW & MF) mit Sitz in Berlin.

 

Übernahmen von Waffen und Munitionsfabriken in anderen Teilen Deutschlands und in Europa folgten: der Fabrikationspark für Maxim-Maschinengewehre, die Firma Mauser – wie erwähnt – und schließlich Beteiligungen an einer Waffenfabrik in Budapest und an der „Fabrique Nationale d´ Armes de Guerre“ in Herstal/Belgien.

 

„Das Ziel der DW & MF bestand darin, alle Arten von Waffen und Munition herzustellen und gewerbsmäßig zu vertreiben. Die Fabrikation des Kriegsmaterials wurde später im Einvernehmen mit dem Patentinhaber auf die Maxim-Maschinengewehre und die Maxim-Maschinen-Geschütze erweitert. Infolgedessen gelang es der Firma, eine Monopolstellung für Handfeuerwaffen wie Gewehre und Karabiner und für die Munitionsproduktion zu erlangen“. (19)

 

Der Unternehmenszweig Mauser der DW & MF profitierte - ungestört von lästiger Konkurrenz - von dieser Monopolstellung bei seinen Geschäften mit der Türkei. Isidor Löwe folgte seinem Bruder Ludwig nach dessen Tod 1886 als Geschäftsführer der AG nach. Wie hoch der Netto-Profit für die DW & MF durch die Türkeigeschäfte war, ist bisher noch nicht ermittelt worden, auch nicht, was die Familie Mauser mit ihrem 7%-Anteil an der AG über die Jahre einstrich.

 

„1896 stammen bereits 48,5 Prozent der Gewehre, die in den Magazinen der türkischen Armee lagern, von der Firma Mauser; bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs dürfte der Anteil den Wert „Zweidrittel“ gewiss erreicht, wenn nicht überstiegen haben.“ (20)

 

Der Kanonen- und Geschützhersteller Krupp konnte anfangs von einer Monopolstellung nur träumen. Er lieferte sich mit seinem Hauptkonkurrenten, den Ehrhardt-Werken in Düsseldorf, zähe Kämpfe um lukrative Aufträge von der osmanischen Regierung. Am Ende siegte immer Krupp. Die Firma hatte die besseren Beziehungen zum Kaiser und dessen Reichsregierung. Die beiden Konkurrenten scheuten nicht davor zurück, ihr Geschacher um das jeweils günstigste Preisangebot bis in den Deutschen Reichstag zu tragen.

 

„Dieser Krupp-Ehrhardt-Gegensatz wurde auch in einer Reichstagssitzung debattiert, in der der Abgeordnete Eickhoff den deutschen Botschafter in Konstantinopel, Marschall von Bieberstein, beschuldigte, seinen Einfluss einseitig für die Firma Krupp geltend gemacht zu haben, obwohl bei den letzten türkischen Bestellungen das Angebot der Ehrhardt-Werke um 17.000.000 Francs niedriger war als das der Firma Krupp...

 

Ein Stahlkern für ein gewisses Geschütz kostet 35 Mark bei der Fa. Krupp zum Jahreswechsel 1897/98, hingegen verlangten die Ehrhardt-Werke für den gleichen Stahlkern nur 30,15 Mark. Der Preis dieses Stahlkerns ging allmählich so weit herunter, dass man ihn für nur 17,20 Mark beziehen konnte. Der Stahlkern für ein 21-cm-kalibriges Geschütz kostete z.B. bei der Fa. Krupp 102 Mark, wohingegen das gleiche Material bei den Ehrhardt-Werken im gleichen Jahr nur 89 Mark kostete. Ungeachtet der Tatsache, dass die Ehrhardt-Werke den Preis auf 67,50 Mark heruntergesetzt hatten, gab das türkische Kriegsministerium den Auftrag auf Druck der deutschen Botschaft der Firma Krupp… Der Abgeordnete  Eickhoff brachte zur Sprache, dass die türkische Leitung bei der Vergabe des Auftrages an die Fa. Krupp korrumpiert wurde.“ (21)

 

Den Armeniern, die 15 Jahre später auf dem Musa Dagh vor dem Geschützfeuer der Türken in Deckung gingen, dürfte es gleichgültig gewesen sein, ob die Schrapnells, die die Körper ihrer Kameraden und Angehörigen zerfetzten, für  102 oder 67 Reichsmark pro Stück eingekauft worden waren. Freude dürfte dagegen beim türkischen Kriegsminister geherrscht haben, der die Konkurrenten um seine millionenschweren Aufträge genüsslich gegeneinander ausspielen konnte, sofern Subalterne im Ministerium den Konkurrenzkampf nicht bereits vorher durch die Annahme der jeweils höchsten Bestechungssumme für sich entschieden hatten.

 

 Welche gewaltigen Gewinne für Krupp angefallen sind, wird aus der Statistik über die Umsätze deutlich, die Krupp bei seinen Türkeigeschäften zwischen 1861 und 1912 erzielt hat: (22)

 

                      Zeitraum                    Summe in Mark

                   1861-1875                       135.999.680

                   1876 -1908                        87.329.000

                   1908 -1912                          2.721.280

                                                ______________________

                                               gesamt: 226.050.629,- Mark

 

Nach heutigem Kaufwert zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro. Die damaligen Aktionäre der Firma Krupp dürften also reichlich Gewinne eingestrichen haben - Profiteure des Völkermords ebenso wie die Aktionäre der DW & MF, die sich später in DWF (Deutsche Waffenfabriken AG) umbenannte. Für die rund 900.000 bis 1909 an die Türkei gelieferten Gewehre  zum Stückpreis von 70 bis 80 Mark betrug der Gesamtumsatz rund 70 Millionen Reichsmark. Dazu kamen die Einnahmen für viele hundert Millionen Patronen, die ein Mehrfaches dieser Summe gekostet haben dürften. Am 28. August 1910 starb Isidor Loewe. Über seine Erben ist nichts bekannt.

 

Nach dem Friedensschluss 1919 in Versailles wurde allen deutschen Rüstungsfirmen die Waffenproduktion verboten. Zum Teil sattelten die Konzerne auf zivile Produkte um, wie z.B. die Firma Mauser auf Rechenmaschinen, Messwerkzeuge, Nähmaschinen und Automobile. Die Maschinen für die Waffenproduktion waren nach Brünn in der Tschechoslowakei gegangen, wo die Firma CZ in der Zwischenkriegszeit die Gewehrproduktion fortsetzte und rund 2,5 Millionen Mauser-Gewehre herstellte. CZ belieferte erfolgreich die alten Mauser-Kunden in Lateinamerika.

 

Unter der Hitler-Regierung, die den Versailler Vertrag im März 1935 gebrochen und unter dem Stichwort „Wiederherstellung der Wehrhoheit“ die allgemeine Wehrpflicht eingeführt hat, beginnt der Wiederaufstieg der Waffenproduktion in Oberndorf. Die Zahl der Beschäftigten steigt auf 9800.

 

Die DWM war 1922 in „Berlin-Karlsruher Industriewerke AG“ umbenannt und 1928 an den Großindustriellen Günther Quandt verkauft worden. In einer Festschrift zum 120-jährigen Bestehen der Gewehrfabrik Mauser im Juli 1938 stattete die Führung der Mauser-Werke Adolf Hitler ihren Dank ab: „Mit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus begann auch der Wiederaufstieg unseres Werkes nach einer Zeit des Niedergangs und der Bedrückung. Nie werden wir die Jahre vergessen, in denen ein erpresster Vertrag unsere Werke schutzlos den brutalen Eingriffen einer interalliierten militärischen Kontrollkommission aussetzte, deren Ziel es war, die Mauser Zivilproduktion (ca. 1935)        Mauser-Werke völlig zu vernichten.

 

Diese Erinnerung soll uns die Größe unserer Verpflichtung vor Augen stellen, dem Mann gegenüber, der uns alle aus Schmach und Schande wieder zur Ehre und Ansehen erhob, die deutsche Industrie von drückenden Ketten befreite und dem deutschen Arbeiter wieder Arbeit und Brot gab, unserem Führer Adolf Hitler. Der Aufsichtsrat und Vorstand der Mauser-Werke A.G.“ (23).

 

Die Reverenz galt einem Mann, der kurz vor dem Angriff auf Polen 1939 in einer Rede vor den Oberbefehlshabern der Streitkräfte, ganz in der Tradition von Feldmarschall von der Goltz, folgendes gesagt hatte: „Ich habe den Befehl gegeben….dass das Kriegsziel nicht im Erreichen von bestimmten Linien, sondern in der physischen Vernichtung des Gegners besteht. So habe ich, einstweilen nur im Osten, meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidlos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“ (24)

 

Der Armenien-Genozid also als Blaupause für Hitlers Eroberungskrieg im Osten. Und auch Mauser ist wieder mit dabei. Die Firma am Neckar produziert neben Gewehren und Pistolen Millionen Karabiner vom Typ 98 k, der Ordonnanzwaffe der Deutschen Wehrmacht, mit der an allen Fronten in Europa, Nordafrika und Vorderasien Millionen Menschen getötet oder verwundet werden. Ähnliches gilt für Krupp mit seinen Kanonen und Panzerplatten.

 

Kapitel 5: Was wurde aus den Drahtziehern des Völkermords und ihren Helfershelfern?

 

In der historischen Forschung werden vor allem drei türkische Generäle für die Planung und Durchführung des Genozid der Jahre 1915 bis 1917, dem rund 1,2 Millionen Armenier zum Opfer fielen, verantwortlich gemacht: Enver Pascha, der Kriegsminister, Dschemal Pascha, der Oberbefehlshaber der IV. Armee und Generalgouverneur für Syrien, und Talaat Pascha, der Innenminister und Oberbefehlshaber der türkischen Gendarmerie, die die Todesmärsche der  Armenier  in das Nichts der syrischen Wüste begleitete und bewachte und sich unterwegs an Massakern beteiligte.

 

alle drei waren nach dem Waffenstillstand in Mudros, der für das Osmanische Reich das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete, zu ihren alten Waffenbrüdern nach Berlin geflüchtet, um sich drohenden Gerichtsverfahren der Entente-Mächte zu entziehen.

 

Alle drei  büßten auf ihre Weise für ihre Haupttäterschaft am Genozid: Enver, der sich seinem Traum von einem großtürkischen Reich unter Einschluss der Turkvölker in Vorderasien nach der Vertreibung  und Vernichtung der Armenier näher fühlte denn je, wurde bei einer Kavallerie-Attacke gegen sowjetische Truppen 1922 in der Nähe von Duschanbe, der heutigen Hauptstadt Tadschikistans,  vom Pferd geschossen. Talaat Pascha  fiel am 15. März 1921 in der Berliner Hardenbergstraße einem Attentat der armenischen Geheimorganisation Nemesis zum Opfer. Ebenso wie der dritte im Bunde, Dschemal Pascha. Er war Enver von Berlin aus nach Mittelasien gefolgt, wo er den Krieg gegen Großbritannien fortsetzen wollte. Am 21. Juli 1921 wurde er in der georgischen Hauptstadt Tiflis von zwei Nemesis-Attentätern erschossen.

 

Auch von den deutschen Mittätern im türkischen Generalstab und den deutschen Waffenschmieden in Oberndorf, Berlin und Essen kam keiner je vor Gericht – weder Generalfeldmarschall von der Goltz, noch Generalstabschef Fritz Bronsart von Schellendorf, Marineattaché Hans Humann und der Stabschef der III. Armee Felix Guse, die die Vernichtung der Armenier für „hart, aber nützlich“ erklärt und die todbringenden Deportationspläne zum Teil selbst ausgearbeitet hatten. Generalfeldmarschall von der Goltz starb am 19. April 1916 an einer Typhus-Infektion in seinem Hauptquartier in Bagdad. Viele andere Generäle aus der deutschen Militärmission in Konstantinopel oder aus den Stäben der verschiedenen türkischen Armeen setzten ihre Militärkarrieren nach dem Genozid fort.

 

 

 

Paul von Mauser, vielfach geehrt und am Ende seines Lebens Abgeordneter des Deutschen Reichstags,war kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs gestorben,sein langjähriger Chef an der Spitze der Deutschen Waffenfabriken DWF, Isidor Loewe, bereits 1910.

 

Es sollte 100 Jahre dauern, bis ein deutsches Staatsoberhaupt, nämlich Bundespräsident Joachim Gauck, zum Jahrestag des Beginns des Genozids am 23. April 2015 im Berliner Dom an die Mitverantwortung der deutschen Generäle und des Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg am Völkermord erinnerte. Allerdings erwähnte er nicht die immensen deutschen Waffenlieferungen, die den Genozid erst ermöglicht hatten. (25)

 

Von den beiden hauptbeteiligten Waffenfirmen, nämlich Mauser und Krupp, kam nie ein Wort des Bedauerns – weder nach dem Zweiten Weltkrieg vom Rechtsnachfolger der Mauser-Werke, der Nürnberger Waffenfirma Diehl, noch von der Firma Rheinmetall, die Mauser im Jahr 2004 übernahm und in „Rheinmetall Defence – Waffe und Munition“ umbenannte. Das Firmenlogo „Mauser“ verschwand nach 132 Jahren. In der offiziellen Firmengeschichte der Mauser-Werke, nachzulesen auf der Rheinmetall-Homepage im Internet (26), wird der Völkermord mit keiner Silbe erwähnt, und auch die Möglichkeit einer - wenn auch nur symbolischen - Wiedergutmachung für Hunderttausende armenische Familien wird nicht erwogen, so wenig wie für Tausende ausländischer Zwangsarbeiter, die im Zweiten Weltkrieg unter menschenunwürdigen Bedingungen  in der deutschen Waffenproduktion schuften mussten.

 

„Man muss diese Zeit auch einmal vergessen können“ sagte der Geschäftsführer der Mauser-Werke 1983 in einem Interview für den Dokumentarfilm „Fern vom Krieg“ (27) auf die Frage nach materiellen Entschädigungen für die Opfer der Zwangsarbeit. Eine selbst erteilte Generalamnestie durch Generalamnesie sozusagen. Die Tausenden mit Mauser-Waffen Ermordeten im Armenien-Genozid fand der Mauser-Geschäftsführer schon damals keiner Erwähnung wert.

 

Kapitel 6: Gibt es Parallelen zu Kriegen und völkermordähnlichen Aktionen von heute?

 

Ziemlich exakt 100 Jahre nach dem Beginn des Genozids in Armenien, am 26. März 2015, startete eine von Saudi-Arabien geführte Militärallianz, der neben den Saudis auch Ägypten, Bahrain, Katar, Kuweit, die Vereinten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und später auch Senegal angehören, unter dem Namen „Operation Decisive Storm“ eine Militärintervention gegen den Jemen.

 

Dort hatten islamistische Rebellengruppen wie die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz den amtierenden Staatspräsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi ins Ausland vertrieben und die Hauptstadt Sanaa erobert. In die Kämpfe griffen auch jemenitische Separatisten zusammen mit dem sog. Islamischen Staat und Gruppierungen der Al Quaida ein. Seither tobt ein Bürgerkrieg, in dem nach Zählungen des UN-Menschenrechtsrats mehr als 5000 Zivilisten ums Leben kamen, darunter 1200 Kinder.

 

Noch schlimmer: sieben Millionen Menschen sind von einer Hungersnot bedroht, 14,5 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Eine Choleraepidemie ist ausgebrochen. Rund 600.000 Menschen (Stand April 2017) sind bereits an Cholera erkrankt, 2000 bis 4000 daran gestorben.

 

Saudi-Arabien hat – auch mit Hilfe jüngst gelieferter deutscher Patrouillenboote - gegen den Jemen eine Seeblockade verhängt. Nahrungsmittel und Medikamente kommen seither nicht mehr oder nur über Umwegen ins Land. Jemens Infrastruktur ist weitgehend zerstört – Saudi-Arabische Kampfflugzeuge vom Typ Tornado und Eurofighter fliegen fast täglich Luftangriffe gegen die Stellungen der Huthi-Rebellen und Islamisten. Viele Zivilisten kamen und kommen dabei ums Leben. Jemen wird belagert und ausgehungert, beklagen internationale Hilfsorganisationen.

 

Die Militärkoalition hat den wichtigsten Hafen für den Import zerbombt und verhindert seit anderthalb Jahren, dass Maschinen am Flughafen Sanaa landen. „Mit modernsten Waffen wird eine mittelalterliche Belagerungstaktik durchgesetzt und ein ganzes Volk ausgehungert. Stärker als die Kämpfer, die sich mit Waffengewalt nehmen, was sie brauchen, trifft die Blockade die Bevölkerung“, kommentierte die Süddeutsche Zeitung. (28) Mehr als 80 Prozent der Jemeniten seien auf Unterstützung durch Nahrungsmittel und Medikamente angewiesen. Weil die aber nicht gewährleistet werden könne, hungerten an der Südspitze der Arabischen Halbinsel sieben Millionen Menschen.

 

Es droht ein Völkermord durch gewaltsame Verhinderung von Hilfe, der den Armenien-Genozid in den Schatten zu stellen droht, wenn noch mehr Menschen verhungern oder an Infektionskrankheiten sterben. Aber auch jenseits der vorläufigen Opferbilanz gibt es zwischen den beiden Ereignissen starke Parallelen:

 

1. Wieder schaut die Weltöffentlichkeit weg. Die Jemeniten sind niemandes Bündnispartner, haben kaum nennenswerte Bodenschätze wie Öl. Das Armenhaus der arabischen Welt wird ignoriert, wie seinerzeit die Armenier, die auch keine Bundesgenossen hatten. Die Saudis und die Vereinten Arabischen Emirate dagegen sind für den Westen von höchstem strategischen Wert – wie das Osmanische Reich 1913 als Bündnispartner der Deutschen und Österreicher im heraufziehenden Ersten Weltkrieg.

 

2. Wie im Krieg der Osmanen gegen die Armenier sind deutsche Waffen im jetzigen Konflikt an vorderster Front im Einsatz. Saudis und Katarer kämpfen mit deutschen Waffen gegen die Islamisten. Neben Patrouillenbooten und Kampfflugzeugen aus deutscher und deutsch-europäischer Gemeinschaftsproduktion sind auch Heckler & Koch - Sturmgewehre vom Typ G3 und G36 im Einsatz, nach unbestätigten Meldungen sogar katarische Panzer vom Typ Leopard II.

 

Deutsche Firmen lieferten bereits in den Jahren vor 2015 Ersatzteile und Munition in großen Mengen. Laut Bundesregierung wurden allein im ersten Halbjahr 2016 Rüstungsgüter im Wert von knapp 484 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt, unter anderem Hubschrauber und Teile für Kampfflugzeuge. (29)

 

Alle Bundesregierungen seit Helmut Kohls schwarz-gelber und Gerhard Schröders rot-grüner Koalition waren an der Aufrüstung Saudi-Arabiens maßgeblich beteiligt – nach den USA und Großbritannien war und ist die Bundesrepublik auch unter Kanzlerin Merkel der drittgrößte Waffenlieferant des saudischen Königreichs.

 

 Statt Mauser jetzt Heckler & Koch, statt Krupp jetzt Krauss-Maffei-Wegmann. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn zwischen den beiden Hegemonialmächten Saudi-Arabien und Iran ein offener Krieg ausbricht. Dann sind deutsche Waffen wieder auf beiden Seiten involviert, wie schon im irakisch-iranischen Krieg von 1980 bis 1988, in dem über eine Million Soldaten und Zivilisten ihr Leben verloren.

 


Waffentypen, die geliefert und beim Genozid an Armeniern eingesetzt wurden

 

·    Zur Zeit des ersten Weltkrieges war das Osmanische Reich hoch gerüstet: fast eine Million Gewehre, Karabiner, Maschinengewehre und Pistolen von MAUSER aus Oberndorf sowie tausende Feldkanonen von Krupp in Essen bildeten ihr waffentechnisches Rückgrat.

 

·    In der Mehrzahl waren die regulären türkischen Soldaten und Gendarmen mit Mauser-Gewehren oder -Karabinern bewaffnet, die Offiziere mit Mauser-Pistolen.

 

·    Im Verlauf des Produktionsprozesses kam es zu mehreren Modifikationen des Gewehres M/87: erst das M/89 und schließlich das M/90, ein Repetiergewehr mit Mittelschaftsmagazin für Nitropulverpatronen des Kalibers 7,65 mm. Ein Gewehrtyp, von dem für die Kavallerie eigens kurzläufige Karabinermodelle hergestellt wurden.

 

·    Zwischen 1885 und 1912 lieferte Krupp Hunderte Feldkanonen vom Typ L 20, 24, 27 sowie L 30 und 50 mit Kalibern von 7,5 und 8,7 cm; Küstenkanonen vom Typ L35 und KL 35 mit Kalibern von 24 und 35 cm und Mörser des Typs L 6.3, L 6,4 mit Kalibern von 12 bis 21 cm an das Osmanische Reich. Hinzu kamen Panzerungen für Kriegsschiffe.

 

Quelle:

Fahri Türk, Die deutsche Rüstungsindustrie in ihren Türkeigeschäften zwischen 1871 und 1914, Frankfurt am Main 2004


Firmenprofile

 

Firmenprofil: Mauser-Werke, Oberndorf

(heute Rheinmetall Defence / Rheinmetall AG)

 

Am 31. Juli 1811 beschließt König Friedrich I. von Württemberg, in dem fünf Jahre zuvor säkularisierten Augustinerkloster in Oberndorf am Neckar eine Gewehrfabrik einzurichten. Die Fabrik untersteht der Aufsicht des königlichen Kriegsministeriums.

 

1834 wird Wilhelm Mauser in Oberndorf geboren, 1838 sein Bruder Paul. Nach Abschluss der Elementarschule tritt Wilhelm Mauser als Lehrling in die königliche Gewehrfabrik ein, 1852 folgt ihm Paul. Beide Brüder arbeiten nach ihrer Lehrzeit in der Waffen-entwicklung und konstruieren gemeinsam ein neues Hinterladergewehr, das ab 1867 in Serie gebaut wird. Nach vorübergehendem Aufenthalt in der Gewehrfabrik Lüttich kehren die Brüder nach Oberndorf zurück und konstruieren ein neues Gewehr, das 1871 als „deutsches Infanteriegewehr M/71“ angenommen wird.

 

Die Brüder erhalten vom preußischen Staat 8000 Taler als erste Abfindung für ihre Waffenentwicklung. 1872 kaufen Wilhelm und Paul Mauser ein Grundstück in Oberndorf und beginnen mit der Errichtung einer eigenen Gewehrfabrik. Die Brüder machen gute Geschäfte mit einem für das M/71 entwickelten Visier und sammeln so Kapital für die Beschaffung von Maschinen für die Serienfertigung des M/71. Sie gründen die Firma „Gebrüder W. & P. Mauser“ und erhalten den Auftrag zur Lieferung von knapp 100.000 Gewehren für die württembergischen Truppen. Mit den Einkünften aus diesem Auftrag sind sie in der Lage, die königliche Gewehrfabrik für 200.000 Gulden zu kaufen.

 

Weitere Bestellungen des M/71 durch das preußische Kriegsministerium folgen. Kurz darauf erhalten sie Aufträge aus China  (26.000 Gewehre) und Serbien (120.000). Die Betriebsstätten in Oberndorf werden erweitert.1882 stirbt Wilhelm Mauser, sein Bruder Paul wird alleiniger persönlich haftender Gesellschafter.

 

1884 wird ein verändertes Mausergewehr mit Röhrenmagazin für acht Patronen als deutsches Infanteriegewehr M/71.84 von den preußischen Truppen eingeführt. Die Kommanditgesellschaft „Gebrüder Mauser & Cie. wird in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt und heißt fortan „Waffenfabrik Mauser“. Persönlich haftende Gesellschafter sind Paul Mauser und Alfred Kaulla von der Württembergischen Vereinsbank. Paul Mauser übernimmt 334 Aktien, die Vereinsbank die übrigen 1666. Weitere 19.000 Infanteriegewehre werden von der königlichen Gewehrrevisionskommission in Oberndorf bestellt.

 

Doch der große Durchbruch kommt 1887: Mauser erhält vom osmanischen Kriegsministerium in Konstantinopel den Auftrag, 500.000 Repetiergewehre und 50.000 Kavalleriekarabiner für die türkisch-osmanische Armee herzustellen. Aktiv beteiligt an der Durchsetzung dieses Auftrags gegen starke europäische und amerikanische Konkurrenz ist der preußische General Colmar Freiherr von der Goltz, der den türkischen Generalstab berät und an türkischen Kriegsschulen als Lehrer für Strategie und Taktik arbeitet. Da die Gewehrfabrik Mauser diesen Auftrag nicht allein bewältigen kann, verkauft die Württembergische Vereinsbank fünf Sechstel ihres Aktienbestands für zwei Millionen Reichsmark an den Waffenhersteller Ludwig Loewe & Co in Berlin. Paul Mauser behält das restliche Sechstel und bleibt als Technischer Direktor im Unternehmen, wo er weiter an Innovationen tüftelt.

 

Das Gewehr M/87 ist zunächst das Ergebnis, dicht gefolgt vom Modell M/93, beide Modelle mit Verbesserungen bei der Schussfrequenz und der Treffsicherheit. Die türkische Armeeführung schickt eine Abnahmekommission nach Oberndorf - insgesamt 19 Offiziere, die den Herstellungsprozess überwachen sollen. Auch  General von der Goltz gibt sich in Oberndorf die Ehre und berichtet dem Sultan laufend vom Fortgang der Arbeiten. In der Adventszeit 1893 werden die letzten der 550.000 Gewehre und Karabiner in das Osmanische Reich geliefert.

 

Ein weiterer Auftrag über 200.000 Gewehre des verbesserten Typs M/93 folgt. Bei einem Stückpreis von 71 Mark multipliziert sich das Auftragsvolumen auf über 14 Millionen Mark. Paul Mauser wird ob seiner Verdienste für die württembergische Wirtschaft vom König geadelt: er darf das „von“ in seinem Namen führen. „1896 stammen bereits 48,5 Prozent der Gewehre, die in den Magazinen der türkisch-osmanischen Armee lagern, von der Firma Mauser. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, in dem die Türken auf vielen Schauplätzen im Vorderen Orient an der Seite ihrer deutschen Waffenbrüder kämpften, dürfte sich dieser Anteil auf den Wert „Zweidrittel“ gesteigert haben.“ (1)

 

Leidtragende waren nicht nur die Hunderttausenden Kriegstoten auf beiden Seiten der Front, sondern auch das armenische Volk, dessen fast totale Auslöschung auch mit Mauser-Waffen betrieben wurde.

 

Isidor Loewe, der Mehrheitseigner bei Mauser, schuf mit den „Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken“ (DWM) einen Mammutkonzern, in den alle in seinem Besitz befindlichen oder von ihm kontrollierten Gewehr- und Munitionsfabriken eingebracht wurden. „Der Profit aus den Waffen- und Munitionsgeschäften war enorm und konnte durch Konzentration und gemeinsame Verwaltung noch gesteigert werden. Die Dividende stieg von 4% (1879) auf 10% (1882), um dann im Jahr des Türkeigeschäfts von 12% auf die ungewöhnliche Höhe von 24% im Jahr der Gesellschaftsumwandlung (1896) zu klettern.“ (2)

 

Die DWM war aber auch noch in anderen Teilen der Welt erfolgreich. Südamerika bot sich als günstiges Absatzgebiet an, da für den Aufbau der dortigen Armeen und besonders mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht Gewehre, Karabiner und Pistolen benötigt wurden. Vor allem Argentinien, das mit dem Nachbarland Chile wegen einer offenen Grenzfrage im Streit lag, wollte mit der Beschaffung moderner Gewehre, Karabiner und Pistolen militärische Macht demonstrieren. 120.000 Mauser-Gewehre wurden daraufhin bei Loewe bestellt, zu liefern in mehreren Tranchen.

 

Da das argentinische Heer 1892 nur rund 6500 Mann umfasste, argwöhnten die Chilenen, es würde bald drastisch vergrößert, um in einem drohenden Krieg mit Chile die Oberhand zu gewinnen. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Chilenischen Generalstab und auf Druck des deutschen Heeresinstrukteurs, des Generals Bernhard Emil Körner, der in Chile eine ähnlich starke Position hatte wie General von der Goltz in der Türkei, orderten die Chilenen 50.000 Gewehre und 10.000 Karabiner mit je 300 Schuss Munition. „In der Folgezeit - von 1895 bis 1902 - waren die deutschen Rüstungsindustriellen erfolgreich bemüht, die argentinisch-chilenischen Spannungen hochzuspielen und sie in klingende Münze umzuwandeln...“ (3)

 

Alle diese Geschäfte wurden in den Schatten gestellt vom Bedarf an Waffen und Munition im Ersten Weltkrieg. Paul von Mauser und Isidor Loewe erlebten diesen Auftragsboom nicht mehr mit. Loewe starb 1910, Mauser vier Jahre später. 1928 wurden die ehemaligen Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken vom Großindustriellen Günther Quandt übernommen, der sie in die Hochrüstung für den Zweiten Weltkrieg führte. 1945 war auch für Oberndorf das Jahr des völligen Zusammenbruchs. Erst mit der Aufstellung der Bundeswehr ab 1949 begann auch in der Neckarstadt wieder die Waffenproduktion.

 

Das Werk im Besitz der Familie Quandt wechselte1979 erneut den Eigentümer. Vom Nürnberger Waffenkonzern Diehl gekauft, verlagerte sich die Produktion bei Mauser auf die Herstellung von Bordkanonen für Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe. 2004 schließlich wurde die Firma von Rheinmetall - Waffe und Munition übernommen.

 

Seither werden in Oberndorf Kanonen im Mittelkaliber-Bereich (um die 30mm Geschossdurchmesser) und die dafür geeignete Munition produziert. „Seit den 1990er Jahren machte vor allem das Marine-Leichtgeschütz MLG 27 mit der dazugehörigen 27-mm-FAPDS-Munition von sich reden. Außerdem entschied sich 1997 die Bundeswehr in Kooperation mit Großbritannien, Italien und Spanien für die Einführung des „Eurofighter 2000“, der mit einer leistungs-gesteigerten BK 27 (d.h. Bordkanone, Anmerkung d.A.) mit gurtgliedloser Zuführung von Mauser ausgestattet werden sollte. Die konsequente Aufteilung der Aktivitäten des Defence-Bereichs von Rheinmetall in Produktbereiche und die damit verbundene Konzentration auf den Namen Rheinmetall führte im Jahre 2004 dazu, dass der Name „Mauser“ nach 132 Jahren als Firmenname verschwand. Das Wort „Mauser“ wird aber in der Werksbezeichnung weiterleben“. (4) 

 

Das Mauser-Erbe der Gewehrproduktion hatte in den 1950er Jahren die Firma Heckler & Koch übernommen, die von drei ehemaligen Mauser-Ingenieuren gegründet worden war. Ihr G3-Gewehr wurde in ähnlich hohen Stückzahlen in die ganze Welt verkauft wie die Mauser-Gewehre vor dem Ersten Weltkrieg.

 

Quellen:

(1) Andreas Kussmann-Hochhalter, Halbmond über Oberndorf - Der Fabrikant vom Neckar, der Sultan vom Bosporus und ihre Geschichte, hrsg. vom Museum im Schwedenbau, Oberndorf 2015

(2) Jürgen Schäfer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika, Bertelsmann Universitätsverlag Düsseldorf, 1974

(3) ders., a.a.O.

(4) Rheinmetall Defence, Zwei Jahrhunderte industrielle Waffenfertigung

Link: https://www.rheinmetall-defence.com/de/rheinmetall_defence

 

Firmenprofil: Die Krupp-Werke und Thyssenkrupp AG, Essen

 

Von Wolfgang Landgraeber und Bernhard Trautvetter

 

Die Krupp-Werke stiegen in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zum dominierenden Waffenlieferanten des Deutschen Reichs auf und verhalfen dem 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreich zum Rang einer europäischen Großmacht. „Ab Mitte des 19. Jahrhunderts baute die Essener Fabrik Stahlgeschütze, die weiter und genauer zielten als die herkömmlichen Eisen- und Bronzemörser. Zum Bekanntesten der zahlreichen Geschütztypen wurde der 42-Zentimeter-Mörser, die >Dicke Bertha<.“ (1)

 

Krupp-Waffen gingen nicht nur an Deutschlands Armee, sondern sie fanden weltweit Absatz, auch im Osmanischen Reich und in Südamerika. Vor allem Kriegsschiffe wie die mit Kruppstahl gepanzerten ‚Goeben’ und ‚Breslau’ spielten eine für das Osmanische Reich zentrale Rolle:

 

Die ‚Goeben’ katapultierte die Türkei an der Seite Deutschlands in den Ersten Weltkrieg. Sie machte das Schwarze Meer praktisch zu einem deutschen Binnengewässer und verlegte den Russen den Zugang zum Mittelmeer. Sie provozierte indirekt die alliierte Landung bei Gallipoli (Dardanellen), wo 252.000 Engländer und Franzosen umkamen oder verwundet wurden. Und all das geschah, obwohl die Briten und Franzosen bei Kriegsausbruch das Mittelmeer beherrschten. Die ‚Goeben’ (1013 Mann Besatzung) und der Geschützte Kreuzer ‚Breslau’ (373 Mann Besatzung) waren im Sommer 1914 die beiden einzigen Kriegsschiffe, die des Kaisers Traum von deutscher Seegeltung im Mittelmeer verkörperten.“ (2) Das Kaiserreich verkaufte 1910 die spätere „Torgud Reis“, vormals „SMS Weißenburg“ - ein mit Krupp-Stahl ausgestattetes Panzerschiff der Kaiserlichen Marine - an das Osmanische Reich.

 

Die stählernen 28 cm-Geschütze der Marineschiffe dieser Klasse waren ebenfalls Produkte der Firma Krupp, wie auch die Geschütze an der Festung der Dardanellen an der Meerenge des Bosporus. „Die Geschütze stammten fast ausschließlich aus deutscher Produktion, und deren Anlieferung konnte noch bis Mitte 1914 auf dem Seeweg von Deutschland stattfinden. Der Einbau der schweren Kanonen unter Leitung deutscher Spezialisten erforderte großen Aufwand. Manche Festungen wurden regelrecht um die Waffen herum gebaut.

 

Oberst Colmar Freiherr von der Goltz wurde von Kaiser Wilhelm unter anderem damit beauftragt, dem Osmanischen Reich Krupp-Kanonen anzubieten. Alfred Krupp selbst betrachtete deutsche Diplomaten in der Türkei als seine Verkäufer“. (3) Von der Goltz hatte zuvor bereits die Lieferung großer Mengen von Mauser-Gewehren beim Sultan durchgesetzt. Und so gelang es ihm, neben dem Gewehr-Monopol ein zweites für Kanonen und Geschütze im Osmanischen Reich zu schaffen - auf Kosten der zuvor in diesem Marksegment dominierenden französischen und englischen Waffenproduzenten.

 

In der Essener Villa Hügel der Krupps gaben sich in jener  Zeit „die Mächtigen dieser Erde die Ehre. Unter Kaiser Wilhelm II. wurde das Unternehmen Krupp zur Waffenschmiede des Deutschen Reichs. Der Kaiser weilte häufig zu Besuch. In der Villa erwarteten ihn eigene Räume, nur für ihn reserviert.“ (4)

 

In dieser Zeit wuchs Krupp zum Weltkonzern. „Der Eisenbahn-Aufschwung des 19. Jahrhunderts, riesige Hochöfen und damit verbunden eine sprunghafte Ausdehnung der Stahlproduktion, innovative Produkte wie das nahtlose Stahlrad und Schiffschrauben und sog. Krupp-Panzerungen für Marine-Schiffe, sowie das Waffengeschäft mit Geschützen und Kanonen, all das machte Krupp vor dem ersten Weltkrieg zu Europas größtem Konzern und Deutschlands Rüstungslieferanten. Allein in Essen, dem Stammsitz der Krupps, beschäftigte der Konzern schon damals 40.000 Arbeitskräfte.“ (5)

 

Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach ist zuerst als Mitglied des Aufsichtsrat und später als Aufsichtsratsvorsitzender des Industrieunternehmens Krupp maßgeblich für die Ausrichtung vieler Geschäfte – auch mit dem Osmanischen Reich – als Hauptverantwortlicher zu betrachten.

 

Er hatte als Sekretär an der preußischen Gesandtschaft beim Vatikan die älteste Tochter und Alleinerbin des Industrie-Unternehmens Bertha in Rom kennengelernt. Nach der Eheschließung  der beiden 1906 war es Kaiser Wilhelm II. wichtig, dass der Name Krupp in der Ahnenreihe des Industriebetriebes nicht verlorenging. In einem königlich-preußischen Erlass verkündete er, dass das Ehepaar im Falle von Bertha ‚Krupp von Bohlen‘ und im Falle von Gustav ‚Krupp von Bohlen und Halbach‘ zu nennen sei.

 

Entsprechend dem Testament von Friedrich Alfred Krupp war das Unternehmen nach dessen Tod (1902 im Folgejahr 1903) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, deren Aktien Bertha zu 99,9 % erhalten sollte. Das Anfangskapital betrug  ca. 40 Mio. Dollar. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatte sich diese Summe schon fast verdoppelt.

 

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wurde nach der Eheschließung 1906 Mitglied des Aufsichtsrates der der Friedrich Krupp AG, und 1909 wurde er Vorsitzender des Aufsichtsrats. Die Karriere der Krupps zeigte die engen Verflechtungen des Kaiserreiches, des Staatsapparates mit seinen vielfältigen Vernetzungen und der Industrie, dabei prominent mit dem Haus Krupp. 1910 wurde Gustav Krupp von Bohlen und Halbach Mitglied in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Nachdem das Deutsche Reich Anfang August 1914 mit den Kriegserklärungen gegen Russland und Frankreich den Ersten Weltkrieg ausgelöst hatte, konzentrierte das Unternehmen seine Produktion unter der Führung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach weitgehend auf Rüstung.

 

Dass die Firma Krupp von den Deportationen und den Mordaktionen an der armenischen Minderheit  im Osmanischen Reich gewusst haben musste, legen zeitgenössische Quellen nahe: „An der Logistik der Deportationen war auch das deutsche Militär beteiligt, wie es ein von Oberstleutnant Böttrich, dem Chef des Verkehrswesens (Eisenbahn-Abteilung) im türkischen Großen Hauptquartier, im Oktober 1915 unterzeichneter Deportationsbefehl zeigt, von dem armenische Arbeiter der Bagdadbahn betroffen waren. Die Bagdadbahn selbst und die Anatolische Eisenbahn dienten auch schon vorher dem Transport gefangener Armenier.“ (6) Die Firma Krupp war am Bau der Bagdad-Bahn unmittelbar beteiligt.

 

Dass Krupp Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auch bei der Aufrüstung lateinamerikanischer Länder eine erhebliche Rolle spielte, hat der Historiker Jürgen Schäfer nachgewiesen. (7) In Bolivien, Argentinien und Chile hatten deutsche Heeresinstrukteure bereits vor 1890 damit begonnen, die Streitkräfte zu reorganisieren und zu modernisieren. Deutsche Waffen, vor allem Mauser-Gewehre und Krupp-Kanonen, die sich bei Vergleichsschießen gegen europäische Konkurrenten durchgesetzt hatten, spielten bei dieser Modernisierung eine erhebliche Rolle und halfen mit, den preußisch-deutschen Einfluss in den Militärführungen dieser Länder zu festigen und dort ein Gewehr- und Kanonenmonopol zu schaffen. Krupp blieb auch nach der Verschmelzung mit dem Stahlkonzern Thyssen zur „Thyssenkrupp AG“ einer der wichtigsten Waffenproduzenten und -Exporteure Deutschlands und Europas.

 

Heute präsentiert sich Thyssenkrupp auf seiner Konzern-Website als ein diversifizierter Industriekonzern mit dem Schwerpunkt Stahlverarbeitung mit weltweit mehr als 158.000 Beschäftigten an 500 Standorten in 79 Staaten. Die Produktpalette umfasst – neben dem militärischen Schiffbau – offiziell Bau, Gebäude, Infrastruktur, Bergbau, Metall, Chemie, Energie, Haushaltsgeräte, Lebensmittel und Getränke, Luftfahrt, Maschinen- und Anlagebau, Öl/Gas, Sonderfahrzeuge.

 

Offizieller Umsatz nach 2018 fortgeführten Aktivitäten: ca. 41,5 Mrd. Euro. (8)

Die Struktur der Anteilseigner wird wie folgt angegeben:

 

20,93 %

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (AKBH)

15,08 %

Cevian Capital

3,06 %

BlackRock

2,98 %

Franklin Mutual Adviser

57,95 %

Streubesitz

 

Vorstandsvorsitzender: Heinrich Hiesinger

Aufsichtsratsvorsitzender: Ulrich Lehner

 

Gewinn vor Zinsen und Steuern (Prognose 2017): 1,8 bis 2,0 Mrd. Euro. (9)

 

Quellen:

(1) [https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Mil%C3%A4rmissionen_im_Osmanischen_Reich#cite_note-Brauns96-97_kap5-5-3-46]

(2) [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46274324.html]

(3) William Manchester, Krupp. Chronik einer Familie, München 1982, S.166

(4) [http://www.deutschland-lese.de/index.php?article_id=675]

(5) [http://www.essener.org/krupp.htm].

(6)  Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord. Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, Berlin 2015

(7) Jürgen Schäfer, Deutsche Militärhilfe an Südamerika - Militär- und Rüstungsinteressen in Argentinien, Bolivien und Chile vor 1914, Düsseldorf 1974

(8) [https://www.thyssenkrupp.com/de/unternehmen/]

(9) https://www.thyssenkrupp.com/de/investoren/strategie/prognose-20162017/

 

Weitere Angaben:

https://www.thyssenkrupp.com/media/investoren/facts_figures_2/praesentationen_und_veranstaltungen/konferenzen/2015_20016/thyssenkrupp_2

 

Täterprofil: Goltz, Colmar Freiherr von der;

 

Generalfeldmarschall

 

Biografische Angaben

 

Geboren wurde Goltz am 12. August 1843 in Adlig Biekenfeld im ostpeußischen Kreis Labiau. Er wuchs auf dem Gut Fabiansfelde bei Preußisch Eylau auf, das sein Vater nach dem Verkauf des Gutes Biekenfeld erworben hatte. 1861 ging Goltz zur Infanterie und machte dort eine steile Karriere: ab 1894 besuchte er die Kriegsakademie in Berlin, nahm 1866 am Deutschen Krieg gegen Österreich teil und wurde schwer verwundet. Ab 1867 war er Mitglied im preußischen Generalstab und diente ab 1870, als der deutsch-französische Krieg begann, im Stab von Friedrich Karl Nikolaus von Preußen.

 

Zwischen 1878 und 1883 wirkte Goltz als Lehrer für Kriegsgeschichte an der preußischen Kriegsakademie und schrieb einige Standardwerke über Strategie und Taktik des modernen Krieges. 1883 entsandte ihn der preußische Kaiser nach Konstantinopel, wo er im Auftrag des  türkischen Sultans, der zu den Verbündeten des deutschen Kaiserreichs zählte, damit begann, das osmanische Heer zu organisieren. Er erhielt den Titel eines Marschalls („Müschir“) und den Ehrentitel Pascha.

 

Grundlagentext

 

Den Sultan bestärkte Goltz in dem Vorhaben, eine panislamische Türkei vom Mittelmeer bis zum kaspischen Meer, vom Balkan bis Syrien zu schaffen. Christliche Minderheiten wie die Armenier, von denen etwa 1,5 Millionen im türkischen Kernland siedelten, störten bei diesem Vorhaben. Außerdem galten die Armenier als potentielle Verbündete des russischen Zaren, der mit den türkischen  Sultanen um die Vorherrschaft in Vorderasien und auf dem Balkan stritt.

 

Die Türken fühlten sich von den russischen Expansionsbestrebungen permanent bedroht, und Goltz bestärkte sie in diesen Befürchtungen, auch was die Rolle der Armenier in diesem Kräftespiel anging. Sein Biograf Carl Alexander Krethlow urteilt: „Goltz hat seit Mitte der 1880er Jahre  maßgeblich dazu beigetragen, dass im preußischen Generalstab die Armenier als potentielle Gefahr für das Osmanische Reich im Falle eines Krieges mit Rußland wahrgenommen wurden. Damit etablierte er in der deutschen Militärführung eine der Grundlagen für die während des Ersten Weltkriegs erkennbare Distanz vieler deutscher Offiziere zum Schicksal der Armenier.“ (1)

 

Zu denen, bleibt hinzuzufügen, sich Goltz auch nicht besonders hingezogen fühlte. Das wird besonders deutlich, wenn es darum geht, die Rolle deutscher Rüstungsfirmen im Konkurrenzkampf mit anderen europäischen Herstellern am Sultanshof zu rekonstruieren. 1886 ordnete der Sultan die Beschaffung eines neuen Infanteriegewehrs für die osmanische Armee an, und Goltz erhielt den Auftrag, mit der Firma Mauser in Oberndorf und der Firma Loewe in Berlin Kontakt aufzunehmen.

 

C.A. Krethlow schildert in seiner Goltz-Biografie, was darauf hin geschah: „Eine Kommission, der auch Goltz angehörte, führte Schießversuche mit  verschiedenen Gewehrmodellen durch und verfasste nach zahlreichen Verzögerungen einen diesbezüglichen Abschlussbericht, der am 14. Dezember 1886 vom Sultan angenommen wurde. Der Kauf von 500.000 Mauser-Gewehren wurde angeordnet. Kriegsminister Ali Saib Pascha, der den Vertrag vorzubereiten hatte, stand jedoch mit einem Armenier namens Azarian in Verbindung und suchte das Geschäft zu torpedieren. Goltz zufolge organisierte Azarian die gesamten Waffenlieferungen an das Osmanische Reich, hatte damit Millionen verdient und sich einen beherrschenden Einfluss erworben.

 

1873 gelang es dem US-Waffenhersteller Providence Tools durch Azarian einen Vertrag über 600.000 Gewehre des Systems Peabody-Martini mit dem Osmanischen Reich abzuschließen.“ (2)

 

Es entbrannte ein heftiger Konkurrenzkampf, den der Sultan auf Einrede von Goltz vorläufig damit beendete, dass er Mauser, Loewe und Goltz ins Palais einberief, um mit ihnen direkt zu verhandeln. Das armenische „Störfeuer“, geschürt von einflussreichen armenischen Staatsbeamten in der Regierung des Sultans, hörte allerdings nicht auf. Die anti-armenische Haltung des späteren Generalfeldmarschalls dürfte dadurch nachdrücklich geprägt worden sein. Seine diesbezüglichen Berichte an den deutschen Generalstab und Kaiserhof ließen an Deutlichkeit jedenfalls nicht zu wünschen übrig. Auch der deutsche Botschafter in Konstantinopel wurde in das Kräftespiel mit einbezogen. Es endete mit der Bestellung von 500.000 Mauser-Gewehren im Februar 1887.

 

Goltz, der die Armenier im privaten Rahmen als „schmieriges Händlervolk“ bezeichnet haben soll, scheute sich nicht, auch öffentlich das stereotype Bild des geldgierigen Armeniers zu kolportieren. Er beobachtete die Entwicklungen rund um die armenische Minderheit im Osmanischen Reich weiterhin scharf. Als Christen waren sie in der islamischen Mehrheitsbevölkerung Bürger zweiter und dritter Klasse. Es kam zu Unruhen in den „Vilajets“, den armenischen Siedlungsgebieten, geschürt von Diskriminierung, Unterdrückung und Elend. Verdeckte und offene Türkenfeindlichkeit war die Antwort. 1888 berichtet Goltz erstmals über eine „armenische Verschwörung“, die angeblich vom Vilajet Van ausging und bei den armenischen Zirkeln in der Hauptstadt Konstantinopel Unterstützung erfuhr. Repression war die Antwort.

 

Verhaftungen wurden vorgenommen und Briefe und politische Pamphlete beschlagnahmt. Doch immer noch waren armenische Spitzenbeamte am Sultanshof in einer starken Position. Goltz war sich sicher, dass diese Beamten nicht an einer armenischen Verschwörung beteiligt waren. Gleichwohl schürte er Misstrauen gegen sie, indem er behauptete, Armenier seien für die desolate Finanzlage des Osmanischen Reichs verantwortlich - nicht einzelne Beamte, sondern die Armenier und die von ihnen provozierten Unruhen insgesamt. Krethlow: „Sein Ansatz war die Intensivierung militärischer Maßnahmen, um in den armenischen Vilajets Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.“ Die offenkundigen Massaker an Armeniern verharmloste Goltz.

 

Den bisherigen „Berichten über die angeblichen Gemetzel“ sprach Goltz eine stark subjektive, pro-armenische Haltung zu. Wer Land und Leute kenne, so Goltz, für dessen Ohr klingen die „Schauergeschichten von der Abschlachtung von Tausenden von Menschen, von Frauen und Kindern höchst unwahrscheinlich.“ Andere Maßnahmen zur Vorbeugung und Unterdrückung von Wirren“, so Krethlow, „gingen nur schleppend voran. So empfahl er die rasche Verteilung neuer Mauser-Gewehre, damit sich die Truppen mit deren Gebrauch vertraut machen konnten. Dass sie noch im September 1895 nicht an die Truppen ausgegeben waren, lastete Goltz dem Sultan an, dem es am guten Willen fehle, seine Soldaten für die Unterdrückung von Aufständen sachgemäß auszurüsten.“ (3)

 

Seine Kritik am Sultan blieb gleichwohl nicht folgenlos: nur wenige Wochen später konnte der deutsche Diplomat Saurma nach Berlin berichten, der Sultan habe direkte Befehle gegeben, die aufständischen Armenier niederzuschlagen.

 

Als Goltz 1895 - nach zwölfjähriger Tätigkeit in Konstantinopel - nach Berlin zurück beordert wurde, hatte er im türkischen Generalstab tiefe Spuren hinterlassen. Sein 1883 in Deutschland publiziertes und ins Türkische übersetzte Buch „Das Volk in Waffen“ wurde zum Standardwerk der osmanischen Offiziersausbildung. Die Bedeutung des Vernichtungskriegs und das Nationalitätenprinzip waren wesentliche Punkte seiner Lehre.

 

Den Zweck des Krieges, so Krethlow, sah Goltz in der völligen Vernichtung bzw. der gänzlichen Erschöpfung des Gegners. „Im Osmanischen Reich sollten diese Thesen des preußischen Offiziers im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Armenier im Ersten Weltkrieg erschreckende Auswirkungen zeigen. So trugen die Lehren von Goltz, die den Einbezug aller Kräfte zur Erreichung des militärischen Sieges forderten, dazu bei, dass Deportationen, Umsiedlungen und Vernichtungsmaßnahmen Eingang in das Vorstellungsvermögen osmanischer Militärs fanden. Goltz partizipierte damit  an der theoretischen Basislegung für den späteren Genozid an den Armeniern und dessen militärischen Begründungen. (4)

 

Dem Genozid an den Armeniern 1915 war 1912/13 der verlorene Balkankrieg vorausgegangen. In dessen Folge wanderten mehr als 400 000 muslimische Immigranten aus dem Balkan nach Anatolien ein. Für die christlichen Minderheiten wurde es eng. Die jungtürkische Bewegung, die inzwischen die Macht in Konstantinopel übernommen und einen neuen Kriegsminister sowie einen neuen Befehlshaber für die Gendarmerie ernannt hatte, bereitete in der Folge heimlich die Deportation Hunderttausender Armenier vor. Goltz hatte inzwischen in der Heimat weiter Karriere gemacht und war erst zum Generalleutnant, dann zum General der Infanterie und Kommandeur des 1. Armeecorps ernannt worden. 1907 schließlich wurde er zum Generalfeldmarschall befördert und trat 1913 im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand.

 

Da er bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs schon über 70 war, erhielt er kein Frontkommando mehr, sondern wurde 1914 Generalgouverneur für das deutsche Generalgouvernement Belgien. Schon bald bat er wieder um Abberufung von diesem Posten und wurde auf Vorschlag des deutschen Botschafters in Konstantinopel, Freiherr von Wangenheim, militärischer Berater des neuen türkischen Sultans Mehmet V. Als solcher entwickelte er Pläne zur Deportation der Armenier.  Als ihm der türkische Kriegsminister Enver Pascha im März 2015 den Deportationsbefehl vorlegte, stimmte er zu.

 

 „Zusammenfassend meinte Goltz, dass es nun die Pflicht des jungtürkischen Staates sei, eine rücksichtslose Interessenpolitik zu verfolgen... Damit befürwortete Goltz grundsätzlich das Konzept der Zwangsumsiedlung und nahm aus nationalen Überzeugungen die damit verbundenen menschlichen Tragödien in Kauf.“ (5) In der Türkei erhielt Goltz dann doch noch die ersehnte Kommandogewalt über große  Truppenverbände im Ersten Weltkrieg. Er wurde Oberbefehlshaber der 6. osmanischen Armee, der er zum Sieg in wichtigen Schlachten gegen die Briten verhalf.

 

Goltz starb am 19. April 1916 in seinem Hauptquartier in Bagdad - an Typhus. Sein Biograf Carl Alexander Krethlow sieht in ihm - neben dem Sultan und fanatisch türkisch-nationalistischen Offizieren einen der Hauptverantwortlichen für den Genozid.

 

 „Das Vorgehen der türkischen Militärs gegen die Armenier widerspiegelt...die seit Jahren von Goltz vertretenen Lehren über den Vernichtungskrieg im Zeitalter des Nationalismus. Als Mentor zahlreicher türkischer Militärs sowie im Umgang mit dem Osmanischen Reich erfahrenster deutscher Offizier kam Goltz großes Gewicht zu. Insofern war er bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg maßgeblich daran beteiligt, die theoretischen Grundlagen für den Genozid an den Armeniern von 1915/16 zu schaffen“. (6)

 

Anmerkung:

Die Zitate (1) bis (6) stammen aus:

Carl Alexander Krethlow, Rüstungsgeschäfte, Verschwörungen und Massaker - Goltz Pascha und die Armenierpolitik im Osmanischen Reich (1886-1914), Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bremen 2008

 

Literatur

Carl Alexander Krethlow: Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz,

Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2012

Täterprofil: Mauser, Paul (seit 1912 Paul von Mauser);

Waffenkonstrukteur der Mauser-Werke

 

Biografische Angaben

Geboren. 27. Juni 1838, gestorben am 29. Mai 1914 jeweils in Oberndorf am Neckar. Paul von Mauser war ein deutscher Waffenkonstrukteur und Politiker.

 

Grundlagentext

 

Der später vom Württembergischen König geadelte Paul Mauser durfte dem Sultan persönlich seine modernsten Entwicklungen präsentieren. Im Februar 1887 unterzeichneten das Kriegsministerium des Osmanischen Reiches und ein deutsches Firmenkonsortium, bestehend aus den Firmen Mauser und Ludwig Loewe & Co KG, einen Vertrag über die Lieferung von 500.000 Gewehren vom Modell M/87 und 50.000 Karabinern des gleichen Typs. Weitere Aufträge in erheblichem Umfang folgten.

 

Nachdem die Firma Mauser von der Firma Ludwig Loewe übernommen worden war, behielt seine Familie 7% des Aktienkapitals und verdiente bei den millionenfachen Exporten der in alle Welt gelieferten Gewehre, Pistolen und Karabiner mit. Paul von Mauser starb kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 29. Mai 1914 im Alter von 76 Jahren. Die verheerende Wirkung der von ihm entwickelten Waffen auf dem Höhepunkt des Genozids an den Armeniern 1915/16 sollte er somit nicht mehr erleben. 

 

Literatur

Mauro von Baudino, Gerben van Vlimeren: Paul Mauser – His Life, Company and Handgun Development 1838-1914, Gatesbury, IL, 2016

Prof. Dr. C. Matschoss (Hrsg.), Geschichte der Mauser-Werke, Verein deutscher Ingenieure, VDI-Verlag, Berlin 1938

Täterprofil: Loewe, Isidor; Rüstungsmanager Ludwig Loewe & Co und Mauser-Werke

 

Biografische Angaben

 

Isidor Loewe wurde am 24. November 1848 in Heiligenstadt (Eichsfeld) geboren. Nach einer Banklehre und einer Tätigkeit in der Mineralölindustrie holte ihn sein Bruder Ludwig in seine Firma, die Ludwig Loewe & Co. Die wichtigsten Geschäftsfelder waren die Waffen-, Elektro- und Automobilindustrie. Ludwig Loewe starb 1886 und Isidor übernahm die Firma.                              

 

Grundlagentext

 

Isidor Loewe konzentrierte sich im Konzern auf die Produktion von Handfeuerwaffen und Munition. 1887 wandelte er die Firma in eine Aktiengesellschaft um und kaufte Aktien der Mauser-Werke in Oberndorf für zwei Millionen Reichsmark. Er übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrats bei Mauser. Im selben Jahr erhielten Mauser und Loewe den türkischen Auftrag zur Lieferung von 500.000 Mauser-Gewehren. Die dazu gehörige Munition sollte zunächst die Deutsche Metallpatronenfabrik Lorenz in Karlsruhe liefern. 

 

Mit Hilfe des Pulverfabrikanten Max Duttenhofer gelang es Loewe, auf Lorenz Druck auszuüben und seine Firma für sechs Millionen Mark an die Loewe AG und Duttenhofer zu verkaufen. Sie wandelten die Fa. Lorenz in eine Aktiengesellschaft um und teilten sich die Aktien. Isidor Loewe kontrollierte ab 1889 die gesamte deutsche Rüstungsindustrie mit Ausnahme von Krupp. Ebenfalls 1889 beteiligte sich Loewe mit 50 Prozent an der „Fabrique Nationale d`Armes et du Guerre“ (FN) in Herstal/Belgien.

 

Kurz darauf gründete Loewe einen eigenen Waffenkonzern, die „Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) mit Sitz in Berlin. Nach der Jahrhundertwende gehörte die DWM mit 11.000 Beschäftigten zu den größten deutschen Industrieunternehmen. Mit den Hauptgeschäftsfeldern Handfeuerwaffen und Munition gehörte die DWM zu den profitabelsten Firmen im Deutschen Reich. Im Ersten Weltkrieg, als das Mauser-Gewehr 98 zur Standardwaffe des deutschen Soldaten wurde, dürften sich die Profite von Loewe noch einmal verzigfacht haben.

 

Literatur über den Täter Isidor Loewe

Hans Christoph Graf von Seherr-Thoss: Isidor Loewe in „Deutsche Biografie“, 1987         

Link: www.deutsche-biografie.de sfz70547 html

Täterprofil: Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav Georg Friedrich Maria; Diplomat und Krupp-Aufsichtsratsvorsitzender

 

Von Bernhard Trautvetter

 

Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach wurde am 7. August 1870 in Den Haag geboren; er wurde 79 Jahre alt. Er war nach dem Abschluss des Jurastudiums Diplomat für das Deutsche Kaiserreich, so als Legionsrat in Peking und Washington sowie als Sekretär an der preußischen Gesandtschaft beim Vatikan; in Rom lernte er die älteste Tochter und Alleinerbin des Industrie-Unternehmens Krupp kennen. Nach seiner Heirat mit Bertha Krupp 1906 kam er in den Aufsichtsrat der Friedrich Krupp AG und wurde 1909 dessen Vorsitzender.

 

Kaiser Wilhelm II erlaubt dem ihm und Bertha die Aufnahme des Namens Krupp in den Ehe-Namen, um die Dynastie-Tradition aufrecht zu erhalten. 1910 wurde er Mitglied in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Nachdem das Deutsche Reich Anfang August 1914 erst Russland und dann Frankreich den Krieg erklärt hatte und so den 1. Weltkrieg auslöste, konzentrierte das  Unternehmen seine Produktion unter seiner Führung weitgehend auf Rüstung. Nach dem verlorenen Krieg stellte Krupp die Produktion entsprechend dem Versailler Vertrag auf Friedensprodukte um. Während der Ruhrbesetzung durch Frankreich kam Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach 1923 sieben Monate Haft.

 

Von 1931 bis 1934 war er Präsident des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. 1933 übernahm er den Kuratoriumsvorsitz der Adolf-Hitler-Spende der Deutschen Wirtschaft. Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler entfernte der Krupp-Konzern während des sog. ‚Großen Aufräumens‘ direkt ab März 1933. 1937 wurde Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach durch einen sog. ‚Führerbefehl‘ Hitlers „Reichsführer der Wirtschaft“. Er war im Nürnberger Prozess gegen die maßgeblichen Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof einer der 24 angeklagten Kriegsverbrecher, das Verfahren gegen ihn wurde aus gesundheitlichen Gründen eingestellt. Am 16. Januar 1950 starb er im Krupp-eigenen Schloss Blühnbach bei Salzburg in Österreich.

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Heutiger Einsatz deutscher Kriegswaffen

gegen Kurdinnen und Kurden in der Türkei und in Syrien

 

Von Helmut Lohrer

 

Vor über 100 Jahren bereits machten die deutschen Firmen Mauser und Krupp ein Vermögen mit dem Export von Gewehren und Kanonen an das Osmanische Reich. Die Waffen kamen nicht nur im Ersten Weltkrieg zum Einsatz, sondern auch bei den Massakern an Armeniern. Diese Exporte wurden von staatlicher Seite ausdrücklich gefördert und, wie mehrfach dargelegt (1) und als Fall 01 auf der Website des GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE  GN-STAT veröffentlicht, vom deutschen Generalfeldmarschall Freiherr Colmar von der Goltz vermittelt.

 

Das Prinzip, gegen alle rechtlichen und moralischen Bedenken der vermeintlichen Staatsraison folgend Waffen in Krisenregionen zu liefern, existiert in trauriger Kontinuität bis heute. Exemplarisch seien an dieser Stelle der Export abertausender Sturmgewehre des Typs G36 der Firma Heckler & Koch an Mexiko und der 2018 genehmigt Transfer von acht Patrouillenbooten der Lürssen-Werft nach Saudi-Arabien genannt. Gleichfalls nach Saudi-Arabien liefert die deutsche Firma Rheinmetall – unter Umgehung deutscher Richtlinien – Bomben und Munition über das Tochterunternehmen RWA Italia in Italien und Munition über das Joint Venture mit der Firma Denel in Südafrika (Rheinmetall Denel Munitions, RDM). Diese Waffen und Munition werden im völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jemen eingesetzt.

 

Bis heute ist der NATO-Partner Türkei Abnehmer deutscher Dual-Use-Güter, Rüstungsgüter und Kriegswaffen. Schon seit Jahrzehnten werden von Deutschland gelieferte gepanzerte Fahrzeuge und Kleinwaffen – wie das Sturmgewehr G3 und die Maschinenpistole MP5, in deutscher Lizenz produziert bei MKEK in Ankara – gegen Kurdinnen und Kurden im Südosten der Türkei eingesetzt, offiziell ausschließlich gegen die kurdische PKK. Unter Missachtung dieser Sachlage wurden aus Deutschland weiterhin Exporte militärischer Fahrzeuge, Kleinwaffen und Kampfpanzer genehmigt und geliefert, was einen klaren Verstoß gegen deutsche Exportrichtlinien darstellt.

 

Im Jahr 2018 hat sich die Lage nochmal erheblich verschärft: Die Türkei ist unter Bruch des Völkerrechts, so die einhellige Meinung auch aller im Bundestag vertretenen Parteien (2), in Syrien eingefallen und hat mit einer brutal ausgeführten Offensive die überwiegend von Kurden bewohnte Stadt Afrin eingenommen. Dabei wurden nach Angeben der türkischen Regierung auch von Deutschland gelieferte Leopard-2-Panzer, gefertigt von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, eingesetzt.(3) Und obwohl selbst die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung den Angriff auf die kurdische Stadt Afrin verurteilte (4), wurden auch seitdem weiter Waffen an die Türkei geliefert. Dies geht sowohl aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour (5) als auch aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Deutschen Bundestag (6) hervor.

 

Seit dem am 20. Januar 2018, dem Beginn der türkischen Offensive mit dem zynischen Namen „Olivenzweig“, hat die Bundesregierung demnach Waffenexporte im Wert von über 4 Millionen Euro genehmigt.  Mit diesem Gerät soll u.a. die Zielgenauigkeit von Waffensystemen verbessert werden

 

Es bleibt also alles beim Alten, das Geschäft geht vor der Moral. Und weder deutsches noch internationales Recht – Deutschland hat den UN-Vertrag über den Waffenhandel ratifiziert (7), der solche Rüstungsgeschäfte eindeutig verbietet –hindern die Bundesregierung daran, Waffenexporte zu genehmigen, die zum unmittelbaren Einsatz in einem völkerrechtswidrigen Krieg gelangen.

 

Quellen

(1) Jürgen Gottschlich, Beihilfe zum Völkermord – Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, Berlin 2015, S. 50

(2) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMTgva3cwNS

(3) http://www.fr.de/politik/krieg-in-syrien-deutsche-waffen-fuer-die-tuerkei-a-1467738

(4) https://de.reuters.com/article/deutschland-syrien-t-rkei-idDEKBN1GX1FF

(5) http://www.fr.de/politik/krieg-in-syrien-deutsche-waffen-fuer-die-tuerkei-a-1467738

(6) http://www.tagesschau.de/ausland/afrin-ruestungsexporte-101.html

(7) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/-/213176

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Literatur

Geschichte der Mauser-Werke, VDI-Verlag Berlin 1938

Gottschlich, Jürgen: Beihilfe zum Völkermord – Deutschlands Rolle bei der Vernichtung

der Armenier, Berlin 2015

Krethlow, Carl Alexander: Rüstungsgeschäfte, Verschwörungen und Massaker –

Goltz Pascha und die Armenierproblematik im Osmanischen Reich (1868-1914),

Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bremen 2008

Kussmann-Hochhalter, Andreas: Halbmond über Oberndorf, Oberndorf 2015,

Menne, Bernhard: Krupp-Deutschlands Kanonenkönige, Zürich 1937

Schneller, J. Ludwig: Königserinnerungen, Leipzig 1926

Stresemann, Rosemarie: Bündnis des Todes II, CKV Publishing, Lübeck 2014

Türk, Fahri: Die deutsche Rüstungsindustrie in ihren Türkeigeschäften zwischen

1871 und 1914, Frankfurt a.M. 2007

Werfel, Franz: Die vierzig Tage des Musa Dagh, Fischer Taschenbuch, 2015

 

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Filme

 

Friedler, Erik: Aghet – ein Völkermord, Deutschland 2011, DVD zu beziehen über Amazon

George, Terry: The Promise, USA 2017, DVD zu beziehen über Amazon

Okkan, Osman: Mordakte Hrant Dink, Dokumentation über den 2007 ermordeten armenischstämmigen Journalisten und Friedensaktivisten, WDR/Arte 2008;

Kontakt: Anfragen an Osman Okkan, Kulturforum Türkei Deutschland, Tel. 0221-12090680, E-Mail: info@das-kulturforum.de

Film siehe https://www.youtube.com/watch?v=DjyMDhvMKgA

 

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Links zu wichtigen Websites

www.armenocide.de

www.zentralrat.org/en/zentralrat (Zentralrat der Armenier in Deutschland:)

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Angaben zu den Autoren

 

Autor GN-STAT FALL 01 zum Genozid an Armeniern

 

Wolfgang Landgraeber gehörte als Redakteur der politischen ARD-Magazine MONITOR und PANORAMA von Ende der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre zu den renommierten investigativen Fernsehjournalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Seit 1979 hat er als Autor oder Co-Autor rund 30 Dokumentarfilme, Fernsehdokumentationen und Reportagen produziert, die auf nationalen und internationalen Film- und Fernsehfestivals eine Vielzahl von Preisen gewannen. Ihr gemeinsames Merkmal: eine kritische Sicht auf die Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, ihre Repräsentanten und ihre Geschichte. Die Themenbereiche „Militarismus“ und „Waffenexport“ gehören zu seinen Schwerpunkten. Von 2001 bis 2012 war Landgraeber  Leiter der Programmgruppe Dokumentationen Kultur, Geschichte und Wissenschaft im WDR Fernsehen. Seit 2013 arbeitet er als freier Filmemacher und Dozent in München.

 

Filme von Wolfgang Landgraber über Krieg, Rüstung, Menschenrechtsverletzungen (Kino und TV):

„Nah beim Schah“ (1978), „Fern vom Krieg“ (1984), „Südfrüchte aus Oberndorf“ (1984), „Vergeben, aber nicht vergessen“ (1985), „Gesucht wird… der unsichtbare Tod“ (1991) „Panteón Militar“ (1993), „Kreuzzug gegen die Subversion“ (1994), „Vom Töten leben“ (2016)

Trailer unter www.landgraeberfilm.de

 

Angaben zu den Autoren der ergänzenden Textbeiträge

 

Autor zu Rheinmetall

 

Otfried Nassauer (Jahrgang 1956) ist freier Journalist und Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS). Nassauer verfasste zahlreiche Beiträge für Fernsehmagazine (u.a. Monitor, Panorama, Frontal 21), Hörfunk (u.a. Streitkräfte und Strategien, SWR2, WDR5) sowie Printmedien (Spiegel, Tagesspiegel, TAZ, Frankfurter Rundschau, Loyal, Wissenschaft & Frieden, Friedensforum u.a.), elektronische Medien (u.a. Spiegel online, The European, Blättchen). Er referiert national wie international zu Rüstungsrecherchen u.v.a.m. auf Fachtagungen und Friedenskongressen.

 

Die meisten seiner Publikationen sind im Internet einsehbar. Siehe Webseite: www.bits.de

 

Autor zu Krupp

 

Bernhard Trautvetter, Friedensaktivist seit den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, Mitglied im Sprechkreis des Essener Friedensforums und in der AG Friedenspädagogik der GEW NRW, für die VVN-BdA NRW Vertreter im Bundesausschuss Friedensratschlag, Autor friedenspolitischer und -pädagogischer Texte u.a. in der Neuen Deutschen Schule, der Jungen Welt, den Marxistischen Blättern, der Zeitschrift Friedensforum und als Bildgestalter und Lyriker kreativ in der Öffentlichkeit präsent, u.a. mit der Ausstellung „Kriege enden nicht im Frieden“ – erstmalig 1991 im Haus der ev. Kirche in Essen; Initiator und Motor von Friedensaktionen aus Anlass von Essener Konferenzen von Nato-Militär- und Nuklearstrategen, Kritiker der rüstungsindustriellen Entwicklung im Raum Essen, der einst als 'Waffenschmiede des Reiches'  bedenkliche Berühmtheit in der Zeit der Weltkriege errang. Trautvetter ist Träger des Düsseldorfer Friedenspreises 2018.

 

Autor zur Intervention mit deutschen Waffen in der Türkei (2018):

 

Dr. Helmut Lohrer (Jahrgang 1963) arbeitet als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Villingen-Schwenningen. Nach zweijähriger Tätigkeit als Lehrer in Kamerun studierte er Medizin in Heidelberg, seine Facharztausbildung absolvierte er in Manchester/England und in VS. Seit seinem Studium engagiert er sich bei den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in Sozialer Verantwortung (IPPNW), die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Er ist International Councillor der deutschen Sektion sowie gewähltes Mitglied im internationalen Vorstand der IPPNW. Als Gründungsmitglied des IPPNW-Arbeitskreise Süd/Nord beschäftigt er sich intensiv mit friedenspolitischen Aspekten (neoliberale Globalisierung, Atomwaffen, Waffenhandel). U.a. organisierte er 2013 in Villingen mit Bezug zur Waffenstadt Oberndorf den Kleinwaffenkongress „Zielscheibe Mensch“, an dem 300 Ärzte, Wissenschaftler und Aktivisten aus aller Welt teilnahmen.


Quellen

(1) siehe Deutscher Bundestag, Drucksache 18/8613 vom 31.05.2016; Antrag der  Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“.

Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw22-de armenier/423826

(2) zitiert nach Jürgen Gottschlich, Beihilfe zum Völkermord – Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, Berlin 2015, S. 179

(3) Andreas Kussmann-Hochhalter, Halbmond über Oberndorf, Oberndorf 2015, S.12

(4) Gottschlich, a.a.O., S. 50

(5) Kussmann a.a.O., S. 7

(6) Carl Alexander Krethlow, Rüstungsgeschäfte, Verschwörungen und Massaker – Goltz Pascha und die Armenierproblematik im Osmanischen Reich (1868-1914), Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bremen 2008

(7) J. Ludwig Schneller, Königserinnerungen, Leipzig 1926, zitiert aus Rosemarie Stresemann, Bündnis des Todes II, CKV Publishing, Lübeck 2014

(8) A. Kussmann, a.a.O., S. 23/24

(9) J. Gottschlich, a.a.O., S. 30-31

(10) J. Gottschlich a.a.O., S. 32

(11)  Franz Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, Fischer Taschenbuch, 2015

(12) zitiert aus Gottschlich, a.a.O., S. 22-23

(13) zitiert aus Gottschlich, a.a.O., S. 197

(14) Jörg Berlin und Adrian Klenner (Hrsg.) Völkermord oder Umsiedlung? Das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich, Darstellung und Dokumente, Köln 2006, S. 372

(15) J. Gottschlich, a.a., O. S.197

(16) zitiert nach J. Gottschlich, a.a.O. S. 205

(17) zitiert nach J. Gottschlich, a.a. O. S. 219

(18) Fahri Türk, Die deutsche Rüstungsindustrie in ihren Türkeigeschäften zwischen

      1871 und 1914, Frankfurt a.M. 2007

(19) ders. a.a.O., S.108

(20) A. Kussmann, a.a.O., S. 30

(21) Fahri Türk,  a.a.O., S. 124

(22) Fahri Türk, a.a.O., S. 169

(23) Geschichte der Mauser-Werke, VDI-Verlag Berlin 1938, S.7

(24) zitiert nach Berlin und Klemmer, a.a.O., S. 380

(25) www.bundespräsident.de: Der Bundespräsident/Reden/Worte des Gedenkens 23. April 2015

(26) Rheinmetall Defence: 200 Jahre industrielle Waffenfertigung

www/rheinmetall-defence.com/de

(27) „Fern vom Krieg“, Dokumentarfilm von Wolfgang Landgraeber 1984,

www.landgraeberfilm.de

(28) Süddeutsche Zeitung Online vom 20.08.2017

(29) Süddeutsche Zeitung vom 3./4.12.2016, S. 6

 

Bildnachweise

 

Andreas Kussmann-Hochhalter, Halbmond über Oberndorf, Museum im Schwedenbau,

Oberndorf a. N. 2015, mit freundlicher Genehmigung des Autors Seiten 2, 3, 4, 6, 7, 12 und13 (Foto Paul von Mauser)

Wikimedia Commons S. 9, 13 (Foto Isidor Löwe), 14, 15


Kontakte

 

Für den Gesamttext GN-STAT Fall Nr. 01:

 

Wolfgang Landgraeber

Dantestr. 27 (Büro), 80637 München, Deutschland

Tel.: 0049-(0)89-17 87 78-02

Fax: 0049-(0)89-17 87 78-03

Mob.: 0049-(0)173-75 40 613

E-Mail: w.landgraeber@t-online.de

 

Für Rheinmetall:

Otfried Nassauer

Leiter des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit (BITS)

Rykestr. 13, 10405 Berlin
Tel.: 0049-(0)30-44 10-220

Fax: 0049-(0)30 44 10-221

E-Mail: Otfried.Nassauer@bits.de

Website: www.bits.de

 

Für Krupp:

Bernhard Trautvetter

Sprecher des Essener Friedensforums

Mob.: 0049-(0)175-59 46 225

E-Mail: btrau@t-online.de

 

Für türkische Interventionen mit deutschen Waffen:

Helmut Lohrer
International Councillor IPPNW Deutschland
Villingen-Schwenningen
E-Mail:
Helmut.lohrer@virgin.net

 

Koordination von Fall Nr. 01 des GN-STAT

 

ArmsInformationCentre / RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.)

Stühlingerstraße 7,

79106 Freiburg,

Deutschland

Tel.: 0049-(0)761-76 78 088,Fax: 0049-(0)761-76 78 090Web: www.rib-ev.de

 

Jürgen Grässlin

Mob.: 0049-(0)170-611 37 59

E-Mail: jg@rib-ev.de

 

Stephan Möhrle

Mob.: 0049-(0)15222 - 636 531

E-Mail: Moehrle@rib-ev.de

 

 

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www.rib-ev.de

 

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